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Der Mythos Bayern

Von Roswitha Fitzinger, 28. Oktober 2018, 00:04 Uhr
Der Mythos Bayern
Die Benediktinerabtei Weltenburg beherbergt ein Kloster, eine Klosterschenke und die älteste Klosterbrauerei der Welt. Bild: Peter von Felbert

Die Bayern feiern. Vor 100 Jahren wurde der Freistaat ausgerufen. Zeit, den Nachbarn etwas näher zu betrachten. Eine Fahrt ins und aufs Land, wo die Tradition, aber auch das traditionell Andere sprießt.

Die Tradition wird in Bayern hochgehalten – ob in seiner Wirtshaus- und Bierkultur, im Handwerk, bei der Tracht. Die Bayern können aber auch anders, vielerorts begegnet einem das erwartet Unerwartete, etwa in Gestalt von Personen, die sich der Tradition verschrieben haben, nur ein wenig anders halt.

Was wäre Bayern ohne Bier, mancherorts ist der Gerstensaft ja eine Religion. In Bayerns ältestem Kloster, dem im Jahr 620 gegründeten Kloster Weltenburg, ist das zwar nicht der Fall, aber dennoch ist beides eng verbunden. In der ältesten Klosterbrauerei der Welt wird seit 1050 das Weltenburger Bier gebraut. Das Barock Dunkel und der Asam Bock etwa reifen im historischen Felsenkeller und werden oberirdisch in der Klosterschenke gleich anderweitig verarbeitet. Idyllisch am Donauufer gelegen, besuchen heutzutage weniger Pilger und Reisende die Schenke als vielmehr Ausflügler. Das mag am Bier liegen, aber feste Nahrung gibt es auch – landestypisch deftig als bayerische Schweinshaxn, für die Figurbewussten werden Fischpflanzerl (Laibchen) angeboten, bei vielen Speisen wie Klosterwurst und Klosterkäse wird auf alte Rezepturen zurückgegriffen.

Der Mythos Bayern
Der Donaudurchbruch zählt zu den schönsten Naturlandschaften Deutschlands. Bild: Bayern.by

Im 1000 Sitzplätze fassenden Gastgarten ist Abt Freihart ob seiner Tracht nicht zu übersehen. Man kennt ihn, er hält hier und da ein Schwätzchen, und wer möchte, dem erklärt der Gottesmann äußerst kurzweilig die Klosterkirche, ein barockes Schmuckstück mit viel Gold und Stuck, Martinigänsen und einem Drachen. Barocke Lebensfreude innen, Gaumenfreuden draußen. Aber um 19 Uhr (im Sommer) werden die Klosterpforten geschlossen, auch jene der Schenke. "Dann hörst du die Donau rauschen", sagt der Abt. Er und sieben Mönche leben dauerhaft hier, Ruhesuchende finden im Gästehaus eine Herberge.

Ruhe findet auch, wer den Rückweg ins sechs Kilometer entfernte Städtchen Kelheim in einer Zille am späten Nachmittag antritt. Die Ausflugsschiffe haben dann ihre Stege bereits eingeholt. Es geht donauabwärts – mit Ludwig, der hier aufgewachsen ist und jeden Felsen kennt. Luki, wie er genannt wird, weiß um die Bedeutung der Räuberhöhle, der langen Wand und der Ziffern am Ufer, die die Entfernung zur Donaumündung angeben. 2418 Kilometer. Es ist die tiefste und engste Stelle, der sogenannte Donaudurchbruch. Links und rechts ragen die Felsen bis zu 100 Meter in die Höhe, geformt vor Tausenden Jahren nicht durch Menschenhand, sondern reine Naturgewalt. Den Motor braucht’s irgendwann nicht mehr, die Strömung treibt uns abwärts. Die Idylle genießen auch die letzten Sonnenanbeter am Ufer, Stand-up-Paddler und Kanufahrer zu Wasser, in luftiger Höhe fliegen Graugänse in Formation.

Der Mythos Bayern
Kuranstalt Bad Kissingen Bild: Bayern.by

Das älteste Gasthaus der Welt

Die Vergangenheit hat uns fest im Griff, das Bier auch. Die Reise geht zum ältesten Gasthaus der Welt nach Eilsbrunn. Seit 1685 ist es durchgehend geöffnet. In elfter Generation führt Muk Röhrl das Traditionsgasthaus. Er selbst ist gerade einmal 35 Jahre jung. Wie kann ein Gasthaus in einer 1200- Einwohner-Gemeinde überleben? "Indem man auf Qualität setzt", sagt Muk. Der Schweinsbraten kommt aus dem Holzofen, das Wild von der väterlichen Jagd. "Abgesehen von Pommes, Ketchup und Senf ist alles selbstgemacht." Auch die Mama ist involviert. Ihr selbstgezogener Apfelstrudel ist ein Gedicht.

Ob die drei Gaststuben oder der Saal aus dem Jahr 1902, hier hat alles Geschichte. Die Ahnenbilder an der Wand geben Zeugnis ab. Die Geschichten dazu lässt man sich am besten vom Röhrl-Senior erzählen. Er führt auch gerne durch die einstigen Fremdenzimmer, das Interieur stammt aus den 50er und 60er Jahren, eine weitere Zeitreise. Übernachten kann man darin nicht (mehr), dafür aber im nebenstehenden Hotel. Das gehört und führt ebenfalls ein Röhrl, Bruder Andreas. Altes und Neues findet auch hier zusammen. In dem hochaufragenden Gebäude wurde mehr als 900 Jahre lang Bier gebraut (1050–1971). Wer das Hotel durch die schwere Messingtür betritt, steht im alten Sudhaus und blickt auf eine gekachelte Braupfanne, Maischbottich und Motorblock. Eine Tür weiter der Raum, in dem einst die Gerste reifte und wo heute gefrühstückt wird.

Pracht der Tracht

Goldhaube ist der erste Gedanke, der aufblitzt, wenn man erblickt, was die Hände von Dagmar Rosenbauer Kunstvolles fabrizieren. Bis zu 4000 Messingplättchen und unzählige Glasperlen verdrahtet die 54-Jährige in mehr als 400 Arbeitsstunden zu sogenannten Flitterkränzen. Per Hand. Einer Krone gleich tragen junge Frauen den Flitterkranz seit hunderten Jahren bei festlichen Anlässen, allerdings nur, wer noch nicht unter der Haube ist. Die 54-Jährige ist die Einzige in der Region, die das Handwerk des Kronemachens noch beherrscht. Sie hat es sich selber beigebracht. Was zunächst Hobby war, ist jetzt ihr Beruf. Seit mehr als 30 Jahren restauriert und fertigt sie die Brautkronen in ihrem kleinen Werkstattladen im Dörfchen Kunreuth in der Fränkischen Schweiz.

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Was hierzulande die Goldhaube, sind in der Fränkischen Schweiz die Flitterkränze. Dagmar Rosenauer fertigt sie nach historischen Vorlagen. Bild: Tobias Gerber

Die Reise geht weiter nach Oberfranken. Die UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt Bamberg mit ihrer mittelalterlichen Altstadt ist nicht weit, und auch das Dorf Buttenheim lohnt einen Abstecher. Jeans-Erfinder Levi Strauss wurde hier 1829 geboren, bevor er mit 18 Jahren nach Amerika auswanderte. Sein Geburtshaus ist heute ein mehrfach preisgekröntes Museum, in dem man alles von Indigo und Denim, die Geschichte von Levi, der Person und natürlich der Levi’s, der Jeans, erfährt.

Im Weltbad den Durst stillen

Uns dürstet wieder – nicht nach Bier, sondern nach Wasser. Im Kurort Bad Kissingen wird seit mehr als 100 Jahren auch Heilwasser ausgeschenkt – von sogenannten Brunnenfrauen. Bis 1991 schöpften sie es noch von Hand mit einer Kelle. Heute füllen sie die Gläser an den Zapfstellen. Annette Sell steht ab 7 Uhr früh in der kreuzförmig angelegten Wandelhalle, denn "morgens vor dem Frühstück kann der Körper die Mineralien und Spurenelemente besonders gut aufnehmen. Am Nachmittag trinkt man dann ein zweites Mal", sagt sie und dreht das Hahn von "Bitterwasser" auf. Nicht zu viel trinken, mahnt sie, "es wirkt abführend." Brunnenfrauen sind auch Expertinnen in Fragen der Anwendung. Pandur etwa ist gut für Magen, Darm und Galle. Rakoczy ebenfalls, schmeckt aber nicht ganz so salzig. "Beim Trinken am besten langsam gehen", rät sie. Beim gemächlichen Wandeln durch die Wandelhalle schweift der Blick durch das lichtdurchflutete, 90 Meter lange Gebäude und nach außen in den Kurgarten. Seinen Ruf als Weltbad verdankt Bad Kissingen dem bayerischen König Ludwig I., der zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Heilquellen aufmerksam wurde, den Bau diverser Badeeinrichtungen veranlasste und schließlich hier selbst kurte. Beinahe jeder, der im europäischen Adel Rang und Namen hatte, kam nach Kissingen, auch Kaiserin Sisi.

Wein für den guten Zweck

Wir sind gerüstet für Würzburg, Universitätsstadt, Bischofsstadt und Zentrum des Weinlandes Franken. Robert Haller und Horst Kolesch sind eigentlich Konkurrenten, und doch eint sie vieles: Beide leiten als Weindirektoren ein Wirtschaftsunternehmen mit sozialem Auftrag und führen so eine alte Tradition fort. Denn wo einst in Franken großherzige Bürger und ein mildtätiger Fürstbischof das Bürger- und das Juliusspital gründeten, werden noch heute Alte und Kranke gepflegt. Damals wie heute finanziert der Weinbau die sozialen Einrichtungen der beiden Stiftungen wie Krankenhäuser, Seniorenheime und vieles mehr. Mitten in Würzburg kann man anlässlich einer Führung oder Verkostung hinabsteigen in die imposanten Weinkeller von Bürgerspital und Juliusspital. Nur wenige hundert Meter voneinander entfernt, lagern in hunderten Eichenholzfässern Millionen Liter edle Tropfen – hauptsächlich Silvaner und Riesling.

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Weinfasskeller des Juliusspitals: 250 Meter lang Bild: rofi
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Der Prunk der Würzburger Festung offenbart sich nicht nur im Spiegelsaal. Bild: Bayern.by-Gert Krautbauer

Obwohl 1945 fast 90 Prozent des Stadtgebiets zerstört wurden, lohnt es sich, Würzburg auch oberirdisch zu erkunden. Vor allem aus der Residenz, einem 300 Räume umfassenden Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert, kommt niemand unbeeindruckt heraus. Wer die alte Mainbrücke überquert, hat nicht mehr weit zur Festung Marienberg, gelegen inmitten von Weinreben. Jedem Besucher sei eine Weinbergwanderung wärmstens empfohlen, bei der sich die Stadt mit ihren 50 Kirchen, ihren Türmen und Brücken hervorragend überblicken lässt.

Reine Geschmackssache

Wir fahren weiter Richtung Süden – zu einem weiteren bayerischen Urgestein, im doppelten Sinne sogar: dem Freibäcker Arnd Erbel in Dachsbach. In zwölfter Generation führt der 49-Jährige den im Jahre 1680 gegründeten Familienbetrieb. Nach bewährten traditionellen Rezepten zaubert er bayerische Produkte und bringt auf den Tisch, was bereits vor mehr als 250 Jahren im Freistaat verzehrt wurde – die Brezn. Weniger geschlungen als ihr industriell gefertigtes Pendant schaut sie aus, dafür runder. Arnd Erbel ist eben anders als die anderen. Er ist gern unabhängig, und so übt er sein Handwerk aus. Ohne Konservierungsstoffe, Emulgatoren, Farbstoffe und ohne Backhefe.

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Die Brezn von Bäcker Ebert, die mit einer Mischung aus Salz und Mehl bestreut werden. Bild: rofi

Ob Breze, Baguette, Brioche, Croissant oder Brot, der Bäcker schwört auf Sauerteig. "Nie ohne meinen Sauerteig", ist bei dem 49-Jährigen nicht bloß Devise. "Egal wo ich hinfahre, ob nach Frankreich oder München, mein Sauerteig ist immer dabei. Hier, das ist mein schneller Brüter", sagt er und klopft auf einen Eimer mit Deckel. Auf Reisen sei der eben kleiner, aber immer dabei, denn ein Sauerteig muss gefüttert werden. Werbung macht der Freibäcker keine, auch das mache ihn frei, erklärt er. Dass seine Produkte etwas Besonderes sind, hat sich mittlerweile in ganz Deutschland herumgesprochen. Er beliefert (Sterne-)Restaurants von Sylt bis Oberstdorf.

Derzeit durchweht die Backstube nicht nur Brotgeruch. "In der Weihnachtszeit verwandeln wir uns in eine Lebzelterei", so der 49-Jährige, der in der Kurkonditorei Oberlaa bei Wien seinen Meister machte. 1000 Stück Lebkuchen täglich werden dann gemacht, alle 15 Sorten per Hand bestrichen. Erbel wäre nicht Erbel, wenn er nicht auch bei dem Weihnachtsgebäck etwas Besonderes in petto hätte. "Leib- und Lebkuchen", ein Gourmet-Lebkuchen, ist seine jüngste Erfindung, mit unterschiedlichen Aromen von Thymian bis Ingwer, Chili und Limette, je nach Jahreszeit. Auf den Geschmack gekommen? Der Freibäcker vertreibt seine Produkte auch online.

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Der Prunk der Würzburger Festung offenbart sich nicht nur im Spiegelsaal. Bild: Bayern.by-Gert Krautbauer

Infos und Tipps

Im Kloster zu Gast: Die Ruhe und Beschaulichkeit von Kloster Weltenburg können auch weltliche Gäste genießen – und zwar im Gästehaus St. Georg, das über 57 Zimmer verfügt. Der Preis pro Person und Nacht beträgt 50 Euro.

Ausflugstipp: Wer mit dem Schiff die Donau bei Kelheim befährt, kann sie nicht übersehen, die Befreiungshalle. Wie ein Fremdkörper thront der Rundbau, den Bayernkönig Ludwig I. im Andenken an die gewonnenen Schlachten gegen Napoleon errichten ließ, auf dem Michelsberg und zieht die Blicke auf sich.

Zum Donaudruchbruch mit dem Schiff: Die Strecke Kelheim–Donaudurchbruch–Kloster Weltburg kann auch mit dem Schiff zurückgelegt werden. Von Mitte März bis Anfang November verkehren die Schiffe täglich. Eine einfache Fahrt kostet 6,50 Euro. Genaue Abfahrtszeiten unter www.schifffahrt-kelheim.de

Weitere Informationen: www.bayern.by

www.gaststaette-roehrl.de
www.hotel-roehrl.com
www.badkissingen.de
www.buergerspital-weingut.de
www.weingut-juliusspital.de
www.arnderbel.de

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2  Kommentare
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lentio (2.769 Kommentare)
am 28.10.2018 07:46

Das Foto vom Donaudurchbruch und vom Kurhaus Bad Kissingen sind ja nicht besonders ansprechend...Das Foto vom Spiegelsaal ist doppelt. Der verlinkte Ferienkalender ist nicht aktuell. Hinweis auf Sponsoring/Werbung fehlt.
So wird das nichts OÖN!

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il-capone (10.341 Kommentare)
am 28.10.2018 08:48

Die OÖN sind u. bleiben seichte Unterhaltung.
Möglicherweise sind sie nicht ganz auf Zeithöhe, o. hängen dem Wunsch vieler Kunden nach leicht lesbaren Ramschmeldungen nach ...

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