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Wahlkampf: Jeder gegen jeden und alle für Bierlein

Von Lucian Mayringer   13.Juni 2019

Flieder – für diesen politisch (noch) nicht besetzten Farbton hat sich Brigitte Bierlein bei der Wahl des Kostüms entschieden, das sie bei ihrem Premierenauftritt im Nationalrat als Österreichs erste Kanzlerin tragen würde. Auch in ihrer Rede entsprach Bierlein ganz den Ansprüchen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen an die Chefin "seiner" zwölfköpfigen Übergangsregierung: "Für Verlässlichkeit stehen wir, für Vertrauen werben wir", sagte Bierlein eingangs, um gleich einzuräumen: "Es stand nicht in meiner Lebensplanung, als erste Bundeskanzlerin in diesem Haus zu sprechen."

In dieser "einmaligen Situation" mit einer Bundesregierung, die weder direkt noch indirekt gewählt worden sei, werde sie "in meiner gesamten Amtszeit auf Dialog" setzen. Denn im Hohen Haus schlage nun "das Herz der Demokratie, und dieses Herz schlägt kräftig", erklärte die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs. Auf tagespolitisches Kalkül werde verzichtet. Das Prinzip der größtmöglichen Sparsamkeit wolle man stets einhalten. Bei den anstehenden Entscheidungen in Europa bis hin zu Österreichs Kandidatin oder Kandidat für die EU-Kommission appellierte Bierlein an die Fraktionen, "Einigkeit zu zeigen". Vizekanzler Clemens Jabloner, seinerseits Ex-Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, sprach die zuletzt "heiklen Zeiten" an. Von einer Verfassungs- oder Staatskrise habe allerdings "nie die Rede sein können". Als Justizminister seien für ihn die Prinzipien des Rechtsstaats und besonders die Europäische Menschenrechtskonvention als Handlungsanleitungen "unverrückbar". Wohl ein Fingerzeig Richtung Herbert Kickl, der als Innenminister daran gerüttelt hatte. Der FP-Klubvize fehlte gestern allerdings wegen einer Grippe.

So sehr sich im späteren Verlauf der Wahlkampf in der ersten von zwei Plenarsitzungen in dieser Woche breitmachen sollte: Zunächst gab es von den Chefs aller Fraktionen Unterstützungserklärungen und Gesten des Respekts für Bierlein und ihr Team. Verbunden mit einem ersten Auftrag: Mit den Stimmen aller Fraktionen außer der Liste Jetzt wurde der Neuwahlantrag besiegelt. Die Übergangsregierung muss jetzt im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss einen Wahltermin festsetzen. Weil mit rot-blauer Mehrheit der Antrag erst mit 3. Juli in Kraft tritt, bleibt wegen des Fristenlaufs nur der 29. September. Dafür erlaubte sich Bierlein leise Kritik: Wie der Bundespräsident hätte man sich einen früheren Wahltermin gewünscht, "aber wir respektieren natürlich die Entscheidung".

Danach wich die höfliche Zurückhaltung dem Wahlkampf. Für VP-Klubchef August Wöginger ist der späte Wahltermin Indiz für einen rot-blauen Pakt, der sich abzeichne. Sein FP-Gegenüber Norbert Hofer wunderte sich über Wögingers Warnung vor einem langen Wahlkampf. Schließlich sei VP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz, der gestern auf Werbetour war, der Einzige, der diesen bereits begonnen habe.

SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner sah sich in der Entscheidung bestätigt, die Regierung Kurz abgewählt zu haben. Mit Bierlein habe man jetzt ein Kabinett "der Sachlichkeit und nicht der Inszenierung". Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger warnte vor teuren Wahlkampfgeschenken. Für die Liste Jetzt wären Klimaschutz-Maßnahmen Zuckerl zum Nulltarif.

 

 

Verbote für Glyphosat, Rauchen, Plastik

Interessante Kombinationen brachte der gestrige Plenartag im Stimmverhalten zutage. Die meisten Anträge waren sogenannte Fristsetzungsanträge, die entscheiden, ob über ein Thema in der Juli-Sitzung des Nationalrates abgestimmt wird. Darunter fällt etwa das Thema Rauchverbot in der Gastronomie, wo nun auch die ÖVP – gemeinsam mit SPÖ, Neos und Liste Jetzt – zustimmte. Die Initiatoren des „Don’t smoke“-Volksbegehrens zeigten sich erfreut, die FPÖ weniger.

Für ein Glyphosat-Verbot sprachen sich SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt aus. Es sei „endlich Vernunft eingekehrt“, sagte SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Von einer „verantwortungsvollen Umweltpolitik“ sprach FP-Klubobmann Norbert Hofer. Umweltorganisationen zeigten sich zufrieden, Industrie und Landwirtschaft nicht. Auf eine mögliche EU-Rechtswidrigkeit wurde hingewiesen. Die ÖVP bringt einen eigenen Antrag ein, der nur ein Teilverbot von Glyphosat etwa bei Kindergärten und Schulen vorsieht. Das Unkrautvernichtungsmittel gilt als „wahrscheinlich krebserregend“, EU-weit ist es bis 2022 zugelassen.

Das Plastiksackerlverbot wurde von der ehemaligen Regierung bereits angekündigt und nun von der ÖVP eingebracht. Heute dürfte der Antrag zur Erhöhung der Mindestpensionen zur Abstimmung kommen. Auf einen Entschließungsantrag konnten sich SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt zur Schließung des umstrittenen König-Abdullah-Zentrums einigen, die ÖVP brachte kurz darauf einen eigenen Antrag ein. Das Außenministerium kündigte bereits an, dass es einen Beschluss umsetzen werde. Ebenfalls schnell könnte es mit zwei Anträgen der SPÖ geben: Heute wird bereits über einen Rechtsanspruch auf einen „Papa-Monat“ sowie eine Entgeltzahlung für freiwillige Helfer abgestimmt.

Keine Unterstützung gab es für die ÖVP-Initiative gegen Wahlzuckerl – also teure Beschlüsse noch kurz vor der Wahl. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der Liste Jetzt, zukünftig eine „Ministeranklage“ zu ermöglichen.
Auch die FPÖ brachte eine Reihe von Anträgen ein. Darunter ist eine Aufwertung der Volksbegehren, die bei Unterstützung von mindestens vier Prozent der Stimmberechtigten einer Volksabstimmung unterzogen werden sollen, wenn das Anliegen nicht vom Parlament umgesetzt wird. Und eine eigene Initiative setzt die FPÖ auch bezüglich eines Privatisierungsverbots für Wasser. Einen ähnlichen Antrag stellte auch die SPÖ. Die Neos haben per Fristsetzung einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt beantragt. Sie beantragen außerdem einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff.

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