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Colin Crouch im Interview: „Österreichs Sozialpartnerschaft war ein wertvolles Experiment“

Von Heinz Niederleitner, 03. Dezember 2011, 00:04 Uhr
Interview
Crouch setzt auf die Zivilgesellschaft. Bild: VOLKER WEIHBOLD

LINZ. Warum der Neoliberalismus die Wirtschaftskrise überstand und was mit „Postdemokratie“ gemeint ist, erklärt der britische Gesellschaftswissenschafter Colin Crouch im OÖNachrichten-Gespräch.

OÖN: Notenbanken werfen massiv Geld in den Markt. Das betrifft uns alle. Aber beschlossen wurde es nur von einer kleinen Gruppe von Menschen. Höhlt das die Demokratie aus?

Crouch: Im öffentlichen Leben gibt es nicht nur demokratische Institutionen. Das Problem beginnt, wenn Unternehmen und Banken eine politische Rolle übernehmen und nicht mehr im rein wirtschaftlichen Bereich tätig sind. Was Sie ansprechen, liegt im Spielraum zwischen politischem und kommerziellem Handeln. Das ist in gewisser Weise beunruhigend.

OÖN: Der EU wird oft Mangel an Demokratie vorgeworfen. Ist sie eine postdemokratische Institution?

Crouch: Sie ist ein fast perfektes Beispiel dafür, was ich mit Postdemokratie meine: Die demokratischen Institutionen sind da, aber es ist kein wirkliches „Leben“ mehr in ihnen. Was die EU betrifft: Sie hat Strukturen, Institutionen und Wahlen. Aber wir wissen, dass das EU-Parlament nicht wirklich die Entscheidungen trifft. Die eigentliche Macht liegt bei wirtschaftlichen und politischen Eliten. Dazu kommt die Abneigung der einzelnen Staaten, der EU mehr Macht zu verleihen.

OÖN: Gibt es einen Weg zurück zu einer „lebendigen“, voll funktionierenden Demokratie?

Crouch: Geschichte geht nie rückwärts. Aber die Zivilgesellschaft wird wichtiger und lebendiger. Sie fordert zunehmend die Macht der Konzerne heraus und kritisiert den Mangel an Demokratie. Die Zivilgesellschaft wird der „Kampfplatz“ der nächsten Jahre.

OÖN: Aber kann die Zivilgesellschaft ein Ersatz für die Mängel der Demokratie sein? Wenn Bürgerinitiativen Druck auf Staaten oder Konzerne machen, muss ja nicht zwingend demokratisch entschieden werden.

Crouch: Es gibt einen Verlust an formaler Demokratie. Aber die Zivilgesellschaft kann dynamischer sein, als es die formale Demokratie vor 30, 40 Jahren war. Es ist ein Tausch: Wir verlieren etwas und bekommen etwas. Wie die Balance aussehen wird, wissen wir noch nicht.

OÖN: Ein System zum Interessenausgleich gibt es in Österreich schon länger: Hat Österreich mit der Sozialpartnerschaft einst etwas von Zivilgesellschaft vorweggenommen?

Crouch: In gewisser Weise schon, auch wenn die Strukturen heute vielleicht zu formell und zu verknöchert sind. Es bräuchte neue Energie und flexiblere Organisationsformen. Aber es war ein wertvolles Experiment und ist noch lebendig: Slowenien imitiert ja das österreichische Modell.

OÖN: In Ihrem neuen Buch stellen Sie fest, dass trotz der Krise von 2008 das neoliberale Denken in der Wirtschaft überlebt hat. Warum ist das so?

Crouch: Darauf gibt es zwei Antworten. Erstens haben die Banken in der Krise ihre Macht demonstriert. Denn die Regierungen haben ihnen letztlich gesagt: „Schaut her, wir retten euch vor eurem eigenen schlechten Verhalten.“ Ich denke, der Kampf darum, ob die Banken zu ihrem alten Verhalten zurückkehren, wird weitergehen. Die zweite Antwort lautet, dass der Neoliberalismus sehr flexibel reagieren kann – im Gegensatz beispielsweise zum Kommunismus. Es gibt grundlegende Ideen über die Freiheit des Marktes. Aber innerhalb des neoliberalen Rahmens lässt sich die Gewichtung verändern. Das macht es schwierig, klare Alternativen zu formulieren.

 

Zur Person:

Der britische Soziologe und Politikwissenschaftler hat den Begriff „Postdemokratie“ geprägt. Er war diese Woche in Linz Gast bei einer Tagung des Instituts für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (Kepler-Uni). Sein neues Buch trägt den Titel: „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“.
 

 

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