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Auch Chile hat ein Salzkammergut

Von Meinhard Buzas, 02. März 2019, 04:32 Uhr
Auch Chile hat ein Salzkammergut
Der Osorno, ein Bilderbuch-Vulkan, dominiert das chilenische Seengebiet wie der Dachstein das Salzkammergut. Bild: mb

Die Chilenen nennen die Region den "kleinen Süden". Ihr Herzstück ist der Seen-District, Los Lagos genannt, rund 1100 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago. Ein Naturparadies mit verblüffenden Anklängen an mitteleuropäische Landschaften. Oberösterreicher fühlen sich sofort stark an das Salzkammergut erinnert. Mit Vulkan statt Dachstein, wohlgemerkt.

Wer mit einem Kreuzfahrtschiff, vom Ende der Welt in Ushuaia kommend, in Puerto Montt, der Hauptstadt der Region mit rund 180.000 Einwohnern, anlegt, dessen Blicke werden sofort gefangen genommen von einem ebenmäßigen Zuckerhut, dessen Spitze hinter den Hügeln aufragt, über die sich eine vierspurige Autobahnbrücke schwingt. Erster Sichtkontakt mit einem der schönsten Vulkane weltweit, der zu Recht häufig mit Japans Fujiyama verglichen wird: ein gleichschenkliges, pyramidenartiges Dreieck aus Fels, Eis und Feuer. 2652 Meter hoch, ab 1500 Metern mit Schnee bedeckt, derzeit in vulkanischem Schlaf, genannt Osorno.

Der Attersee Chiles

Er ist Wahrzeichen und unübersehbarer Blickfang der Gegend, deren Herzstück ein tiefblauer, von grünen Ufern gesäumter Bilderbuch-See ist, der Lago Llanquihue. Das Gewässer mit dem unaussprechlichen Namen ist quasi der Attersee Chiles: Erholungsgebiet für die 50 Kilometer entfernt wohnenden Menschen in Puerto Montt, Urlaubsziel für Chilenen aus allen Teilen des riesigen, aber nur höchstens 350 Kilometer breiten Landes. Eine vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Erholungslandschaft, mit milden Sommern, gut erschlossenen Ortschaften, allen erdenklichen Freizeiteinrichtungen und verblüffend vertraut anmutender Architektur.

Auch Chile hat ein Salzkammergut
Kühne Holzkonstruktion: das Hotel Petrohue Bild: me

Letztere hat ihre Wurzeln in der erstaunlichen Geschichte der Gegend. Sie wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von europäischen Auswanderern besiedelt, urbar gemacht, domestiziert und kultiviert. Rund 60.000 Deutsche kamen, in mühseligen Schiffspassagen, angelockt vom Versprechen unberührten Landes, das es nur in Besitz zu nehmen gelte. Auch Österreicher folgten diesem Lockruf, dessen Versprechungen von leicht erarbeitetem Wohlstand sich jedoch meist als trügerisch erwiesen. Härteste Arbeit war nötig, um dem Boden Früchte und den Urwäldern Holz abzuringen. Aber die Siedler krallten sich fest. Heute leben junge Menschen als sechste Generation deutscher Einwanderer im Seen-District, sie pflegen europäische Lebensart und kombinieren sie mit hispanischem Temperament.

Zeugnisse der Kolonisten

Auf den sattgrünen Wiesen grasen rund um den Llanquihue-See, der eineinhalb Mal so groß ist wie der Bodensee, schwarzbunte Rinder und große Schafherden. Die durch eine Straße rund um das imposante Gewässer erschlossenen Weiler und Kleinstädte wollen die Herkunft ihrer Kolonisten gar nicht verleugnen: Bauernhäuser aus Holz und Stein, wie sie auch in unseren Breitengraden stehen könnten, unzählige Bienenstöcke, die hervorragenden Honig für alle Gegenden Chiles liefern, Villen mit Holzfassaden, Erkern und Veranden. Auch hier Anklänge an den Baustil im Salzkammergut.

In Puerto Varas, dem Hauptort, fasziniert die große, hölzerne Kirche "Sagrado Corazon de Jesus" (Herz-Jesu-Kirche), die zu Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut und einem Vorbild aus den Tiefen des deutschen Schwarzwaldes nachempfunden wurde. 17 kleine Bierbrauereien sind in der Region entstanden, eine Vielfalt, die auch die Einheimischen begeistert, woraus Fremdenführer Jorge aus Puerto Montt kein Hehl macht. Überhaupt ist er des Lobes voll über die europäischen Besiedler, die ja nicht als Eroberer und Unterdrücker kamen: "Sie haben ihren Arbeitswillen, ihre handwerklichen und bäuerlichen Kenntnisse und Fertigkeiten mitgebracht und eingesetzt, zum Wohl der Gegend. Die guten Auswirkungen sieht und spürt man noch heute, und das Zusammenleben mit den ,Europäern‘ funktioniert blendend und reibungslos."

Tourismus hat der Gegend seinen Stempel aufgedrückt: In Puerto Varas herrscht quirliges Leben, Kunsthandwerk-Standeln säumen das Seeufer, Lokale locken mit Kuchen und Kaffee, Hotels wie das Radisson, ein geschmackvoller Palast aus Stein und Holz direkt am See, sind im Hochsommer ebenso ausgebucht wie kleine Pensionen oder kuschelige Mini-Hotels, etwa das "Klein Salzburg" in Frutillar, einem Erholungsort am See, der mit allen anderen eines gemeinsam hat: Wo immer man geht, schiebt sich der Vulkan ins Blickfeld.

Er ist zwar auch schon vom Klimawandel angenagt, seine immerwährende Schneede

cke reichte früher weiter herunter, aber er taugt auch immer noch zum Skiberg. Bis in 1500 Meter windet sich eine abenteuerliche Bergstraße hinauf, von dort führen zwei eher antiquierte Sessellifte ins Skivergnügen.

Eine der Hauptattraktionen für die Urlauber und Tagesbesucher ist ein weiterer, kleinerer See, der Lago Todos los Santos, der Allerheiligen-See, erreichbar über eine aus grauschwarzem Vulkansand gestampfte Straße. Wieder werden Salzkammergut-Assoziationen wach: Ausflugsschiffe laufen zu Rundfahrten aus, alle Wassersportarten werden angeboten, manche Höhenzüge wirken so, als führten sie geradewegs zum Schafberg hinauf, nur dass dieser hier wiederum ein Vulkan ist, ein aktiver noch dazu. Der Calbuco ist erst 2015 letztmals ausgebrochen, spie gewaltige Aschewolken aus, verschonte aber Siedlungen.

Auch Chile hat ein Salzkammergut
Die Kaskaden des Allerheiligen-Sees sind eine Touristenattraktion. Bild: mb

Knietief in Vulkanerde

An einer abgerissenen Geländekante wird das Ausmaß der vulkanischen Aktivitäten besonders deutlich: Die riesigen, immergrünen Araukarien-Bäume stehen quasi knietief in einer meterhohen Schicht aus Vulkanerde, die Stämme wurden bei jedem Ausbruch noch weiter zugeschüttet.

Am Ufer des Allerheiligen-Sees, benannt nach dem Tag seiner Entdeckung, bezaubert das einzige Hotel, Petrohue genannt, mit einer kühnen, pagodenähnlichen Holzkonstruktion, einer architektonischen Mixtur aus Schwarzwald und Fernost. Gleich nebenan sind die gleichnamigen Wasserfälle eine weitere, große Attraktion der Gegend. In allen Schattierungen zwischen weiß, blau und grün rauscht der See-Abfluss in gischtenden Kaskaden durch eine felsengesäumte Schlucht. Der Wanderweg dorthin ist gut ausgebaut, mit Aussichtsplattformen gespickt, leicht begehbar und dementsprechend überlaufen.

Kulinarisch hat der kleine Süden Chiles Köstliches zu bieten: etwa wunderbaren Lachs in allen Zubereitungsarten (Chile ist nach Norwegen zweitgrößter Lachsproduzent weltweit). Die Seen und Bäche liefern ihren Fischreichtum frisch auf den Teller, die Steaks sind zart und saftig, und Streusel- oder Apfelkuchen samt Espresso gibt es in praktisch jedem Lokal, sogar im englisch getrimmten Pub am Hauptplatz von Puerto Varas.

Auch Chile hat ein Salzkammergut
Lämmer werden im Süden Chiles im Ganzen gegrillt. Bild: mb

Dort beeindruckt auch die Vielfalt des Kunsthandwerks, dem ein eigener Markt gewidmet ist. Es lohnt sich, vor allem Textilien, Schals, Ponchos und Mützen aus buntgefärbter Alpaka-Wolle zu erstaunlich günstigen Preisen zu erstehen oder Schmuck aus Silber und Halbedelsteinen, den aber zur Sicherheit nur in Geschäften und eher nicht an Marktbuden. Chilenische Pesos sind nicht erforderlich, auch kleinste Beträge können mit Kreditkarte bezahlt werden, und der Dollar ist, zu einem recht guten Kurs, auch gerne gesehen.

Chiles Behörden haben die Attraktivität dieses Gebietes rasch erkannt und es für Touristen gut erschlossen. Vom Hafen in Puerto Montt führt eine zweispurige Autobahn Richtung Seengebiet, von der dann gut ausgebaute Bundesstraßen abzweigen. Der große See ist auf einer Ringstraße zu umkreisen, die die kleineren Erholungsorte verbindet.

Komfortabler für Kreuzfahrer

Wie kommt man als Europäer und Urlauber in dieses entlegene südamerikanische Naturparadies? Wer es gerne anstrengend mag, nimmt von Santiago aus die Panamericana mit dem Auto unter die Räder, deren gut ausgebaute Strecke im Seen-District endet. Von dort stößt nur noch die deutlich mühsamer zu befahrene Carretera Austral weiter in den Süden vor, bis sich dann ab dem Endpunkt in Villa O’Higgins nur noch die totale Menschenleere des chilenischen Patagonien bis zum sagenumwobenen Kap Hoorn erstreckt.

Komfortabler reist es sich auf einem Kreuzfahrtschiff. Die gängige Route, angeboten von NCL (Norwegian Cruise Lines), führt von Buenos Aires mit Zwischenstopps an der Peninsula Valdez und auf den Falkland-Inseln nach Süden bis Feuerland und dann auf chilenischer Seite durch eine Wunderwelt von Fjorden, Inseln, Meereskanälen, Urwäldern und Gletschern wieder nach Norden. Puerto Montt ist dabei eine fixe Anlaufstation für ausgedehnte Tagesausflüge. Die Route wird auch in umgekehrter Richtung (von Santiago bis Buenos Aires) befahren.

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