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Metropole des Genusses

Von Josef Lehner, 15. Dezember 2018, 00:04 Uhr
Metropole des Genusses
Bei Alberto, einem der vielen netten Altstadtlokale, beginnt der Tag mit einem Gläschen Vermoúth vom Fass. Dazu gehören ein paar Tapas, ehe gegen 14 Uhr der Mittagstisch angesteuert wird. Bild: OÖN/lehn

Die Katalanen klagen, ihr Barcelona sei von Touristen überflutet. Das entlädt sich schon in Feindseligkeiten. In Madrid sind Gäste herzlich willkommen. Hier lässt es sich fein flanieren und genießen.

Es ist ein unverrückbares Ritual. Regelmäßig und in mehreren Etappen füllen sich die vielen Bars der Stadt mit Gästen, vor allem einheimischen. Zum Auftakt werde gerne ein Glas Vermoúth genommen (die Betonung liegt auf der zweiten Silbe), erzählt Reiseführerin Isabella. Frühestens um 14 Uhr ist Mittagstisch, und dann wiederholen sich die Zeremonien in den Bars.

In den Küchen und auf den langen Theken werden fantastische Tapas komponiert und präsentiert. Wie der Österreicher den Leberkäse, so genießt der Madrilene am liebsten den gegrillten Tintenfisch im Semmerl. Schinken, Eingelegtes und Kroketten mit verschiedensten Füllen verwöhnen den Genießer. Dazu wird auch eine Caña, ein Glas Bier, oder Rotwein getrunken.

In den Ausgehvierteln muss man sich jeweils durch mehrere Lokale kosten: "Irse de marcha", so nennen die Einheimischen diesen Zeitvertreib. Das bedeute in etwa, dass man durch die Stadt marschiere, sagt Isabella. Umgelegt auf gut Österreichisch am ehesten: "An "Ziaga" machen.

Das tollste Viertel der Stadt, ja der Welt, sei derzeit Lavapiés. Das heißt: Fußwaschung. An der Calle de la Huertas stolpert man alle paar Meter in ein anderes tolles Lokal. Das Quiroga war einst ein Krämerladen; heute drängeln sich die Nachtschwärmer. Ganz in der Nähe im Alberto habe vor 450 Jahren der Nationaldichter Cervantes gewohnt. Wer als Digestif noch einen spanischen Brandy, ob Carlos Primeiro, Lepanto oder Veterano, nimmt, sieht womöglich gleich Don Quijote mit seiner Rosinante um die Ecke biegen.

Von Goya bis Picasso

Natürlich gibt es – wie in so vielen europäischen Städten – die Lieblingslokale des Literatur-Nobelpreisträgers Ernest Hemingway, etwa die stimmungsvolle Cervecería Alemana an der Plaza Santa Ana.

Der kulturbeflissene Gast muss sich seinen Marsch durch die Gassen aber erst mit einem Defilee durch die Gemäldegalerien verdienen. "Das ist das bedeutendste Gemälde des 20. Jahrhunderts", sagt Reiseführerin Isabella im Königin-Sophia-Museum, vor Picassos mächtigem "Guernica". Auch die Entstehungsgeschichte dieses Anti-Kriegs-Monuments ist zu sehen: Der spanische Kubist machte Detailstudien in Farbe, ließ das Werk dann aber in Schwarzweiß den deutschen Fliegerangriff auf die baskische Stadt im Jahr 1937 anklagen.

Metropole des Genusses
Picassos „Guernica“, das bedeutendste Gemälde des 20. Jahrhunderts. Bild: OÖN/lehn

Die von den Faschisten attackierte Republik ließ das Gemälde für die Weltausstellung in Paris anfertigen, um einen Hilfeschrei in die Welt zu senden. Erst Jahrzehnte nach dem spanischen Bürgerkrieg, 1982, wurde das Gemälde vom New Yorker Museum of Modern Art für Madrid frei gegeben.

Die Spannweite der bildenden Kunst ist beeindruckend. In einem benachbarten Saal ist eine frühe Kriegsklage zu sehen: Francisco de

Goyas Radierungen des Zyklus "Die Schrecken des Krieges" (1810–1814). Dieser Bogen setzt sich fort auf der anderen Seite der Prachtstraße, im Prado.

Die Rubens-Parade

Seit 1818 darf dort das Publikum das Resultat königlicher Sammlerleidenschaft bestaunen, mit den besten Werken von Goya, Velázquez und Murillo; ihre Statuen bewachen die Eingänge. Der Prado besitzt auch die Werke vieler flämischer und italienischer Meister, etwa die größte Rubens-Sammlung der Welt. Sogar der protestantische Rembrandt wurde von den streng katholischen Herrschern nicht ignoriert. Gerade wird das 200-Jahr-Jubiläum der Pinakothek gefeiert. Sie lockt schon in Normaljahren mehr als 2,1 Millionen Besucher an.

Mit Bedauern fügt die Reiseführerin an, dass es das Museum von Real Madrid auf 2,2 Millionen Gäste bringe. "Das ist eine sehr schöne Sammlung", gesteht die Kunstexpertin ein. Aber es sei halt bloß Fußball. Und: Im Palast der tollsten Kicker würden die Leute ohne zu murren 25 Euro Eintritt löhnen. Im Prado würden sie sich schon wegen der 15 Euro beschweren.

Madrid ist erst seit 1561 Hauptstadt: König Philipp II. verließ mit seinem Hofstaat das prunkvolle Toledo und siedelte die Verwaltung des damals mächtigsten Reiches der Welt im 5000-Einwohner-Städtchen am kleinen Manzanares- Fluss an. Heute hat die Metropole mehr als drei Millionen Einwohner, die Region 5,5 Millionen.

Von Paris bis New York

Auf ausgedehnten Spaziergängen erlebt der Gast, wie sich die Stadt vom mittelalterlichen Viertel über die habsburgischen (Austria-Viertel) und bourbonischen Erweiterungen zur glanzvollen Metropole entwickelt hat. Die Plaza Mayor strahlt noch heute herrschaftliche Würde aus. Hier hielten die Könige Hof, deren Reich von Mexiko bis zu den Philippinen reichte.

Doch selbst als das Weltreich im 19. Jahrhundert zu zerbröseln begann, pulsierte Madrid weiter. Wer die pompöse Gran Via entlang schlendert, kann die Entwicklung des Profanbaus nachvollziehen. Das reicht von den Stadtpalästen im Pariser Haussmann-Stil bis zu den Nachbauten US-amerikanischer Wolkenkratzer (z.B. Telefondirektion). Üppig macht sich Art déco breit – und dieselbe nichtssagende Palette globaler Textilketten. Freilich genießen Zara & Co im Lande das Heimrecht.

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Der Königspalast der Bourbonen, noch heute Amtssitz des Regenten, aber nicht Wohnsitz. Bild: OÖN/lehn

Aus der goldenen Zeit der Gran Via stammen auch die ältesten Bars in den verwinkelten Gassen. Am späten Nachmittag füllen sie sich allmählich. Wie wäre es mit einem Happen Reis, angereichert mit Schweinsbackerln und Pilzen? Dazu eine Caña, natürlich von der örtlichen Mahou-Brauerei. Im blau gekachelten Barbiersalon auf der gegenüberliegenden Straßenseite herrscht noch Hochbetrieb.

In der Tanzschule knallen die Schüler ihren Flamenco in den Holzboden. Ein paar Häuser weiter residiert Tanzschuhmacher "Don Flamenco". Jorge Ballester passt den Damen die Schuhe an. An Spitze und Absatz reiht sich ein winziger Nagel an den nächsten, damit die Tritte erhallen. Ehe Jorge seinen Laden schließt, ist in dem Viertel das pralle Leben erwacht.

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Flamenco-Schuhmacher Jorge Ballester. Bild: OÖN/lehn

Rund um Madrid

 

Toledo: Ein Tagesausflug in die über dem Tajo thronende alte Hauptstadt des Königreichs bringt eine Begegnung mit drei Kulturen. Christen, Juden und Moslems haben hier Jahrhunderte friedfertig zusammengelebt und Spuren hinterlassen.

Aranjuez: Der Habsburger-König Philipp II. (1555–1598) ließ im Süden Madrids ein Schloss errichten, das jedes Frühjahr den Hofstaat aufnahm. Nicht nur wegen der riesigen Gärten ein Platz voller Zauber. „Die schönen Tage von Aranjuez sind zu Ende“: So beginnt Schillers „Don Karlos“. Oder: Handkes Aranjuez-Stück, verfilmt von Wim Wenders.

Chinchón liegt ganz in der Nähe: eine reizende Kleinstadt mit arkadengesäumtem Hauptplatz (234 Balkone) und einer Kirche mit Goya-Altargemälde.

El Escorial: Die imposante Klosterresidenz zeugt von der großen Geschichte des Landes. Unweit davon das Bürgerkriegs- denkmal Valle de los Caidos.

Info: www.spain.info, www.esmadrid.com
E-Mail: viena@tourspain.es

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