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VfGH kippte mehrere Corona-Verordnungen

Von nachrichten.at/apa   22.Juli 2020

Der Verfassungsgerichtshof hat über die Corona-Ausgangsbeschränkung und die Geschäftsschließungen entschieden: Das Covid-19-Gesetz ist in diesen Punkten verfassungskonform, auch der Entfall der Entschädigungen für geschlossene Geschäfte und Betriebsstätten. Aber die Verordnung zum Ausgangsverbot war ebenso (teils) gesetzeswidrig wie jene mit der teilweisen Geschäftsöffnung ab 14. April.

Diese Verordnungen von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sind zwar seit Ende April nicht mehr in Kraft. Aber der VfGH hat ausdrücklich auch festgehalten, dass die Bestimmungen zu den Ausgangsbeschränkungen "nicht mehr anzuwenden sind" - etwa in laufenden Verwaltungsstrafverfahren.

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Konkret geprüft und als gesetzeswidrig befunden wurden jene - zulässigerweise angefochtenen - Teile der Verordnung Anschobers, die das Betreten des öffentlichen Raumes und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur für die vier Gründe Berufsarbeit, Hilfe, dringende Besorgung, Spaziergänge (allein oder mit Haushaltsangehörigen) zulassen. Auch die Verpflichtung, Gründe für das ausnahmsweise Betreten des öffentlichen Raumes bei einer Kontrolle durch die Polizei glaubhaft zu machen, ging laut VfGH über die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen hinaus.

Dass mit dem im März beschlossenen Covid-19-Maßnahmengesetz das Epidemiegesetz "ausgehebelt" wurde und damit der Entschädigungsanspruch für behördlich geschlossene Betriebe entfallen ist, erachtet der Gerichtshof als verfassungskonform. Es verstoße nicht gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums oder den Gleichheitsgrundsatz, wie mehrere Unternehmen in ihren Anträgen vorgebracht hatten.

400 m2-Verordnung rückwirkend aufgehoben

Die Verordnung, mit der nach Ostern - Mitte April - die Öffnung bestimmte Geschäfte wieder zugelassen wurde, hat der VfGH allerdings rückwirkend aufgehoben. Es sei eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, dass Läden mit weniger als 400 m2 Verkaufsfläche und Bau- und Gartenmärkte generell wieder aufmachen durften, das Betretungsverbot für alle anderen größeren Geschäfte aber bis 30. April weiter galt, gab der VfGH den Unternehmen recht, die sich deshalb an ihn gewandt hatten.

Mit diesen in einer zusätzlichen Session in der Vorwoche getroffenen und am Mittwoch veröffentlichten Entscheidungen sind 19 der dem VfGH vorliegenden rund 70 Fälle - die bis zum Beginn der Juni-Session eingelangt waren - erledigt.

VfGH bestätigte Entfall der Entschädigung für Corona-Schließungen

Den zur Corona-Bekämpfung ab Mitte März geschlossenen Geschäften, Hotels und anderen Betriebsstätten steht keine volle Entschädigung zu. Es ist verfassungskonform, dass dieser im Epidemiegesetz enthaltene Anspruch entfallen ist, weil es ein großes Maßnahmen- und Rettungspaket gab, stellte der Verfassungsgerichtshof fest. Gesetzwidrig war aber die nur teilweise Geschäftsöffnung nach Ostern.

Dass im Corona-Maßnahmengesetz kein Anspruch auf Entschädigung vorgesehen ist, verstoße weder gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums noch gegen den Gleichheitsgrundsatz, konstatierten die Verfassungsrichter. Ein Betretungsverbot sei zwar ein "erheblicher Eingriff" in das Eigentumsgrundrecht. Aber dieser sei nicht unverhältnismäßig, weil er in ein umfangreiches Hilfspaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie eingebettet sei.

Die "Aushebelung" des Epidemiegesetzes wurde von der Opposition heftig kritisiert. Zahlreiche Unternehmen haben sich an den VfGH gewandt, darunter ein Großhändler für Haushalt, Büro und Spielwaren, eine Warenhandelsgesellschaft mit Sitz in Wien und eine Wiener Textilhandelsgesellschaft. Die Anträge der Tiroler Hotels in Bezug auf die Entschädigungen wurden in dieser Session des VfGH teilweise behandelt.

Epidemiegesetz und Covid-19-Gesetz sind aus Sicht des VfGH nicht miteinander vergleichbar: Denn beim Epidemiegesetz 1950 habe der Gesetzgeber nur die Schließung einzelner Betriebe im Auge gehabt, nicht aber die jetzt erlebte großräumigen Betretungsverbote.

"Besondere Bedeutung" hatte für die Verfassungsrichter die Tatsache, dass vom Betretungsverbot in der Corona-Pandemie alle Handels- und Dienstleistungsunternehmen (ausgenommen nur jene zur nötigen Grundversorgung) betroffen waren. Für die Hilfsleistungen pocht der VfGH auf einen "gerichtlich durchsetzbaren Anspruch" und die Auszahlung "in gleichheitskonformer Weise und nach sachlichen Kriterien".

Unternehmen wurden ungleich behandelt 

Dass Unternehmen ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt wurden, war der Grund für die Aufhebung der von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erlassenen "Lockerungsverordnung" für den Handel. Dies freilich nachträglich: Die Verordnung war nur von 14. bis 30. April in Kraft. Bekämpft haben sie mehrere Handelsunternehmen, darunter ein "Grazer Unternehmen, das an 49 Standorten in Österreich tätig ist und vor allem mit Schuhen handelt".

Dass Läden mit weniger als 400 m2 nach Ostern wieder öffnen durften, größere Geschäfte aber noch nicht, hat gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen - und dies vor allem auch deshalb, weil Bau- und Gartenmärkte mit mehr als 400 m2 auch Mitte April wieder aufsperren durften. Zudem habe der Gesundheitsminister nicht nachvollziehbar gemacht, auf Basis welcher Informationen er diese Regelung getroffen hat. Eine entsprechende Dokumentation wäre aber ausschlaggebend für die Beurteilung des VfGH, hieß es in einer Aussendung.

Verfassungskonform war es jedoch, dass mit dem Covid 19-Gesetz dem Gesundheitsminister ermöglicht wurde, per Verordnung Betretungsverbote für Handelsbetriebe zu verhängen, um "die persönlichen Kontakte von Menschen einzudämmen", stellte der VfGH fest.

Kogler verteidigte Coronagesetze

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat die Coronagesetze trotz Beanstandungen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) verteidigt. Die Juristen der Regierung hätten "alles nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt, es musste alles in kurzer Zeit geschehen", sagte er am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz. Das Covid19-Maßnahmengesetz sei außerdem in seinen inhaltlichen Bestimmungen bestätigt worden.

Ein Lockdown eine Woche später hätte eine Vervierfachung der Zahlen gebracht, argumentierte der Vizekanzler erneut. Die Frage nach den Bestimmungen, etwa die Verhängung von Strafen durch die Exekutive, werde derzeit untersucht. Die Teilung in Kategorien, etwa bei Geschäften, sei aber weiterhin eine Möglichkeit. "Es ist das Ziel, die bürgerfreundlichsten Lösungen zu finden", so Kogler.

Anzeigen in den Bundesländern

In der Bundeshauptstadt Wien sind in Zusammenhang mit den Coronavirus-Verordnungen bisher insgesamt 11.500 Anzeigen eingelangt. 8.800 mündeten tatsächlich in Strafverfügungen. 

Insgesamt 34 Beschwerden gegen Bescheide nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz sind aktuell beim Landesverwaltungsgericht (LVwG) Niederösterreich anhängig. Der Einfluss der am Mittwoch bekannt gewordenen VfGH-Entscheidungen auf diese Verfahren muss nach Angaben von Gerichtssprecher Markus Grubner von den zuständigen Richtern beurteilt werden.

Beim Landesverwaltungsgericht (LVwG) Vorarlberg sind derzeit zwanzig Verfahren im Zusammenhang mit dem Covid-19-Maßnahmengesetz anhängig. Davon könnte ungefähr die Hälfte von den aktuellen Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) betroffen sein, erklärte LVwG-Präsident Nikolaus Brandtner gegenüber der APA. 

Beim Tiroler Landesverwaltungsgericht (LVwG) sind seit dem 10. Mai 30 Beschwerden gegen Bescheide in Zusammenhang mit Covid-19 anhängig gewesen. Sieben davon sind bereits entschieden, erklärte Präsident Christoph Purtscher gegenüber der APA. Bei einigen Bescheiden bilde die Bundesverordnung die Rechtsgrundlage, bei anderen wiederum jene des Landeshauptmannes bzw. der Bezirksverwaltungsbehörden.

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