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Wien: Rot-grünes Ende nach zehn Jahren

Von Jasmin Bürger   28.Oktober 2020

"Was Neues muss nicht immer gut sein und das Alte nicht immer schlecht": Mit diesen Worten brach zuletzt der frühere Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SP) eine Lanze für die von ihm vor zehn Jahren geschmiedete rot-grüne Koalition in Wien und damit sein Gelübde, sich nicht mehr zur Politik zu äußern.

Häupls Einsatz nutzte nichts. Sein Nachfolger, Michael Ludwig, verkündete gestern nach den Sitzungen von Landesparteivorstand und -präsidium die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Neos.

Wie Häupl einst 2010 mit den Grünen würde Ludwig damit Geschichte schreiben: Rot-Pink wäre die erste sozialliberale Koalition in Österreich. Genau dieses Argument führte Ludwig denn auch ins Treffen: "Wir haben uns nicht gegen eine Partei entschieden, sondern für einen mutigen, neuen Weg". Er wolle "die Tür öffnen für eine Fortschrittskoalition", so Ludwig. Sein potenzieller Partner, Wiens Neos-Chef Christoph Wiederkehr, verbarg seine Freude nicht und nahm den Ball auf: "Wien braucht eine Reformkoalition", warb er für Rot-Pink.

  • Video: Grüne "Türen bleiben offen"

Grüne hoffen noch

Für die Grünen ist es ein schwerer Schlag: Sie hatten intensiv um Ludwigs Gunst geworben, entsprechend enttäuscht zeigte sich Vizebürgermeisterin Birgit Hebein. "Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht", die Entscheidung sei "keine erfreuliche". Noch will Hebein die Hoffnung nicht aufgeben: Sollten die Verhandlungen scheitern, "stehen unsere Türen offen".

Rot und Pink bemühten sich freilich gestern schon um Gemeinsamkeiten. Im Sondierungsgespräch hätten sich viele Überschneidungen gezeigt, hieß es beiderseits. Tatsächlich gab es auch bei den von Ludwig und Wiederkehr genannten Schwerpunkten Parallelen: Neben der Bewältigung der Corona-Pandemie samt Unterstützung der Wirtschaft ging es um Bildung und Klimaschutz. Bei den Maßnahmen hatten sich aber schon im Wahlkampf große Unterschiede gezeigt. Dem pinken Wunsch nach Privatisierungen erteilte Ludwig gleich eine Absage: "Das ist jetzt nicht die Phase, wo Privatisierungen im Vordergrund stehen", wichtig sei gerade in der Krise eine "gute Daseinsvorsorge", warb er für städtischen Wohnbau und das Gesundheitswesen.

Nicht von vornherein abschlagen wollte er Wiederkehrs Wunsch nach dem Bildungsressort: "Das wird Verhandlungssache sein, man muss dem Koalitionspartner zugestehen, Verantwortung in einem Bereich zu übernehmen, der ihm wichtig ist". Gleichzeitig wies Ludwig auf die Machtverhältnisse hin: "Die SPÖ ist doppelt so stark wie die ÖVP, drei Mal so stark wie die Grünen und sechs Mal so stark wie die Neos". Davon wollte sich Wiederkehr nicht einschüchtern lassen: "Ich möchte, dass auch alle Wiener Schüler so gut rechnen können", parierte er und beteuerte, "dass man auch als kleiner Partner etwas umsetzen kann".

Die ÖVP zeigte sich "nicht überrascht" von Ludwigs Schritt.

Verhandelt wird nun zügig, Mitte November soll Rot-Pink unterschriftsreif sein.

 

Die Ausgangslage

Die SPÖ hat bei der Gemeinderatswahl am 11. Oktober mit 41,6 Prozent der Stimmen nicht nur ihr Wahlergebnis von 2015, sondern auch den Mandatsstand im Gemeinderat ausgebaut. 46 Abgeordnete stellt die SPÖ künftig. Auch die Neos haben zugelegt und kommen auf acht Mandate. Somit hätte Rot-Pink im Gemeinderat eine Mehrheit von 54 Mandaten von 100.
Rot-Grün käme auf 62 Mandate, die Grünen haben bei der Wahl mit 14,8 Prozent ihr bestes Ergebnis in Wien erzielt. Die ÖVP schaffte den Sprung über die 20- Prozent-Marke (20,4). Mit ihr hätte die SPÖ die deutlichste Mehrheit: 68 Mandate.

Für die Neos wäre eine Regierungsbeteiligung – acht Jahre nach ihrer Gründung – erst die zweite in Österreich. In Salzburg sitzen sie seit 2018 gemeinsam mit der ÖVP und den Grünen in der Landesregierung.

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