Toskanische Preziosen
Zwischen den Besuchermagneten Florenz, Siena, Livorno und Pisa finden sich immer noch landschaftstypische Kleinode abseits des Touristenstroms, die es durchaus zu besuchen lohnt, meint Bert Brandstetter.
Sie ist eine der meistbereisten, -beschriebenen und berühmtesten Gegenden Italiens. Und jeder Besuch bestätigt die Superlative von Neuem. Ja, dieser Flecken Land zwischen Florenz, Siena, Livorno und Pisa lässt einem den Atem stocken. Nicht nur wegen der Kulturschätze in den Städten, einzigartig ist auch die Landschaft und bemerkenswert der Wein. Die OÖN haben sich auf die Reise gemacht in bisher noch weniger bekannte, aber nicht minder staunenswerte Ecken in diesem Landstrich, der etwa doppelt so groß ist wie Oberösterreich.
Nichts. Kein Auto, kein Moped, kein Flugzeug. Sobald die Sonne über em kleinen Turm von Tonda untergegangen ist und sich die Dunkelheit auszubreiten beginnt, verstummen auch die Zikaden. Es gibt tatsächlich Gegenden in der weltberühmten Toskana, in denen es noch völlig still wird. Tonda gehört dazu; ein kleines Bauerndörfchen, von dem wohl nur noch Ruinen übrig wären, hätte es vor 30 Jahren nicht die Schweizer Feriengesellschaft Hapimag samt und sonders gekauft und zu einem urtoskanischen Schmuckstück gemacht.
Unbekanntes Montaione
Tonda ist Teil der Gemeinde Montaione, günstig gelegen zwischen Florenz und Siena, eine halbe Stunde von der Türmestadt San Gimignano entfernt. Dazwischen: Landschaft pur, fast Urwald, dicht bewachsen mit Eichen und Sträuchern, perfekte Heimat für alles Getier, das sich in der Hitze dieser Gegend wohlfühlt, in der es im Winter aber sogar Schnee geben kann. Die Gemeinde Montaione im Elsatal selbst ist klein, verfügt über ein paar Supermärkte und präsentiert sich in völliger Unaufgeregtheit exakt so, wie man sich eine italienische Kleinstadt vorstellt. Eine Kirche, viele Bars, ein paar Restaurants, all das eben, was man in Dörfern draußen nicht so leicht bekommt. Überhaupt: Italiens Politiker scheinen es geschafft zu haben, dem wirtschaftlichen Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Tankstellen und Supermärkte muss man suchen, die kleine lokale Wirtschaft funktioniert besser als anderswo.
Auch in San Miniato, vielleicht eine halbe Fahrstunde entfernt. Dort leben schon fast 30.000 Personen, sie haben sich aber in besonderer Weise der Gelassenheit verschrieben. San Miniato gehört so wie unsere Stadt Enns zum Verband der "Cittàslow". Entschleunigung und gesundes Leben, das ist es, worauf diese Organisation setzt, und in San Miniato hat diese Philosophie ein Gesicht im städtischen Fleischermeister Sergio Falaschi. Er ist der Präsident von Slowfood in der Toskana und mächtig stolz darauf. Ihn zu finden ist kein Kunststück, weil ihn jeder kennt und jeder in Hochachtung von ihm spricht.
Entgegen dem Klischee der italienischen Hektik präsentieren sich in diesem Eck der Toskana noch etliche andere Städte. Monteriggioni etwa, mit seinen 14 Wehrtürmen, die der alten Stadtmauer ein einzigartiges Gepräge verleihen. Dazwischen eine kleine, wunderbar geschützte und weitgehend autofreie Altstadt mit allem, was man zum Leben braucht.
Oder San Vivaldo: 17 barocke Kapellen sind dort im Wald versteckt, sie zeigen, wenn sie der Franziskaner aus dem daneben liegenden Kloster aufsperrt, biblische Szenen mit fast lebensgroßen tönernen Figuren. Jahrhundertelang haben Gläubige gefährliche Wege auf sich genommen, um hierher zu pilgern.
Nicht sehr weit zu fahren hat man hingegen zu einer modernen Pilgerstätte: zur Firmenzentrale der Marchesi von Antinori, die bereits in 26. Generation den Weinbau pflegen. Was Oberösterreich mit dem Musiktheater nicht geschafft hat, stemmte Antinori alleine: Er baute seine gigantische Weinzentrale so in den Berg, dass von außen gerade einmal zwei schmale Schlitze zu sehen sind. Im Inneren tut sich jedem Besucher aber eine wahre Kathedrale des Weins auf. Doch die gehört wohl bald zu den viel besuchten Orten der Toskana.