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"Ich habe Gott verflucht"

Von Roswitha Fitzinger, 19. August 2018, 15:00 Uhr
"Ich habe Gott verflucht"
Der Neuseeländer Roger Lad begleitete Roland Wiednig zwei Tage lang. Bild: Wiednig

Roland Wiednig aus Kronstorf ist am Ende der Welt den längsten Wanderweg Neuseelands gegangen. Es waren 3040 erkenntnisreiche, aber auch sehr einsame Kilometer, wie er Roswitha Fitzinger erzählte.

An die 2000 Menschen gehen jährlich den "Te Araroa Trail", wie die Ureinwohner Neuseelands längsten Fernwanderweg vom Süden der Südinsel in den Norden der Nordinsel nennen. Roland Wiednig war einer von ihnen. Vier Monate und zehn Tage lang war der 55-jährige Kronstorfer ununterbrochen auf den Beinen, legte 3040 Kilometer und geschätzte 9000 Höhenmeter zurück. "Ein außergewöhnliches Abenteuer", nennt er es heute, "mit unglaublichen Bergformationen, weiten Tälern, glasklaren Seen, menschenleeren Stränden und Buchten, märchenhaften Regenwäldern und unbeschreiblichen Begegnungen, aber auch mit extremen körperlichen Anstrengungen und Entbehrungen."

Vor allem seiner "Blauäugigkeit" verdanke er es, dieses Abenteuer erlebt haben zu dürfen, ist er sich sicher. "Hätte ich vorher gewusst, was auf mich zukommt, wäre ich wahrscheinlich nie gestartet."

"Ich habe Gott verflucht"
Longwood Forest im Süden der Südinsel. Bild: Wiednig

Weniger die körperliche als vielmehr die mentale Anstrengung wurden zu einer besonderen Herausforderung für den 55-Jährigen. "Ich mag das Alleinsein und dachte, ich halt das locker aus, aber als ich dann so wirklich alleine war, habe ich gemerkt, wie schwer es ist. Ich habe die Menschen richtig gesucht." Immer wieder marschierte er tagelang mutterseelenallein durch die Wildnis. Die Einsamkeit ließ ihn Zwiegespräche führen. "Ich konnte nicht alles nur im Kopf verarbeiten. Ich musste mich hören und habe mir deshalb Themen vorgenommen." In Selbstgesprächen hätte er seine Zukunft und die seiner Kinder, ja, sogar Häuser geplant, erzählt er.

So ausgesetzt mit keiner Menschenseele im Umkreis von 20 bis 30 Kilometern überkam den 55-Jährigen aber auch das eine oder andere Mal die Angst, verloren zu gehen. Nicht ohne Grund. Einen Notsender mit GPS-Ortungsfunktion hatte er nicht dabei, hätte ihn jedoch gut gebrauchen können, vor allem, wenn er sich verirrt hatte und umkehren musste. "Entlang des Weges gibt es diese einfachen Hütten und da hängen die Zettel mit den Vermissten, die hat keiner mehr gefunden. Da wird einem schon angst und bang", so der Kronstorfer. Doch der Polizist, der beim Landeskriminalamt in der Präventionsarbeit tätig ist, ging nicht verloren. Zweifel, "ob dieses Abenteuer so gescheit war", hätten ihn jedoch schon hin und wieder beschlichen. Hinzu kam das Wetter, der viele Regen, Stürme. "Es war rutschig. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes im Dreck gelegen, habe geschrien und Gott verflucht", erinnert er sich.

"Ich habe Gott verflucht"
Rainbow Falls bei Kerikeri in der Bay of Islands auf der Nordinsel Bild: Wiednig

Der Ehrgeiz, es zu schaffen

Abzubrechen, aufzuhören – diese Frage hätte sich natürlich gestellt, so der Kronstorfer: "Aber ich hätte nie aufgegeben. Ich weiß nicht, was passieren hätte müssen, dass ich abgebrochen hätte. Ich wäre wahrscheinlich noch mit einem Bein weitergelaufen. Ich wollte das durchziehen. Diesen Ehrgeiz hatte ich."

Nicht zuletzt die Begegnungen mit Einheimischen und anderen Wanderern waren es, aus denen er Kraft schöpfte und an die er sich besonders gerne erinnert. "Die geringe Bevölkerungsdichte macht die Menschen anders. Sie sind offener und freundlicher. Du wirst jeden Moment zum Kaffee und Essen eingeladen. Ich hatte auch viele Einladungen zu Übernachtungen. Wenn du diesen Trail gehst, genießt du den Respekt der Neuseeländer und machst sie stolz."

Stolz war Wiednig auch, als er am Ziel, dem 90-Miles-Beach im Norden, ankam – bei Wind und Regen. "Jetzt bin ich vier Monate unterwegs und dann gibst du mir so einen Abschluss", haderte Wiednig erneut mit Gott. Gott sei Dank waren die 90 Meilen nicht an einem Tag zu schaffen und zum Abschluss schenkte Gott dem Polizisten einen wunderschönen Tag mit Sonnenschein und wilden Pferden, die ihn begleiteten.

"Ich habe Gott verflucht"
Am nördlichen Ende des 90-Miles-Beach kurz vor dem nördlichsten Punkt Cape Reinga Bild: Wiednig

Wieder zu Hause ist er nicht nur 20 Kilogramm leichter, sondern sieht auch die Heimat in einem neuen Licht, hat Sachen wie Trinkwasserqualität oder die Unversehrtheit der Natur schätzen gelernt. "Jeder schwärmt von Neuseeland. Ich liebe Österreich. Das war mir vorher nie so bewusst."

Trotz aller Anstrengungen und Entbehrungen, Roland Wiednig würde sich jederzeit wieder auf ein derartiges Abenteuer einlassen. "Ich würde und ich werde es wieder machen – vielleicht nicht alleine", sagt er.

Nachahmern empfiehlt er, unbedingt alleine zu gehen ("Die beste Erfahrung, ich habe noch nie so viel für mein Leben gelernt") und sich gut vorzubereiten. Ganz wichtig sei die Ausrüstung, so der Kronstorfer: "Man bekommt in Neuseeland nicht alles, zumindest nicht immer in einer hohen Qualität und muss deshalb abwägen zwischen Gewicht, Qualität und Komfort."

"Ich habe Gott verflucht"
Vulkangebiet der Nordinsel, im Tongariro National Park Bild: Wiednig

Bildvortrag: Roland Wiednig veranstaltet zu seinem Neuseeland-Abenteuer und zum Thema Weitwandern Bildvorträge und Workshops. Anmeldung und Kontakt unter: office@orangebase.at. Der nächste Bildvortrag findet am 29. September um 19.30 Uhr in Kronstorf, Josef Heiml Halle, statt.

 

Zur Person

Name: Roland Wiednig (55) aus Kronstorf, geschieden, Vater von zwei Kindern

Beruf: Polizist mit pädagogischer Ausbildung, tätig bei der Sucht- und Gewaltprävention

Internet: www.orangebase.at

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