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Fischen on the rocks

Von Manfred Lädtke, 02. September 2018, 00:04 Uhr
Fischen on the rocks
Stattlicher Fang: Das Jagdziel der Angler gilt dem Walleye Bild: Lädtke

Winter-Abenteuer auf den Great Lakes – Manfred Lädtke versuchte sich in Minnesota im Eisfischen.

Trostlos, trübe, trist. Ein graues Nichts zieht an den Autofenstern vorbei. Krisch, kraatsch, wehren sich die Scheibenwischer gegen immer dichter werdende Schneeflocken. Eiszeit in Minnesota. Wenn die Great Lakes zufrieren, beginnt im "Land der Seen" die etwas andere Angelsaison. Manche mögen‘s heiß und fi-schen in kleinen Eislöchern vom Bett aus, andere suchen die frostige Weite. Monoton surrt der Van über den pfeilgeraden Highway 169. "90 miles to next rest", informiert ein Schild – andere Länder, andere Maßstäbe. "Vom Flughafen bis zum Mille Lacs Lake fahrt ihr höchstens zwei Stunden", hatte die Dame vom Autoverleih in Minneapolis versprochen. Mit 535 Quadratkilometern ist der See der zweitgrößte Binnensee in Minnesota, der sich Winter für Winter mit Eis und Schnee zudeckt. Offizielle Stellen sprechen sogar von 12.000 Seen, Einheimische von 15.000. Egal. Der Mille Lacs ist von Minneapolis aus am schnellsten zu erreichen.

Winterstadt mit 5000 Hütten

Von Dezember bis Februar dient der 50 bis 80 Zentimeter dicke Eisdeckel als Bauland für eine Winterstadt mit 5000 Buden. Angler werden zu Stadtplanern, entwerfen Straßen, stellen Schilder auf die begehrten Plätze für eine Hütte und geben dem Eis Namen wie "Ice Road", oder "Fish Boulevard". Familien und Pärchen feiern Feste. Kinder bauen Schneehöhlen. Nur Fischer interessieren sich für das, was unter dem Eispanzer passiert. Ihr Jagdfieber gilt dem Walleye.

Fischen on the rocks
In der Weite einsamer Schneewüsten in Minnesota stehen Fischerhütten auf dem gefrorenen Wasser. Bild: Lädtke

Bis zu einem Meter groß und zehn Kilogramm schwer wird der delikate Hechtbarsch aus der Zanderfamilie. Armer Kerl. Sein Geschmack macht ihm den Garaus. Wegen seines köstlichen Innenlebens ist der zähe Kämpfer Herausforderung für jeden Petrijünger. Wenn Fisherman’s Friend das Duell verliert, landet der Fisch als zartes Steak auf dem Teller.

Vor dem Hotel stoppt Aaron seinen Truck. Das Außenthermometer misst beißende minus 15 Grad. Eine milde Sonne hängt am stahlblauen Himmel, als sich die Gruppe nach dem Lunch einpackt. "Steppjacken und Fellmützen liegen im Laderaum", deutet der Guide auf den mobilen Geräteschuppen mit Haspeln, Haken, Köder, Bohrwerkzeug und Echolot. Nach 20 Minuten Fahrt vorbei an kleinen, lichten Wäldern und bunten Holzhäusern poltert der Pick-up die Uferpiste hinab auf den Mille Lacs Lake.

Das Fahrzeug rutscht, schlenkert und schaukelt durch Spurrinnen aus Eis und Matsch. Schneegatsch klatscht auf die Scheiben. Eis-Surfen mit 250 PS.

Allmählich verliert sich der Pfad in der Weite des in eisiger Narkose erstarrten Sees. Schneekristalle gleißen diamanten im Sonnenlicht. Weit draußen, wo der Himmel am Schnee leckt, kündigen sich die ersten Bretterbuden wie herumliegende Legosteine an. Die Einrichtung ist spartanisch, aber mollig warm und zweckmä-ßig: Gasofen, Kocher, Tisch, Geschirrschrank, Stühle und drei Doppelbetten. Après-Ski-verwöhnte Komfort-Wintersportler mieten zweistöckige 1.-Klasse-Baracken mit Einbauküche, Bar und Fernsehen.

Fischen on the rocks
Auf der Jagd nach einem tollen Hecht bieten Fischer Touren über die gefrorenen Seen an. Manchmal trösten kleine Fische über den begehrten Walleye hinweg. Bild: Lädtke

Insgesamt acht Wasserlöcher laden ein zum Angeln. Unter jagderprobten harten Fischern zwar nicht aller Ehren wert, bei Honeymoonern jedoch sehr beliebt ist die Plüsch-Variante des Eisfischens, bei der von der Schlafkoje aus die Angelschnur ins Wasser gehalten wird.

Wie türkisfarbenes Glas schimmern die 40 mal 40 Zentimeter großen Löcher im ausgesägten Holzboden. Jetzt ist Fingerspit-zengefühl gefragt. Von den Wandhaspeln werden mit Ködern gespickte Haken ins Wasser gelassen. Eine Unterwasserkamera schickt Bilder auf einen Minimonitor, auf dem die Männer das Treiben in der Unterwelt beobachten. Ab und zu sorgen dunkle Schatten für Spannung im Mäusekino. Zum Country & Western-Sound von Hank Williams und Loretta Lynn aus dem CD-Player klingelt eine Haspel Alarm. Die Schnur rockt. Statt eines tollen Hechtes beißen aber nur kleine Fische auf die Henkersmahlzeit an. Immerhin, das Abendessen ist gesichert. Am Lagerfeuer schmeckt der gegrillte Fang mit wildem Reis serviert am besten. Hinter Wolkenschleiern lugt die bleiche Sichel des Mondes in die Nacht. Die Reflexion des Schnees lässt das Licht über der weißen Wüste jedoch wie eine Festbeleuchtung strahlen.

Plötzlich geistern hastige Lichtkegel von Taschenlampen über den steifen See. Nachbarn von Hütte 31 gesellen sich ans Feuer – mit zwei Flaschen hochprozenti-gem Whiskey. Ein hagerer alter Fischer mit wettergegerbtem Gesicht und Hunderten kleiner Eisbällchen in Bart und Haaren spinnt "See"mannsgarn von Paul Bunyan und seinem blauen Ochsen Babe. Das legendäre Riesen-Paar soll auf Wanderungen entlang der kanadischen Grenze mit seinen gigantischen Fußstapfen die Great Lakes of North America hinterlassen haben. Und in den Honky-Tonks am See kursiert die Geschichte von zwei Greenhorns. Sie hatten sich zu weit auf das Eis vorgewagt und in einem Schneesturm die Orientierung verloren. Als man beide nach fünf Tagen fand, äußerten sie nur den Wunsch nach "Schnaps und Bier".

Fischen on the rocks
Im Winter tummeln sich Tausende Menschen auf den Great Lakes. Bild: Explore Minnesota Tourism

Nie waren Erzählungen und Legenden von Indianern, Jagdabenteuern und wilden Tieren spannender und übertriebener wie in dieser märchenhaften Eisnacht am anderen Ende der Welt. Dann steht der Alte auf und zeigt bedeutsam über den See: Früher seien Sioux und Chippewa die Herren von Minnesota ("Wasser in der Farbe des Himmels") gewesen. Die Indianer hätten die Eislöcher damals noch mit Speeren gebohrt. Rund um das Loch legten sie auf Tannenzweige Felle und bauten darüber ein kleines Zelt. Dann hätten sie sich mit dem Gesicht über dem Eisloch auf die Lauer gelegt. Das an der Westseite des Sees gelegene Indian Museum erzählt die Geschichte(n) der Ureinwohner Minnesotas.

Die gefährlichste Zeit

Nach drei Tagen Holiday on Ice wäre es fast geglückt, einen Walleye in die Hütte zu hieven. Fast, denn dem gerissenen Prachtexemplar war es gelungen, die Nylonleine durchzubeißen. Was hatte Aaron gesagt? Bei der Vermietung der Hütte sei der Edelfisch nicht garantiert: "Genießt die Stille und Einsamkeit, lasst euch überraschen." Die Gruppe tänzelt zu weiter entfernten Fanggründen über das aalglatte Eis. Tauwetter setzt ein. Das Klima hat Amerikas "Kühlschrank" über Nacht abgeschaltet. Jetzt beginnt die gefährlichste Zeit der Eissaison. Freizeit-Abenteurer ohne "Winter-Scouts" begeben sich in Gefahr. Jedes Jahr ertrinken Menschen, brechen bis zu 20 Autos ein. Hunderte Arm- und Beinbrüche sind die Folgen harmloserer Unfälle.

Aaron wuchtet seinen brusthohen Eisbohrer mit Rasenmähermotor vom Schlitten. Was heißt hier Indianer? Knirschend frisst sich der riesige "Korkenzieher" in das Eis. Wenig später lauern die Fischer an vier Eislöchern in Gedanken versunken auf den "Big Deal". Eine Stunde, zwei Stunden. Langsam schleicht sich der Abend über die polare Szenerie. Nur der Wind weht manchmal fernes Geknatter von Schneemobilen herüber, die der dichte Nebel verschluckt hat. Endlich zuckt eine Schnur. Die Angelroute biegt sich, weiter, immer weiter. "Festhalten, Leine geben zum Austoben", coacht Aaron den Amateur am Eisloch. Der Fisch kämpft tapfer um sein Leben, will fliehen, zerrt und zieht, hat aber keine Chance. Mit einem Ruck landet der goldglänzende Walleye im Schnee.

Mindestens 64 Zentimeter

Der Guide wirft einen prüfenden Blick auf den zappelnden Fang und schüttelt den Kopf. Vorsichtig entfernt er den Haken, um die lebenswichtige Schleimschicht des Fischs nicht zu verletzen. Dann gibt er dem Zander die Freiheit zurück. "Vorschrift", klärt Aaron die Fischer auf. Walleyes unter 64 Zentimetern müssen in den See zurück. Als ein Angler versucht, die vermeintliche Beute mit der Kamera festzuhalten, schwimmt der Bursche längst wieder in seinem Element. Pech gehabt.

Fast so wie bei Walter Matthau und Jack Lemmon in der amerikanischen Filmkomödie "Grumpy Old Men" ist es beim Eisfischen in Minnesota. Deren Filmauftritt nahe Wabasha hat das alte Indianerstädtchen inspiriert, jedes Jahr im Februar ein Grumpy Old Men Festival aufs Eis zu stellen. Zwar ohne das Duo Matthau & Lemmon, aber mit jeder Menge mürrischer alter Männer beim Eisangeln, versichern die Veranstalter.

 

Fischen on the rocks
Auf der Jagd nach einem tollen Hecht bieten Fischer Touren über die gefrorenen Seen an. Manchmal trösten kleine Fische über den begehrten Walleye hinweg.

 

Information

Mit 200 Quadratmeilen ist der Mille Lacs Lake das zweitgrößte von 10.000 Gewässern in Minnesota. Eingerichtete Hütten können ab zirka 200 Dollar pro Tag gemietet werden.

Kontakt: Great Lakes of North America, c/o Travel Marketing Romberg, Schwarzbachstr. 32, 40822 Mettmann bei Düsseldorf. www.greatlakes.de, E-Mail: greatlakes@travelmarketing.de; Auskunft in USA: Mille Lacs Area Tourism, www.millelacs.com; www.exploreminnesota.com

Anreise: Mit dem Flugzeug bis Minneapolis. Weiter mit Mietwagen über Highway 169 zum Mille Lacs Lake. Fahrzeit zirka zwei Stunden.

Unterkunft: Hotel „Izatys Golf & Yacht Club“, Onamia, südliche Seeseite, www.izatys.com, bei Touristikbüros bestellen.

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