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Wehrsport, Ibiza, und Spesen - die Vorwürfe gegen Heinz-Christian Strache

Von nachrichten.at/apa   01.Oktober 2019

Nach einer zehnjährigen Erfolgswelle, die in einer Regierungsbeteiligung mündete, stolperte der ehemalige Parteichef über ein auf Ibiza aufgenommenes Video und letztlich dem großzügigen Umgang mit Spesen. Jetzt will sich der ehemalige FP-Vizekanzler gänzlich aus der Politik zurückziehen.

Es begann auf Ibiza

Ein zwei Jahre altes Agent-Provocateur-Video brachte den ohnehin wegen seiner Vergangenheit im rechtsextremen Milieu umstrittenen Vizekanzler in arge Nöte. Einer vermeintlichen russischen Millionärin hatte er bei dem auf Film gebannten Treffen etwa dargelegt, wie sie am Rechnungshof vorbei eine Spende an die FPÖ deponieren könnte. Der Rest ist Geschichte: Die Regierung mit der ÖVP platzte, Strache legte Obmann- und Vizekanzlerschaft nieder.

Auch in der politischen Zwangspause avancierte Strache aber nicht zum honorigen Altobmann. Seinen ehemaligen Parteifreunden kehrte er bald den Rücken und meldete sich stattdessen mit für die FPÖ in dieser Situation ungünstigen Kommentaren auf Facebook zu Wort. Diese entzog ihm bald die volle Kontrolle über den Account. Als Brötchenbringer schickte Strache seine Frau Pia Philippa in die Politik, die erfolgreich für den Nationalrat kandidierte.

Außer Spesen nichts gewesen

Der endgültige Bruch mit der eigenen Partei zeichnete sich ab, als just eine Woche vor der Nationalratswahl weitere Vorwürfe gegen Strache auftauchten. So solle er von der Wiener Landesgruppe ein großzügig dotiertes Spesenkonto samt Mietzuschuss für das Anwesen in Klosterneuburg bereitgestellt bekommen haben. Belohnt wurden die Freiheitlichen dafür mit einem Absturz auf 16 Prozent - nur wenige Prozentpunkte über jener Marke, an der Strache die Partei einst abgeholt hatte.

Weniger störte die Fans der Freiheitlichen einst, als bekannt wurde, dass Strache als junger Mann an wehrsportübungsähnlichen Waldspielen teilgenommen hatte. Damals war der von seiner Mutter allein groß gezogene Jüngling tief in der rechtsextremen Szene verwurzelt, was wohl auch damit zusammenhing, dass er mit der Tochter des prominenten Neonazis Norbert Burger liiert war.

Strache als politischer Senkrechtstarter

Jung startete Straches steile Karriere in der FPÖ, für die er mit 21 Jahren jüngster Bezirksrat in Wien-Landstraße wurde. Nebenbei wurde Strache zum Zahntechniker ausgebildet und auch relativ früh Vater von zwei Kindern mit seiner damaligen Ehefrau, die einer prominenten Wiener Gastronomen-Familie entstammt.

Politisch ging es flott nach oben. Lange vor seinem 30. Geburtstag angelte er sich ein Mandat im Wiener Landtag und galt rasch als Hoffnungsträger der traditionell starken Landesgruppe. Anfangs noch Fan Jörg Haiders, hantelte er sich während Schwarz-Blau zu dessen stärksten parteiinternen Kontrahenten hoch. Strache war auch eine der prominentesten Figuren des Knittelfelder Delegiertentreffens, das Susanne Riess aus Partei und Politik trieb, und Straches steigende Popularität wohl Anlass für Haider, sich mit dem BZÖ aus der FPÖ zu verabschieden.

Damit war wohl früher und unter anderen Umständen als von ihm selbst gewünscht die Stunde Straches an der Spitze der Freiheitlichen gekommen, denen er seit 2005, also rund 14 Jahre, unumstritten vorstand. Umgeben von einem treuen Stab um Herbert Kickl, Harald Vilimsky und Norbert Hofer konsolidierte er die Partei sowohl finanziell als auch beim Wähler. Auch immer wiederkehrende Vorwürfe aus der Vergangenheit - etwa sein "Drei Bier"-Gruß - und eine selten faktentreue inhaltliche Ausrichtung stoppten Straches Weg nach oben nicht. Anti-EU- und -Islampolitik erwiesen sich als beständige Wahlkampfschlager.

Der Niedergang der SPÖ-ÖVP-Koalition schwappte ihn in Umfragen im Jahr 2017 zeitweise sogar klar an die Spitze, erst Sebastian Kurz' Kür zum ÖVP-Obmann ließ die Freiheitlichen ein wenig nach unten sacken. Das hatte für Strache, inzwischen mit einer ehemaligen SPÖ-Assistentin verheiratet, mit der er zu Neujahr zum dritten Mal Vater wurde, aber auch seinen Vorteil. Denn der neue ÖVP-Chef scheute sich nicht, Strache und seine Getreuen in die Regierung zu holen.

Dass Kurz sich das traute, hatte der FPÖ-Chef aber auch einem eigenen Image-Wandel zu verdanken. Vertrieb Strache früher potenzielle Partner mit rüden Wahlkämpfen und wenig geschmacksicheren Auftritten, etwa mit einem Burschenschafter-Käppchen am Kopf bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, gab er sich über die Jahre immer staatsmännischer. 2017 lotete dann sogar der damalige SPÖ-Chef Christian Kern eine Zusammenarbeit aus. Eigentümliche höchstpersönliche musikalische Darbietungen, die früher jede seine Kampagnen begleiteten, hatte er da schon längst aufgegeben.

Romantiker, Papa-Monat-Vater und Hundefreund

In Regierungsfunktion angekommen machte Strache selbst inhaltlich nicht viel, was auch mit seinen schmalen Ressorts öffentlicher Dienst und Sport zusammenhing. Mehr inszenierte er sich als romantischer Ehemann, Papa-Monat-Vater und Hundefreund. Wichtig war ihm zu allererst, dass das türkis-blaue Projekt insgesamt auf Schiene blieb. Kurz, den er früher oft wenig schmeichelhaft behandelt hatte, war plötzlich fast schon sein Freund, man traf sich mitunter sogar privat. Erst als die ÖVP zuletzt ihre Angriffe auf die FPÖ lancierte, zeigte Strache, der in seiner Jugend als Heißsporn galt, Zähne.

Der Ausschluss Straches zeigt auch die Ironie der freiheitlichen Parteigeschichte. Denn auch sein Vorgänger als Parteichef, Jörg Haider, galt einst als Saubermann, der der Partei Höhenflüge bescherte, sie letztlich aber - auch aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur - nach einer Regierungsbeteiligung mit der ÖVP in die Luft sprengte. Und auch er wurde am Ende aus der Partei ausgeschlossen.

Zur Person: Heinz-Christian Strache, geboren am 12. Juni 1969 in Wien, zwei Kinder aus erster Ehe, ein weiteres aus der jetzigen, verheiratet. Gelernter Zahntechniker. Ab 1991 Mitglied der Bezirksvertretung (Bezirksrat) von Wien-Landstraße, ab 1993 Bezirksparteiobmann der FPÖ Wien-Landstraße, 1996-2006: Wr. Landtags-Abgeordneter, seit 2004 Landesparteiobmann der FPÖ Wien, seit 2005 FPÖ-Bundesparteiobmann, seit 2006 Klubobmann des FPÖ-Parlamentsklubs, Dezember 2017 bis Mai 2019 Vizekanzler.

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