Elch-Test bravourös bestanden
Zwei Flugstunden von München entfernt zeigt sich Schweden von seiner besten Seite. Östergötland, Kinda-Kanal, Norrköping und Pippi Langstrumpf rufen.
Das wichtigste Utensil ist der Gelsenspray. Wir sind in Südschweden auf der Pirsch; die Kamera in der Hand. Per Svensson-Borrud, der "Pelle" gerufen wird, hat vorsichtshalber ein Elch-Geweih mit. Es kann ja sein, dass man sich auf dem Felsen mit Blick über 400 Seen mit dem Kaffeehäferl in der Hand verplaudert und keinen Elch sieht.
Man hält Fika, wie die Kaffeepause in Schweden heißt. Die ist ein nationales Heiligtum. Zusammensitzen, plaudern, es "mysig" (gemütlich) haben, Zimtschnecken (Kanelbullar) essen und Filterkaffee in rauen Mengen trinken, heißt "Fika" übersetzt.
Pelle hat sich auf Fotosafaris in Östergötland, einem Landstrich südlich der 140.000-Einwohnerstadt Norrköping, spezialisiert. Hier streichen viele Elche (sehr scheu) durchs Land. Es gibt auch zehn Luchse und "kein Rentier", wie Pelle sagt. Schließlich ist Südschweden nicht Lappland.
Dafür hat Pelle einen Fledermausdetektor dabei. Denn am liebsten fährt er mit seinen Gästen im Jeep Baujahr 1975 (den er aus ausgemusterten schwedischen Armee-Beständen gekauft hat) am Abend aus. Dann sind auch die Elche aktiver. Vorsichtshalber hat der Fotosafari-Ranger auch seinen Elch-Rufer mit. Es klingt, als ob Ivan Rebroff gähnt und schreit zugleich.
Einige der Luchse "seines" Gebiets hat Pelle auch auf Video eingefangen, zu sehen in der Wildnis auf einem Notebook, wenn sie sich schon nicht in Natura hertrauen. Auch einen Wolf gibt es hier. "Das gefährlichste Tier ist und bleibt aber die Zecke", sagt der Ranger von eigenen Gnaden. 45 Euro pro Person kostet ein vierstündiger Streifzug; eine Familie zahlt 100 Euro.
Die "Elch-Schauer" kommen auch von Rimforsa-Strand, einem Landhaus-Hotel mit echtem Schweden-Chic, das früher einmal ein Mädchenpensionat war. Die Sauna im Häuschen am See Asunden kam später dazu.
Pelle fährt auch in Boxholm für die Gäste des Hotel Sommarhagen aus, das so in der Wildnis liegt, dass die Chefin Marianne die Gäste nie ohne Karte und Registrierung zum Wandern oder Mountainbiken ausrücken lässt.
"Im Umkreis von 25 Kilometern gibt es hier gar nichts", sagt die früher international tätige Produktmanagerin, die mit ihrem Mann Bengt-Göran "Bee Gee" seit 2004 den früheren Wohnsitz eines Vikars zu einem schwedischen Dorf ausgebaut hat. Sogar einen heißen Pool gibt es, ein Holz-Fass, das auch im Winter in Betrieb ist und stundenlang befeuert werden muss.
Östergötland und die schwedische Wildnis ist erstaunlich nahe bei Linz. Vom Flughafen München fliegt man mit bmi (British Midlands Airline) in zwei Stunden ab 222 Euro hin und retour nach Norrköping, einem faszinierenden Städtchen mit einer erstaunlichen Vergangenheit.
Vor 150 Jahren gab es hier an die 100 Fabriken. Viele erzählen noch heute Industriegeschichte, flankiert von historischen Kraftwerken, gekrönt von Ziegelschloten. Mit Brücken verbunden, ähnelt das Norrköpinger Industrieherz ein wenig dem Steyrer Wehrgrabengebiet, nur viel, viel größer. "Norrköping war das Manchester von Schweden", sagt unsere Stadtführerin Karin.
Tuch wurde in Norrköping gewebt, und Wolle zu Garn versponnen. Mitte des vorigen Jahrhunderts war Schluss. Auch die Papierfabrik sperrte zu. Sie ist heute ein beachtetes Konzerthaus, verwachsen mit dem einstigen Industriebau.
Wo früher hinter rotem Backstein geschuftet wurde, rauchen nun die Köpfe. Eine Uni und viel Hightech-Knowhow haben das Norrköpinger Industriegebiet ähnlich wie die Linzer Tabakfabrik erobert. Auch ein Visualisierungs-Museum, nach Art des Linzer Ars Electronica Center gibt es. In einem "Dome" werden in 3D "echte" Daten, etwa einer Raumstation, zu Bildern zum Greifen nahe geformt. Oder man bewegt per Wisch auf einem Bildschirm eine nie ausgepackte, 2000 Jahre alte, ägyptische Mumie, die mit Laser eingescannt und wie eine russische Matroschka-Puppe bis zum Skelett besichtigt werden kann.
Astrid Lindgrens Welt
Raus aufs Land heißt es für einen besonderen Genuss. Maria Ekman hat New York den Rücken gekehrt, um in Sturefors einen Bauernhof kulinarisch aufzupeppen. Seit sieben Jahren macht die Mutter dreier Kinder Gourmet-Bauernhof-Eis. Sorten wie Safran, Prosecco, Schokolade-Minze, Rhabarber-Kardamom und Lakritze sind auch im Winter gefragt. Restaurants lassen Spargel- und Chili-Eis anrühren.
In Vimmerby, einer Stadt eine Autostunde von Norrköping entfernt, ist Pippi Langstrumpf alias Astrid Lindgren zu Hause.
Man taucht in die Welt wild-bezopfter Kindheit, Michel aus Lönneberga und Ronja Räubertochter ein. Barbara Koester, eine Deutsche, die in Schweden ihr Paradies gefunden hat, sperrt das Geburtshaus von Astrid Lindgren bei einer Führung auf.
Schiff ahoi heißt es auf dem 1870 erbauten, 60 Kilometer langen Kinda-Kanal, einer Art Mini-Canal du Midi, wie ihn viele aus Frankreich kennen. Man steuert allerdings nicht selbst ein Hausboot, sondern genießt die Kapitäns-Fahrt über spektakuläre Schleusen, die wie vor 150 Jahren mit Hand betrieben werden. Auch das Boot hat Historie. Es war bis in die 1960er-Jahre als Feuerwehrschiff im Stockholmer Insel-Archipel unterwegs und steht nun in den Diensten der von einer Frau geführten Familien-Rederei. Manchmal wird es auf dem Schiff ein wenig still. Dann nämlich, wenn der eine und andere merkt, dass rechts und links zwischen Schiff und Kanal nur vier Zentimeter Luft sind. Auch dieser "Elch-Test" wird Tag für Tag bravourös bestanden.
Tipps für Östergötland
Elch-Fotosafari: Per Svensson-Borrud, www.viltsafari.se
Kinda-Kanal-Reederei: Marianne Trygg, www.rederiabklind.se
Astrid Lindgrens Welt: Vimmerby, www.astridlindgrensnas.se
360-Grad-Dome: Visualiseringscenter, Kungsgatan 54, 602 33 Norrköping, http://www.visualiseringscenter.se
Hotels: Sommarhagen, Malexander, 59014 Boxholm. www.sommarhagen.se
Rimforsa Strand, Fredrika
Bremers Allé 2, 590 46 Rimforsa. www.rimforsastrand.se
Bauernhof-Gourmet-Eis: „Stafsäter Gardsglass“, Maria Ekman, 58964 Sturefors, maria@stafsater.se, im Sommer tgl. 11 bis 18 Uhr
www.visitsweden.de
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