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Turbulenzen bei Schallenbergs Premiere im Parlament

Von Annette Gantner   13.Oktober 2021

Die Sondersitzung war anberaumt worden, um Sebastian Kurz das Misstrauen auszusprechen. Nach dessen Abgang nützte der neue Bundeskanzler Alexander Schallenberg (VP) das Plenum zur Regierungserklärung. Doch der Auftakt war turbulent.

Abermals beteuerte Schallenberg, dass er selbstverständlich sehr eng mit VP-Obmann Kurz zusammenarbeiten werde. Nachdem er bereits die Vorwürfe gegen Kurz als falsch bezeichnet hatte, übte er gestern auch Kritik am Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel (VP). Das einzige Thema, bei dem er sich von seinem Vorgänger abhob, war das klare Bekenntnis zu Europa. Morgen tritt Schallenberg seine erste Auslandsreise nach Brüssel an.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zollte Kurz nochmals Respekt für dessen Abgang, bei Schallenberg bedankte er sich für dessen proeuropäische Deklaration.

Nationalratssitzung mit Bundeskanzler Alexander Schallenberg

Keine Schonfrist gab es vonseiten der Opposition. SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner gab Schallenberg Unterricht im Parlamentarismus: Es stünde ihm nicht zu, einen Misstrauensantrag zu kommentieren. Kritik übte sie auch daran, dass Schallenberg die Vorwürfe gegen Kurz als falsch bezeichnet habe. "Ich halte das für Ihren ersten schweren Fehler, damit wurde viel Vertrauen verspielt", wetterte Rendi-Wagner. Schallenbergs Verhalten untermauere, dass er ein Kanzler von Kurz’ Gnaden sei. "Wer blind folgt, kann nicht führen", sagte sie.

FP-Obmann Herbert Kickl witzelte über den türkisen "Chat-Set". Auch er kritisierte, dass Schallenberg in seinen ersten Wortmeldungen der Justiz das Misstrauen ausgesprochen und damit auch gleich ein Ende des Neubeginns verkündet habe. Kickl höhnte darüber, dass Schallenberg in alter Adelsmanier den Misstrauensantrag gegen Blümel infrage stelle: "Ja, derfen s’ denn das?", näselte er.

Mehrfach verwies der FP-Chef auch darauf, dass Kurz zwar gewählter VP-Klubobmann sei, in der Sitzung aber fehle und erst am Donnerstag angelobt wird. Für Kurz hatte er Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray" mitgebracht. "Das passt ganz ausgezeichnet zu Kurz", sagte Kickl.

Impulsiv reagierte Schallenberg, als Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger mit den Worten "Es ist vorbei, es ist einfach vorbei" dem Kanzler die Anordnung zur Hausdurchsuchung überreichte. Schallenberg nahm die 104 Seiten, die zum Fall von Kurz geführt hatten, und platzierte sie demonstrativ hinter sich auf den Boden.

Später entschuldigte er sich via Twitter: Das "Weglegen" der Unterlagen werde von einigen als Respektlosigkeit gegenüber der unabhängigen Justiz und Meinl-Reisinger gesehen. "Beides ist keineswegs meine Intention gewesen, und es tut mir leid, wenn dieser Eindruck entstanden ist."

Ähnlich wie sein Vorgänger hatte Schallenberg während der Debatte häufig das Handy in der Hand, selbst bei der Vorstellung des neuen Außenministers Michael Linhart (VP) wirkte er unkonzentriert. Linhart trat souverän auf, nannte als seine Werte Dialog und Verbindlichkeit und skizzierte die außenpolitischen Herausforderungen. Seine erste Reise wird ihn nach Sarajewo führen.

Kurz verschwammen alle Parteigrenzen, als gegen Ende der Debatte die oberösterreichische SP-Mandatarin Eva-Maria Holzleitner während ihrer Rede einen Kreislaufkollaps am Pult erlitt. Umgehend halfen ihr die anwesenden Ärzte in den Politikerreihen. Es dauerte nicht lange, bis sie wieder zu Bewusstsein kam.

Der Akten-Aufreger in Bildern:

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Bild 1/9 Bildergalerie: Schallenbergs turbulenter Auftakt: Der Akten-Aufreger im Nationalrat

Korruptionsaffäre: Erste Festnahme

Mitten in der hitzigen Sondersitzung mit der Vorstellung von Alexander Schallenberg als neuem Bundeskanzler ging gestern die Meldung ein, dass es in der Inseraten-Korruptionsaffäre um Sebastian Kurz (VP) die erste Festnahme gegeben hat.

Sabine Beinschab wurde am Vormittag wegen Verdunkelungsgefahr gerichtlich bewilligt festgenommen, wie Anwalts- und Regierungskreise bestätigten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft der Meinungsforscherin vor, Umfragen samt dazugehöriger Kommentierung im Sinne von Kurz frisiert und an die Tageszeitung „Österreich“ weitergegeben zu haben.

Festgenommen soll die ehemalige Mitarbeiterin der Agentur-Betreiberin und Ex-Ministerin Sophie Karmasin (VP) aber aus einem anderen Grund worden sein. Unmittelbar vor einer Hausdurchsuchung auch bei ihr am vergangenen Mittwoch soll Beinschab alle Daten auf der Festplatte ihres Computers gelöscht haben. IT-Experten sollen das nach der Prüfung der sichergestellten Hardware herausgefunden haben. Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte zu den strafrechtlichen Vorwürfen der Untreue und Beteiligung an Bestechung noch jener der Beweismittelunterdrückung hinzukommen. Beinschab soll bis in den Nachmittag von der WKStA einvernommen worden sein. Es ging auch um den Verdacht, dass die Razzia verraten wurde.

Ungünstige Umfragen

Laut Ermittlungsbericht soll Beinschab auf Anbahnung durch Karmasin ab dem Frühjahr 2016 regelmäßig zunächst für den damaligen VP-Obmann Reinhold Mitterlehner und die rot-schwarze Koalition ungünstige Umfragen geliefert haben. Später sei es darum gegangen, den zu erwartenden „Kurz-Effekt“ bei einem Obmann-Wechsel stärker als bei den anderen Meinungsforschern darzustellen. Die Umfragen und Kommentare erschienen in den Medien von „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Als Organisator sieht die Justiz Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium. Bestellt und überarbeitet sollen die Umfragen von Kurz’ engsten Mitarbeitern worden sein. In einem der sichergestellten Chats sagte Schmid im Zusammenhang mit diesem „Österreich-Beinschab-Tool“: „So weit wie wir bin ich echt noch nicht gegangen. Geniales Investment. Und Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt, schafft an. Ich liebe das.“

Die Bezahlung für den Deal, der ausschließlich zum persönlichen Nutzen von Kurz abgeschlossen worden sei (WKStA), soll vom Finanzministerium übernommen worden sein. So habe Beinschab zwischen 2016 und 2020 für ihre als Studien getarnten Leistungen einen Förderbeitrag von 587.400 Euro erhalten.

Die Fellner-Medien sollen aus dem Ministerium pro Quartal zwischen 200.000 und 277.000 Euro erhalten haben. Alle Beteiligten bestreiten den Vorwurf der Korruption. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Video: Erste Festnahme in ÖVP-Skandal

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