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ÖVP gegen Kickl - "Wurscht auf welchem Sessel"

Von nachrichten.at/apa   14.Juli 2019

"Die FPÖ hat sich entschieden, den Weg nicht mit uns, sondern mit Kickl zu gehen - gegen uns. Wenn dieser Weg weiter verfolgt wird, ist völlig wurscht, auf welchem Sessel Kickl sitzt, das geht sich dann einfach nicht aus", sagt Wiens VP-Chef Gernot Blümel im "Kurier".

Sowohl Ex-Kanzler Sebastian Kurz als auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen haben zuletzt eine Rückkehr Kickls ins Innenministerium ausgeschlossen. Blümel führt nun auch den bei der FPÖ seit 2005 gebräuchlichen Slogan von der "sozialen Heimatpartei" gegen Kickl ins Treffen. Dieses Diktum sei ein "sozialistisch-nationalistisch angehauchtes", befindet Blümel. Außerdem stelle sich die Frage, ob die FPÖ das Ibiza-Video weiterhin als "b'soffene G'schicht" abtuen werde. "Wenn diese Linie bleibt, kann sich das nicht ausgehen."

Kickl selbst meint indessen in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" (Sonntag-Ausgabe), dass er nach der Wahl wieder Innenminister werden möchte. "Außerdem soll mir jemand erklären, warum ich zwar nicht Innen-, aber zum Beispiel Sozialminister werden könnte. Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen", so der geschäftsführende FP-Klubchef. Als Koalitionsbedingung nennt er seine Rückkehr ins Innenressort aber nicht direkt. "Koalitionsbedingung muss für uns sein, dass wir so wie in der Vergangenheit Schlüsselressorts in einer Bundesregierung besetzen. Das Innenministerium ist eines davon, denn irgendwelche Regierungs-Adabeis zu sein interessiert uns nicht", so Kickl.

Experten sehen spannende Koalitions-Frage

Gut zwei Monate vor der Nationalratswahl scheinen die Positionen der Parteien laut Umfragen weitgehend einzementiert. Der Vorsprung der ÖVP dürfte "ohne dramatische Ereignisse" nicht aufzuholen sein, sagte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier zur. Spannender für die ÖVP werde die Frage nach den Koalitions-Optionen nach der Wahl, denn realistisch scheint den Experten derzeit nur Türkis-Blau.

Die Umfragen zeigen seit Wochen einen deutlichen Vorsprung der ÖVP vor SPÖ bzw. FPÖ. In den meisten Erhebungen seit Ende Mai liegt die Volkspartei zwischen 36 und 38 Prozent. SPÖ und FPÖ liefern sich mit Respektabstand ein Match um den zweiten Platz (mit Werten zwischen 17 und 23 Prozent).

Auch die aktuellste unique research-Umfrage für das Nachrichtenmagazin "profil" bestätigt dieses Bild: Demnach würde die ÖVP auf 37 Prozent kommen, die FPÖ auf 21 und die SPÖ auf 20 Prozent. Die Grünen werden mit elf Prozent ausgewiesen, die Neos mit neun Prozent. Die Liste Jetzt würde die für den Einzug in den Nationalrat notwendige Vier-Prozent-Hürde (mit ein bis zwei Prozent) klar verpassen.

Ein Sieg der ÖVP scheint laut dem Politologen Peter Filzmaier aus derzeitiger Sicht eine recht klare Sache zu sein, sollten keine "dramatisch negativen Ereignisse" eintreten. "Die surfen ganz stabil dahin", sagte auch Meinungsforscher Peter Hajek (unique research/Public Opinion Strategies). Daran dürfte laut Hajek auch die jüngste Debatte um die Parteienfinanzierung kaum etwas ändern. Denn die Wähler hätten in dieser Frage wohl ohnehin ein eher negatives Bild von allen Parteien. Daher ergebe sich für keinen Mitbewerber ein Vor- oder Nachteil.

Die ÖVP müsse sich weniger Gedanken um ihre Performance am Wahltag (29. September) machen, sondern vielmehr um das "Danach", so Filzmaier. Denn sichere Mehrheiten habe die ÖVP nur mit FPÖ oder SPÖ. Und von beiden Parteien habe sich die Volkspartei unter Sebastian Kurz in den letzten zwei Jahren "scheiden" lassen. Eine Alternative wäre vermutlich nur eine "Dreierbeziehung" mit Grünen und Neos, sagte der Politologe. Doch das wäre "kompliziert", ganz abgesehen von den inhaltlichen Hürden.

Auf andere Zweierkoalitionen (mit Grünen oder Neos) könne die ÖVP angesichts der Umfragewerte nicht wirklich setzen, so Filzmaier. Und eine Minderheitsregierung, wie sie auch von Kurz selbst ins Spiel gebracht wurde, hält der Politikwissenschaftler für eher ausgeschlossen: "Warum sollte eine andere Partei das stützen?" Für Hajek wäre derartiges für die ÖVP nur dann eine eventuelle Option, sollte sich eine erneute Zusammenarbeit mit der FPÖ als sehr schwierig erweisen. Er könne sich aber "nicht vorstellen, woran eine ÖVP-FPÖ-Koalition scheitern sollte", sofern die "Personalie" Herbert Kickl besprochen ist, sagte Hajek.

Für die SPÖ geht es laut Filzmaier "zunehmend um Schadensbegrenzung". Die Partei werde es jedenfalls sehr schwer haben, an ihr Wahlergebnis von 2017 (29,6 Prozent) wieder heranzukommen, ergänzte Hajek. Er verwies auch auf die eher mauen Werte der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner in der Kanzlerfrage (mit aktuell Platz drei noch hinter FPÖ-Chef Norbert Hofer).

Dazu komme bei der SPÖ noch eine gewisse "Perspektivenlosigkeit" für die Zeit nach der Wahl, so Filzmaier: "Es gibt kaum Szenarien, in denen die SPÖ wieder regieren könnte. Die einzige Variante ist, dies als Juniorpartner der ÖVP zu tun. Das hat aber eine Attraktivität gegen Null." Auch Kurz dürfte wenig Interesse an einer ÖVP-SPÖ-Koalition haben, so die Experten.

Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ wiederum habe ja Rendi-Wagner bereits klar ausgeschlossen. Außerdem sei fraglich, ob Rot-Blau nach der Wahl überhaupt eine Mehrheit hätte. Und Hoffnungen auf eine Dreier-Variante mit Grünen und Neos könne sich die SPÖ angesichts der Umfragen kaum machen. Filzmaier verwies auch auf den für die SPÖ zu erwartenden Wähler-Rückfluss in Richtung Grüne. 2017 hatten die Sozialdemokraten ja massiv Stimmen von der Öko-Partei abgezogen.

Für die FPÖ werde es laut Filzmaier wohl darum gehen, trotz angriffigem Wahlkampfes auch die Regierungsfähigkeit zu behalten. Die Partei müsse aufpassen, mit sehr rechten Aussagen den Bogen nicht zu überspannen, um nach der Wahl für Kurz noch eine Option zu sein. Trotz des Ibiza-Skandals halte sich die FPÖ in den Umfragen "sehr stabil", meinte Hajek.

Gute Wahlkampfchancen räumt Filzmaier den Grünen und Neos ein. Die Öko-Partei würde von der "Renaissance des Umweltthemas" profitieren, auch ortet Filzmaier eine "zunehmende Wiedergewinnung des Kontrollthemas", zuletzt in der Debatte um die Parteifinanzen. In diesem Punkt sieht er mögliche Nachteile für die Neos, angesichts ihrer Großspenden.

Wenig Chancen geben Filzmaier und Hajek der Liste Jetzt. Die Liste selbst wie auch Parteichefin Maria Stern leiden unter geringer Bekanntheit, so Filzmaier. Und die einzige Person mit Bekanntheitsgrad - Listengründer Peter Pilz - habe seit den Vorwürfen der sexuellen Belästigung aus dem Jahr 2017 ein ramponiertes Image. Einzige Chance von Jetzt seien die TV-Konfrontationen, sagte er.

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19. April 2024