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Zeit der Emotionen: Kurz’ Antritt überlagert die Budgetdebatte

Von Jasmin Bürger   15.Oktober 2021

Vor dem Plenarsaal in der Hofburg hatten sich schon eine halbe Stunde vor Beginn der Budgetdebatte zig Medienvertreter versammelt, um die Ankunft von Sebastian Kurz mitzuverfolgen. Im Plenarsaal stand zur selben Zeit kurzfristig nicht der Ex-Kanzler, VP-Chef und Neo-Klubobmann, sondern ein einfacher Abgeordneter im Zentrum: Der türkise Klub stimmte zu Wolfgang Gerstls 60er ein Ständchen an.

Davor hatte Kurz die Aufmerksamkeit selbst auf sich gelenkt: In einem in der Früh verbreiteten Facebook-Video beteuerte er neuerlich, "kein Schattenkanzler" sein zu wollen. Die vergangenen Tage bezeichnete er als "emotionale Achterbahnfahrt". Dass die Menschen an den Bundeskanzler "besonders hohe Erwartungen" hinsichtlich seiner Wortwahl hätten, "verstehe ich", sagte er zu den Chatnachrichten. Er sei aber "kein Roboter, sondern ein Mensch mit Fehlern, mit Emotionen" und "Formulierungen, die ich öffentlich nicht verwenden würde", diese "bedauere" er auch. Einmal mehr verneinte Kurz aber die strafrechtliche Relevanz – was die Ermittler anders sehen.

Vorerst stand gestern Kurz’ neue Rolle als VP-Klubobmann im Fokus. Von Kameraleuten umringt schritt er kurz vor 9 Uhr zu seinem künftigen Platz neben Vize-Klubchef August Wöginger, Finanzminister Gernot Blümel (VP) hatte als Einziger aus der türkis-grünen Ministerriege auf der Regierungsbank Platz genommen. Bundeskanzler Alexander Schallenberg war in Brüssel, der ihn formal vertretende Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fehlte ebenfalls. Für Kurz ihren Sitzplatz in der ersten Reihe räumen musste Michaela Steinacker, ihr Mandat an ihn abtreten musste Bundesbäuerin Irene Neumann-Hartberger.

Eine Begrüßungsrunde legte Kurz vor Sitzungsbeginn noch ein – neben VP-Abgeordneten begrüßte er auch Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer, SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und FP-Chef Herbert Kickl mit Handschlag. Dann wurde die Gelöbnisformel verlesen, Kurz bestätigte mit lauter Stimme: "Ich gelobe." Den für neu angelobte Mandatare üblichen Applaus verwehrten ihm nicht wenige aus den Oppositionsreihen.

Auftritt für die Kamera: Kurz als Abgeordneter im Nationalrat

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"Hoit die Goschn"

Bis zur ersten Wortmeldung des Ex-Kanzlers mussten sich alle gedulden: Kurz war als 37. von 38 Rednern gemeldet. Als erster Türkiser ans Mikrofon trat der bisherige Klubchef Wöginger, der wohl auch künftig das parlamentarische Alltagsgeschäft führt. Und während seiner Rede passierte gleich ein Eklat: Nach anhaltenden Zwischenrufen der Opposition platzte dem Mödlinger Bürgermeister Hans Hintner (VP) der Kragen: "Hoit die Goschn", rief er Richtung FPÖ und SPÖ. Einen Ordnungsruf seines Parteifreunds, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, setzte es dafür nicht – Sobotka schien Hintners Ausbruch nicht gehört zu haben.

Zu hören bekamen ÖVP und Grüne dafür einiges an Kritik am Budget. FP-Klubchef Kickl befasste sich aber auch mit Kurz’ Wechsel ins Parlament. Er erinnerte ihn an die Gelöbnisformel, wonach er Gesetze und Verfassung der Republik zu beobachten habe, "und zwar nicht mit dem Fernrohr". Weiters ätzte Kickl: "Es ist halt nicht so, dass jede Abwesenheit, die nach drei Tagen endet, auch gleich eine Auferstehung ist."

Kurz ließ sich von den Angriffen nicht beirren und pries in seiner Rede die Vorzüge des Budgets: "Unser Ziel war es sicherzustellen, dass vom Aufschwung jetzt auch alle profitieren." Das sei mit der Steuerreform garantiert, die kleine und mittlere Einkommen, Familien, Pensionisten, aber auch die Wirtschaft entlaste. Der ökologische Aspekt komme "nicht mit dem Holzhammer", aber die steuerliche Belohnung umweltfreundlichen Verhaltens "sind wir der Schöpfung und unserer Umwelt schuldig", so Kurz.

Die ihm zustehenden sechs Minuten Redezeit überzog er um einiges, kurz nach Ende der Debatte zum ersten Tagesordnungspunkt des mit zehn Stunden avisierten Plenartags verließ der ehemalige Kanzler wieder den Saal – was wiederum Kritik aus den Oppositionsreihen nach sich zog.

Budget: Für die Opposition mangelt es an Gerechtigkeit
Maurer verteidigt das Budget.

Budget: Für die Opposition mangelt es an Gerechtigkeit

Wenig Gutes konnte die Opposition im am Mittwoch von Finanzminister Gernot Blümel (VP) vorgestellten Budget erkennen.

SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner meldete sich gestern als Erste in der Budgetdebatte zu Wort, sie vermisste vor allem im Pflegebereich Investitionen. In der schwierigen Phase der Pandemie hätte die Regierung die Bedeutung der Pflegekräfte betont, „nun hat es sich offenbar ausgeklatscht“, sagte Rendi-Wagner. Im Pflegebereich seien 2022 lediglich 25 Millionen mehr budgetiert, für die Wirtschaft etwa durch die Senkung der Körperschaftsteuer aber 1,5 Milliarden Euro: Das zeuge von „Zukunftsvergessenheit“, kritisierte sie. Auch sprach Rendi-Wagner von einer „vergebenen Chance“, mit dem Budget Weichen für kommende Herausforderungen zu stellen.

FP-Klubchef Herbert Kickl hält das Budget für eine „Mogelpackung“, der Steuerreform mangle es an sozialer Gerechtigkeit, bringe sie doch einer Mindestpensionistin gerade einmal 50 Cent am Tag.

Auch SP-Budgetsprecher Kai Jan Krainer monierte mit dem Verweis auf Mindestrentner fehlende Gerechtigkeit etwa beim Klimabonus, wo Wiener Mindestpensionisten pauschal 100 Euro bekommen, Großverdiener am Land allerdings bis zum Doppelten. „Wo ist da die soziale Gerechtigkeit?“, fragte Krainer.

Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger schoss sich ebenfalls auf die Steuerreform ein, die sich die Menschen „eigentlich selbst bezahlen“. Sie kritisierte, dass die kalte Progression erneut nicht abgeschafft wird.

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer bemühte sich, die Kritik zu zerstreuen: „Wir investieren, wir modernisieren, wir reformieren“, sah sie Fortschritte in nahezu allen Bereichen. Den Vorwurf von Rendi-Wagner wollte sie nicht stehen lassen, für Investitionen im Pflegebereich sei gesorgt, sagte sie.

Als Kern der ökosozialen Steuerreform und grünen Erfolg stellte sie die CO2-Bepreisung dar, die es ermögliche, „klimafreundliches Verhalten zu fördern“.

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