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ÖVP prescht vor: Eigene Versicherung zur Finanzierung der Pflege

24.Juni 2019

Am Sonntag preschte die ÖVP vor: In ihrem Programm steht die Einführung einer Pflegeversicherung – anders als noch im "Masterplan Pflege", der im Frühjahr abgekündigt worden war und den die damalige türkis-blaue Koalition bis Jahresende präsentieren wollte.

APA-Video: Versicherung soll Kosten übernehmen

Kurz will Unfall-Geld für Versicherung

Staat und Unfallversicherung sollen für die Kosten der von der ÖVP geplanten Pflegeversicherung aufkommen. Das gab Parteichef Sebastian Kurz in einer Pressekonferenz Montagfrüh bekannt. Weiters im Pflegekonzept der Volkspartei findet sich unter anderem ein höheres Pflegegeld bei Betreuung daheim.

Wie Kurz betonte, sei die Pflege ein zusätzliches Lebensrisiko geworden, was sich schon an den Zahlen zeige. 461.000 Personen bezögen Pflegegeld, dazu gebe es eine Million Angehörige. Daher müsse die Pflege mit einer eigenen Versicherung genauso anerkannt werden wie die anderen Bereiche Pensionen, Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Unfall.

Da nun die Zahl der Arbeitsunfälle zurückgehe und sich dieser Trend angesichts des Rückgangs körperlicher Arbeit fortsetzen werde, blieben hier Mittel übrig, die man für die Pflege einsetzen könne. Wie viel genau von der Unfall- für die Pflegeversicherung abgezogen werden soll, sagte der ÖVP-Obmann nicht. Der größere Teil der anfallenden Kosten wird wohl über das Budget abgedeckt werden.

Klar gestellt wurde von Kurz, dass es angesichts der neuen Aufgaben zu keiner weiteren Beitragssenkung in der nur von den Arbeitgebern dotierten Versicherung kommen könne. Dafür bekäme die AUVA mehr Arbeit bei Umsetzung der Pläne. Denn nach den Vorstellungen der Volkspartei soll die Pflegeversicherung organisatorisch in der Unfallversicherung untergebracht werden - geplanter Name AUPVA.

Die Umsetzung der VP-Reform würde etwa ein Jahr in Anspruch nehmen, erläuterte Seniorenbund-Obfrau Ingrid Korosec. Das Konzept enthielte dabei noch diverse andere Punkte, etwa einen Ausbau von Tageszentren oder flexiblere Modelle bei der 24-Stunden-Betreuung, wo Pflegerinnen auch für zwei oder drei Personen zuständig sein könnten.

Was das Pflegegeld angeht, soll es gemäß Korosec zu einer Erhöhung, aber auch zu einer Umschichtung kommen. Kurz versteht darunter, dass es für Pflege daheim mehr Geld geben soll. Einerseits werde die Betreuung zu Hause von den meisten Betroffenen gewünscht, andererseits sei diese für den Staat am besten (finanziell und organisatorisch) zu stemmen. Betreuende Angehörige könnten einen Teil der Pflegeleistung künftig auch persönlich beziehen.

Pflegenden Angehörigen soll das Leben auch insofern leichter gemacht werden, als man mittels eines One-Stop-Shops (beispielsweise pro Bezirk) gebündelt Informationen zu allen für Pflege relevanten Dingen erhalten sollen, wie VP-Frauenchefin Juliane Bogner-Strauß betonte. Sie kündigte auch die Etablierung einer Pflege-Hotline an. Ferner plädierte sie für einen Ausbau von Pflege-Kurzzeit-Diensten.

Schließlich will die ÖVP auch bei der Ausbildung nachschärfen. So schwebt Korosec hier die Einführung einer Pflegelehre vor. Um einem Fachkräfte-Mangel entgegenzuwirken, sollen aber auch gezielt Arbeitskräfte für den Pflegebereich in den Nachbarländern angeworben werden.

AUVA hält sich zu VP-Konzept bedeckt

In der vom ÖVP-Pflegekonzept hauptbetroffenen AUVA hält man sich bedeckt. Aus Sicht der AUVA-Führung müssten zunächst Leistungsspektrum und Finanzierung definiert und mit einem tragfähigen legistischen Konzept versehen werden. Grundsätzlich müsse der Gesetzgeber entscheiden, "welche Leistungen wir als Sozialversicherungsträger erbringen sollen", heißt es in einer Mail von Obmann Anton Ofner.

Seitens der Wirtschaftskammer wurde darauf verwiesen, dass es ungeachtet der Pflegereform zu einer spürbaren Senkung der Lohnnebenkosten kommen müsse. Aus Sicht der Wirtschaft müsse jedenfalls ein nachhaltigerer Einsatz der vorhandenen Mittel zur Unterstützung der Menschen gefunden werden sowie eine bessere Koordination, etwa wenn es darum gehe, sicherzustellen, dass die Unterstützung bei den Pflegebedürftigen ankomme.

Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter pocht darauf, dass eine Reform nicht wegen der Neuwahl auf die lange Bank geschoben wird: "Wichtig ist, dass es ein Pflegekonzept gibt, das auch nachhaltig ausfinanziert ist. Auch bei einer Pflegeversicherung stellt sich die Frage, wer das finanziert." Jedenfalls müssten pflegende Angehörige besser unterstützt werden und wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel gefunden werden.

"Absurd" findet GPA-Chefin Barbara Teiber den Ansatz, die Pflege über Mittel der AUVA zu finanzieren. Diese brauche ihre Mittel zur Top-Behandlung von Unfallopfern: "Die Zuständigkeit für Pflege zur AUVA zu schieben ist so, als würden Sie jemanden mit Bauchschmerzen zum HNO-Arzt schicken, weil der gerade Zeit hat."

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker meinte in einer Aussendung, dass eine Pflegeversicherung über die Sozialversicherung die denkbar teuerste Variante sei. Die VP-Pläne würden zum selben "Desaster" wie bei den Pensionen führen, nämlich, dass die Zuschüsse aus dem Budget jedes Jahr exorbitant steigen.

Pflege habe selbstbestimmt und flexibel vor Ort stattzufinden und müsse aus Steuermitteln finanziell abgesichert sein, erklärte Jetzt-Gesundheitssprecherin Daniela Holzinger-Vogtenhuber. Eine zusätzliche Sozialversicherung werde für alle zusätzliche finanzielle Belastungen bringen.

Skeptisch gegenüber dem ÖVP-Vorschlag einer Pflegeversicherung haben sich am Montag Vertreter von Behinderten und deren Angehörigen gezeigt. Die Einführung einer solchen Versicherung dürfe nicht dazu führen, dass die Pflegeleistung von der Höhe des Beitrags abhängt, erklärten die führenden Köpfe des Behindertenrates, der Interessensgemeinschaft Pflegender Angehöriger sowie der Behindertenanwalt.

Wie schon bei der Sozialversicherungsreform bleibe die ÖVP eine glaubwürdige konkrete Finanzierung schuldig, zeigt sich der Vorarlberger AK-Präsident Hubert Hämmerle (FCG) skeptisch. Eine Pflegeversicherung koste Milliarden, die Finanzierung sei jedoch völlig unklar, kritisierte er am Montag in einer AK-Aussendung.

Bedarf und Kosten für die Pflege werden in den nächsten Jahrzehnten deutlich steigen, das ergibt sich alleine aus der Bevölkerungsentwicklung: Im Jahr 2050 wird die Zahl der über 80-Jährigen in Österreich (derzeit rund 450.000) die Millionenmarke überschreiten, errechnete das Wifo. 2030 werden schon 636.000 Menschen über 80 sein.

Im mobilen sowie stationären Bereich werden laut Wifo schon in zehn Jahren rund 24.000 zusätzliche Pflegekräfte nötig sein (plus 39 Prozent), bis 2050 braucht es doppelt so viel Pflegepersonal.

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