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High Noon in der Pampa

Von Manfred Lädtke, 23. September 2018, 15:00 Uhr
High Noon in der Pampa
Gaucha: In der Pampa machen auch Frauen im Sattel eine gute Figur. Bild: Lädtke

In Argentinien darf jeder einmal Gaucho sein. Manfred Lädtke hat es ausprobiert und galoppierte hoch zu Ross durch die Pampa.

Pablo würde bei jedem Zahnspangen-Teenager glatt als potentieller Showstar durchgehen. Und irgendwie ist er das ja auch. Gut, das glamouröse Hollywoodimage amerikanischer Westernhelden eilt ihm nicht voraus. Pablo ist nämlich Gaucho in der argentinischen Pampa. Aber nicht nur – er ist auch Kunstreiter. Als er sich die Baskenmütze über das Ohr schiebt, huscht ein zufriedenes Lächeln über sein braun gebranntes Gesicht. Mit Schule und Ausbildung habe er nichts am Hut: "Du wirst sein, was du werden sollst, oder gar nichts."

Hier draußen nahe dem Kolonialstädtchen San Antonio, nur 120 Kilometer vom 12-Millionen-Monster Buenos Aires entfernt, habe er auf Señora Evas "Hacienda El Ombú de Areco" 15.000 Linienbusse und 20 Millionen Pendler, die sich täglich durch die Stadt schieben, gegen ein Pferd, ein Rudel Hunde und 450 Rinder eingetauscht. Im Frühjahr und Herbst kommt Gesellschaft von Touristen hinzu. So wie heute.

Cowboys einst und jetzt

Zwar sind die Wollschärpen mit Silbermünzen und Medaillons, die Pluderhosen, Halstücher und Lederstiefel mit schweren Sporen der fünf Gauchos auf der Farm keine Maskerade für romantikhungrige Großstädter. Die Zeit, als die geschickten Reiter die riesigen Weideflächen Argentiniens als freie Männer durchstreiften, ist aber vorbei. Auch für die deutsche Einwanderin hat der Alltag auf ihrem Landsitz mit dem Charme von 1890 längst ein anderes Gesicht. Für ein Rind kommen gerade einmal 800 US-Dollar in die Kasse. Darum hat die Gutsherrin die Ranch zu einem Zentrum für Gaucho-Kultur mit zwölf rustikal-gemütlichen Landzimmern erweitert. Im Schatten von 500 Jahre alten Bäumen ist ein langer Holztisch mit Weinflaschen, argentinischem Rostbraten und Steaks gedeckt, dem fettärmsten und vermutlich besten Fleisch der Welt. Kein Wunder, dass in einem Land, in dem auf einen Menschen eineinhalb Rindviecher kommen und jährlich pro Kopf 60 Kilogramm Rindfleisch verzehrt werden, selbst Fleischmuffel manchmal in Versuchung kommen.

High Noon in der Pampa
Gemeinsames Abendessen auf der Hazienda Bild: Lädtke

Bei dem traditionellen "Asado" (Grillen) bereitet die Señora ein Dutzend "Greenhorns" aus Europa auf ihren Ausritt in die argentinische Steppe vor: Im 17. Jahrhundert waren Gauchos keines Herren Knecht und keines Knechtes Herren, zogen frei wie ein Vogel durch das Land und boten nach Lust und Laune ihre Dienste auf den Estancias an. Sie trieben Wildrinder ein, gerbten Leder, schlachteten Vieh und verhökerten Tierhäute. 200 Jahre später, als Landbesitzer und Industrielle Viehzucht und Lederverarbeitung übernahmen und sich die ersten Weidezäune den Raubeinen in den Weg stellten, war für die Cowboys das zügellose Leben zu Ende.

High Noon in der Pampa
Oscar Pereyra – der älteste Gaucho auf der Farm Bild: Lädtke

Ein Hauch alter Gaucho-Herrlichkeit liegt immer noch über dem fußballfeldgroßen Ranchgarten. Für Pablos Freund Oscar ist das Heute ein bisschen wie gestern. Vor 60 Jahren war er einer der letzten Gauchos, die von Arbeit zu Arbeit, von Farm zu Farm durch das grüne, unermesslich weite Land am Rio de la Plata zogen. Abends singt Oscar zur Gitarre melancholische Balladen und Lieder. Die hat er in seinen wilden Tagen am Lagerfeuer gelernt. Damals, als das Geld oft nicht reichte und die Gauchos sich wegen nicht bezahlter Zechen und Gaunereien beim Kartenspiel prügelten oder erbittert um die Gunst einer schönen Frau rauften. Das war dann aller Ehren wert und ließ die Raufbolde später unter freiem Himmel oder in einem spartanischen Nachtquartier stolz und ruhig einschlafen. Zeit, selbst hoch zu Ross über das scheinbar endlose Weideland zu traben – oder zu galoppieren. Je nach Reitkunst.

High Noon in der Pampa
Abendstimmung in der Pampa Bild: Lädtke

Greenhorns in der Pampa

Begleitet von vier Gauchos reitet der touristische Tross unter der Mittagssonne los. High Noon in der Pampa. Oben der stahlblaue Himmel, unten das im Herbst nicht mehr ganz so grüne Gras und am Horizont 1000 schwarze Punkte. Eine Rinderherde. Von hinten prescht Pablo heran. "Wer will, kommt mit mir", gibt der Guide das Zeichen. Einige wollen nicht. Für die anderen heißt es jetzt mit der Zunge schnalzen, die Zügel lockern, aber fest im Griff haben und mit angelegten Beinen aufrecht federnd im Sattel sitzen. Während das versprengte Häuflein die gemächlich dahintrabenden "lonesome cowboys" zurücklässt, rollt eine gewaltige Staubwolke auf die Reiter zu. Knapp 50 Meter vor der Gruppe biegt der tierische Pulk plötzlich nach links ab und platscht durch das braune Wasser eines kleinen Flusses. Rind für Rind stemmt sich die Herde das Ufer hinauf. Bald verschwindet der staubige Treck wie ein graues Wollknäuel in der Weite der fruchtbaren Pampa, die mehr als ein Viertel der Fläche Argentiniens bedeckt. "Du spuckst hier hin, und schon wächst was", sagt Pablo.

Kunststücke hoch zu Ross

Allmählich hüllen leuchtende Farbstreifen am Himmel die Prärie in ein oranges und violettes Licht. Wie einst Lee Van Cleef und Randolph Scott reiten die Freizeitgauchos einem roten Sonnenball entgegen. Manchmal werden Klischees wahr.

High Noon in der Pampa
Kunstreiter Pablo Bild: Lädtke

Wenn die Sonne untergeht, geht der Stern von Pablo, Oscar & Co. auf: Showtime in der Reitarena hinter der Farm. Angeführt von "Boss" Ramón Castro treiben die Reiter Bullen und Kälber in das riesige Geviert und demonstrieren ihr Geschick im Lassowerfen. Dann richten sich alle Augen auf einen kleinen Ring, der am Bändchen befestigt von einem Balken hängt. Ramón zügelt sein tänzelndes Pferd. In seiner rechten Hand hält er einen winzigen Metallstab. Noch einmal bäumt sich die Stute auf, dann prescht der Gaucho in halsbrecherischem Galopp auf das kleine glitzernde Etwas zu. Mit scharfem Auge und sicherer Hand trifft Ramón den Ring und löst ihn vom Balken. Bravo, Hut ab, und Applaus!

High Noon in der Pampa
Vertrauen und Zuneigung zwischen Mensch und Tier sind Voraussetzung für Pablos Dressur. Bild: Lädtke

Früher überreichte der Sieger seiner Liebsten den Ring – heute Abend dürfen sich viele Herzensdamen über Ramóns "Trophäen" freuen. Und was macht Oscar? Der hat beim Reiterspiel "El Pato" sein Wurfgerät sicher im Griff. Ein Ball mit vier Schlaufen muss von zwei Mannschaften in eine Art Basketball-Korb geworfen werden. Sind hier bei 40 km/h schnelle Reaktion sowie Geschmeidigkeit bei Tier und Reiter gefragt, benötigt Pablo für sein Dressurstück die absolute Zuneigung und das Vertrauen seines Pferdes. Leise, fast beschwörend spricht er auf "Tero" ein. Langsam geht der Rappe in die Knie, legt sich auf die Seite und sogar auf den Rücken. Vorsichtig bewegt Pablo die Beine des Pferdes in die Höhe, setzt sich dann auf den Bauch des Tieres und drückt seinen Kopf an den seines "Freundes".

Als sich erste Nebelbänder über das Weideland legen, geht ein langer Arbeitstag für die Gauchos zu Ende. Ein Tag, der sich so oder ähnlich noch Dutzende Male im Jahr wiederholen wird. Pablo striegelt sein Pferd und kühlt es mit einem Schlauch ab. Nur das Spritzen des Wassers und manchmal ein wohliges Schnauben von "Tero" mischen sich in die abendliche Stille auf der Hazienda.

 

Wissenswertes

Lage: Argentiniens Pampa zum Beispiel mit der Hacienda „El Ombú“ liegt nahe San Antonio rund 120 Kilometer von Buenos Aires entfernt und ist über eine gut ausgebaute Autobahn zu erreichen. Nahe dem Kolonialstädtchen gibt es mehrere Farmen mit Unterkünften für Touristen.

Reisezeit: Oktober bis Mitte Dezember (Frühling) und April bis Mitte Juni (Herbst). Landes-sprache Spanisch, Englisch ist verbreitet.

Gauchos: Die argentinischen Landarbeiter sind Nachkommen von Spaniern und Indios.

Ausritt: Die Gauchos helfen beim Satteln der Pferde. Die Ansprüche an die Reitkünste der Besucher reichen vom leichten Spazierritt über ausgedehnte Galopps zu den Rinderherden bis zu halbtägigen Wanderritten.

Fest: Am 10. November feiert Argentinien den „Tag der Traditionen“ mit einem kräftigen „Hoch“ auf die Gauchos. An diesem Tag hat José Hernández Geburtstag. Der Poet schrieb 1872 das Buch „Der Gaucho Fierro“, das die wilden Reiter zum Mythos werden ließ. Besonders bunt und schön ist die Fiesta de la Tradición in San Antonio de Areco.

Kosten: Hotels mittlerer Qualität 30 bis 75 Dollar. Essen in mittleren Restaurants 5 bis 25 Dollar. Kontakt: www.embajada-argentina.de Tel. 0049-30-226689-20

Anbieter: Dertour bietet eine viertägige Standortrundreise mit Besuch auf einer Gaucho-Estancia ab/bis Buenos Aires ab 1085 Euro/DZ an.
Eine 17-tägige Bus-Rundreise mit Besuch bei Gauchos kostet ab 4310 Euro. Auf Anfrage können individuelle Touren „Auf den Spuren der Gauchos“ gebucht werden.

Literatur: Zur Einstimmung „Reise durch Argentinien“. Sehr informativer Bildband mit Gaucho-Teil aus dem Stürtz Verlag, Deutschland, 16,95 Euro.

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