Was hinterlässt Magnus Brunner?
WIEN. Von Parteifreund und VP-Kanzler Karl Nehammer wurde Finanzminister Magnus Brunner gestern vor dem Hauptausschuss des Nationalrats als kompetent und international anerkannt beworben. Dem Vorschlag der Bundesregierung, den 52-Jährigen als Österreichs EU-Kommissar zu nominieren, haben dennoch nur die Koalitionsparteien zugestimmt. Der Vorarlberger wird bis zu seinem Amtsantritt voraussichtlich Anfang November das Finanzministerium leiten – vorausgesetzt, er besteht im Hearing des Europaparlaments.
Die Opposition unterstützte gestern Brunners Nominierung nicht. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker reklamierte den Posten für seine Partei als stärkste Kraft bei der EU-Wahl. Inhaltlich attestierte Hafenecker Brunner einen "Bauchfleck beim Budget". SPÖ und Neos ärgerten sich über Hinterzimmer-Deals der Koalition. SPÖ-Vize-Klubchef Jörg Leichtfried hätte sich ein Hearing gewünscht. Neos-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer kritisiert Brunner, dass er "das größte Defizit aller Zeiten" hinterlassen habe.
Der Unvollendete
Was hinterlässt Brunner als Finanzminister wirklich?
Auf der Habenseite bleibt eine Steuerreform mit ökologischen Komponenten wie der CO2-Bepreisung, die jeden Tankvorgang teurer macht. Weil die Erdölpreise aber nach unten gehen, ist das Leiden darüber in der Bevölkerung wenig ausgeprägt. Verhandelt wurde diese Reform noch unter Brunners Vorgänger, Gernot Blümel. In Kraft traten die Maßnahmen mit Jahresbeginn 2022 – da war Brunner gerade drei Wochen im Amt, nachdem die Kurz-Regierung von den Grünen erzwungen ihren Rücktritt erklärt hatte.
Die teilweise Abschaffung der kalten Progression, also die Anpassung der Tarifstufen an die Inflation, stand im Regierungsprogramm und wurde von dieser nach jahrzehntelanger Diskussion eingelöst. Allerdings ohne sich vorher den nötigen budgetären Spielraum zu verschaffen, wie Fiskalratschef Christoph Badelt anmerkt. Der Ökonom schätzt Brunner als konstruktiven und fairen Gesprächspartner – trotz der unterschiedlichen Standpunkte, die die beiden zwangsläufig oft hatten. Badelt sagt zur Bilanz Brunners, diese bleibe unvollendet. Denn in der ersten Hälfte des Finanzzyklus – in der Krise – habe Brunner das Geld aufgestellt. "Jetzt wäre es sein Job gewesen, die Schulden wieder abzubauen."
Dass das Defizit stark gewachsen sei, sei der Energie- und der Teuerungskrise geschuldet und nicht Brunners alleinige Verantwortung gewesen. Dass dabei die eine oder andere Ausgabe übertrieben und zu wenig zielgerichtet gewesen sei, merkt Badelt auch an. So gab es etwa 2022 zusätzlich zum Klimabonus einen Antiteuerungsbonus in gleicher Höhe.
Auch andere Ökonomen kritisieren die umfangreichen Antiteuerungsmaßnahmen, die zu der Budgetsituation geführt hätten, wie sie sich aktuell darstelle. Die Zahlen des Finanzministeriums zeigen per Ende Juni ein Minus von 13 Milliarden Euro. Neos-Finanzsprecherin Karin Doppelbauer rechnet Brunner hundert zusätzliche Schuldenmilliarden vor. Auch dass Brunner die vor seiner Zeit gegründete Cofag immer wieder verteidigt hat, kreiden ihm die Neos an.
Das Versprechen aus dem Regierungsprogramm, die Abgabenquote Richtung 40 Prozent zu drücken, hat Brunner nicht selbst verhandelt und auch nie den Anschein erweckt, dieses Ziel sei erreichbar oder sein Ziel. Doppelbauer hält ihm vor, dass Versprechen wie eine spürbare Lohnnebenkostensenkung oder eine Vereinfachung der Bürokratie nicht eingelöst worden seien. Die Bilanz sei ein riesengroßer Scherbenhaufen. Andere Ökonomen sind diesbezüglich weniger streng: Die Krisen hätten es nicht zugelassen, sich den Spielraum zu verschaffen, um Steuern zu senken. Diesen Spielraum müssten strukturelle Reformen liefern. Diesbezüglich müsste das Fördersystem durchforstet und auf deren Wirkungen überprüft werden. Auch die vielen Ausnahmen im Steuersystem gehörten analysiert.
Die im Regierungsprogramm schon in Aussicht gestellte Abschaffung der Kapitalertragsteuern nach einer Behaltefrist von zehn Jahren hat Brunner angekündigt. Die Zustimmung dazu konnte den Grünen nicht abgekauft werden.
Im Budgetprozess selbst werden seit zwei Jahren ökologische Aspekte berücksichtigt. Zum Thema Ökologie gibt es auf der Plusseite höhere Investitionsförderungen. Klimaschädliche Subventionen – etwa der Agrardiesel – blieben unangetastet.
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