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Nehammer wird Kanzler, Grüne wollen weiterregieren

Von nachrichten.at   03.Dezember 2021

Die ÖVP hat sich nach dem Rückzug von Sebastian Kurz neu aufgestellt: Der bisherige Innenminister Karl Nehammer wurde am Freitag vom Bundesparteivorstand als neuer Kanzler und ÖVP-Chef designiert. 

Video: Karl Nehammer ist vom ÖVP-Bundesparteivorstand einstimmig zum neuen Parteichef und zum Bundeskanzler designiert worden.

Im Innenministerium folgt ihm der Niederösterreicher Gerhard Karner nach, die Finanzagenden übernimmt der Vorarlberger und derzeitige Staatssekretär im Infrastrukturministerium, Magnus Brunner. Und der steirische Uni-Rektor Martin Polaschek löst Bildungsminister Heinz Faßmann ab. Interims-Kanzler Alexander Schallenberg kehrt ins Außenministerium zurück. Als Staatssekretärin holt sich Nehammer die Bundeschefin der Jungen ÖVP, Claudia Plakolm, ins Bundeskanzleramt. 

Kogler verspricht "Stabilität"

Durchaus zufrieden mit der ÖVP-Neuaufstellung äußerte sich Freitag Vizekanzler Werner Kogler im Ö1-"Mittagsjournal". Er bekräftigte, dass er und andere Grüne eine "sehr gute Gesprächsbasis" zum neuen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hätten - wenngleich man in Migrationsfragen bekanntermaßen "unterschiedliche Auffassungen" vertrete. Kogler sieht keinen Grund, jetzt das Regierungsprogramm neu zu verhandeln. Die Grünen stünden "zur Verantwortung und für Stabilität in der Regierung".

Es gebe einen aufrechten, "sehr guten" Koalitionsvertrag mit "großer grüner Handschrift". Da "brauchen wir nicht viel rumtun", meinte Kogler, sondern die anstehenden wichtigen Punkte nur "weiter umsetzen", etwa im Klimaschutz und der Modernisierung der Wirtschaft, "um uns aus der Pandemie rauszukämpfen". Die Frage, was die Grünen für ihre Zustimmung zum großen ÖVP-Umbau bekommen hätten, wies er zurück: Es sei jetzt "nicht die Zeit, sich wechselseitig Forderungen zu stellen". Nötig sei - auch mit Blick auf die Corona-Pandemie - dass es "in Verantwortung und Stabilität weitergeht". Mit Nehammer habe er gestern und heute telefoniert, ein längeres Gespräch sei vereinbart.

"Heftiger Konflikt" in Migrationspolitik

Was Nehammers Haltung zu Flüchtlingsfragen betrifft, räumte Kogler ein, dass es einen "heftigen Konflikt" in der Frage der Abschiebung gut integrierter Mädchen gegeben habe. Aber Nehammer habe das Migrationskapitel im Regierungsübereinkommen mitverhandelt - und darin sei festgehalten, dass Österreich entlang der Menschenrechts- und Flüchtlingskonvention sowie der verfassungsrechtlichen Grundrechte agiert. "Das ist schon tragfähig", meinte der Chef der Grünen - und brachte vor, dass seit deren Regierungsbeteiligung so viele Anträge auf humanitäres Bleiberecht angenommen worden seien wie schon lange Zeit vorher nicht mehr.

Die Angelobung des neuen Kanzlers mitsamt seiner erneuerten Regierungsmannschaft soll nach APA-Informationen Montagvormittag stattfinden. Nehammer betonte in der Pressekonferenz nach dem Bundesparteivorstand, dass es ihm eine "große Ehre" sei, "mit diesem Vertrauensvotum", das einstimmig ausgefallen sei, ausgestattet worden zu sein.

Er bezeichnete es als "Privileg" die Volkspartei anführen zu dürfen, die in der Breite Österreichs vertreten sei, "um Politik für die Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben, tatsächlich zu machen".

Kurz hat "unglaublich viel geleistet"

Zudem lobte Nehammer seinen Vorgänger Kurz, der als Bundesparteiobmann "unglaublich viel geleistet" habe. Während dessen Obmannschaft sei die ÖVP "wieder eine Volkspartei" geworden. Wichtig seien ihm die Grundwerte Verantwortung, Solidarität und Freiheit, ebenso wichtig sei ihm das Linie halten, was Asyl, Migration und Sicherheit betreffe.

Das neue Team sei ein "gutes und ambitioniertes", und es sei "mein Team", sagte er auf eine Frage zur Einflussnahme der ÖVP-Landeshauptleute. Es handle sich um Experten, die er lange kenne, aber natürlich habe man sich gemeinsam abgestimmt. Das auf Kurz hingeschneiderte Parteistatut mit starkem Durchgriffsrecht für den Bundesparteichef wird laut Nehammer bleiben, "es gibt keine Statutenänderung". Man könne nur schlagfertig arbeiten, wenn es Austausch und Kommunikation gebe, meinte er zu dieser Frage. Auf Kurz' bisher verbliebenen Kabinettschef Bernhard Bonelli und das gesamte dortige Team angesprochen, sagte der designierte Parteichef und Bundeskanzler: "Es wird auch hier Veränderungen geben und das Team verändert aufgestellt."

Parteifarbe bleibt türkis

Nicht gerüttelt wird derzeit an der türkisen Parteifarbe. Mitten in einer Pandemie sei nicht die Zeit dafür, sich über Marketingfragen Gedanken zu machen, sagte Nehammer.

Nehammer dankte Schallenberg für die "herausragende" Arbeit, von Plakolm erwartet er sich "wertvolle Unterstützung" im Kanzleramt. Polaschek bezeichnete er als würdigen Nachfolger für Faßmann, der an ihn herangetreten sei und ihm die Freiheit geben wollte, in diesem ganz wesentlichen Bereich neu zu gestalten.

Mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sei all dies besprochen, "in vertrauensvoller und enger Abstimmung". Kurz hatte zwei Monate nach dem Abgang als Bundeskanzler wegen laufender Korruptionsermittlungen am Donnerstag seinen völligen Rückzug aus der Politik angekündigt. Zudem ließ Schallenberg am Abend wissen, dass er als Kanzler abtritt, wenige Stunden später gab schließlich Finanzminister Gernot Blümel den Abschied aus der Politik bekannt.

Opposition fordert Neuwahlen, ÖVP-Länderchefs zufrieden

Die Oppositionsparteien fordern angesichts der Turbulenzen und der vielen Wechsel in den Regierungsämtern Neuwahlen. Wenig überraschend ist der Tenor unter den schwarzen Landesparteien dagegen ein durchwegs freudiger, was die Designierung von Karl Nehammer zum ÖVP- und Regierungschef anbelangt. Diese hatten dabei doch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Durch die Bank wurde Nehammer als die richtige Persönlichkeit für den Job bezeichnet. Freude herrschte auch hinsichtlich der neuen Regierungsmitglieder, denn auch hierbei wurde auf ein gewisses Gleichgewicht unter den Ländern Augenmerk gelegt. Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer gratulierte Nehammer und attestierte ihm, "mit seiner großen Regierungserfahrung bestens als Bundeskanzler geeignet" zu sein. Zudem freute sich Stelzer, dass das Regierungsteam mit Susanne Raab und Claudia Plakolm "eine starke oberösterreichische Handschrift" trage. Und mit August Wöginger als Klubobmann bleibe ein "erfahrener und erfolgreicher Repräsentant aus Oberösterreich an wesentlichen Schaltstellen der Bundespolitik". Gänzlich anders fällt freilich die Bewertung von oberösterreichs SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer aus: „Es braucht nun einen echten Neustart. Mit Verantwortlichen, die nicht Parteiinteressen und Machtgier über alles andere stellen und die das Ruder im Krisenmanagement endlich rumreißen“. Vize-Landeshauptmann und Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner sprach von "mangelndem Respekt vor den höchsten Ämtern dieser Republik, der durch die Rochaden in der Bundesregierung augenscheinlich wurde" und forderte, dass "Gräben zugeschüttet" und "Visionen entwickelt" werden. 

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