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Österreich ist frei – von Rauch in Lokalen

02.November 2019

Die einen ließen kurz vor Mitternacht die Kellner eher diskret alle Aschenbecher einsammeln, andere zelebrierten in der Nacht auf Freitag mit ihren Gästen den Countdown zur "letzten Tschick" – und in manchen Lokalen drückte man in der Halloween-Nacht noch einmal ein Auge zu: Mit Anbruch des gestrigen Tages war es nach 25-jähriger Diskussion aber vorbei mit legalem Rauchen in Gastronomiebetrieben.

Rauchverbot

Geraucht werden darf nur noch draußen – eine Forderung nach rauchfreien Schanigärten will auch "Don’t smoke"-Mitinitiator Paul Sevelda, Präsident der Krebshilfe, vorerst nicht stellen.

In Wien, wo besonders viele Nachtschwärmer unterwegs waren, verzichtete das Marktamt entgegen Ankündigungen noch auf Kontrollen. "Wir haben uns gedacht, die Leute sollen ruhig noch Halloween feiern", erklärte der Sprecher des Marktamts, Alexander Hengl. Auch in Oberösterreich und in den anderen Bundesländern gab es keine "Aktion scharf".

In Oberösterreich will man generell erst auf Anrainerbeschwerde tätig werden. Durchaus auf Strenge setzt dagegen Wien: Seit gestern Mittag ist eine zwölfköpfige Truppe quer durch die Bundeshauptstadt unterwegs. "Wir überprüfen, ob die Rauchverbotskennzeichnung angebracht ist, ob Aschenbecher aufgestellt sind, ob Leute drinnen rauchen", so Hengl.

Die Strafen sind jedenfalls ab der Stunde null fällig: Beim ersten Verstoß 800 Euro, die Höchststrafe beträgt 10.000 Euro. Auch Gäste können belangt werden: Für die erste Zigarette im Lokal mit 100 Euro Strafe, im Wiederholungsfall mit bis zu 1000 Euro.

Positive Gesundheitseffekte

Rasche Auswirkungen sind Experten zufolge auf die Gesundheit der Österreicher zu erwarten: Wie internationale Studien zeigen, verringert sich durch eine rauchfreie Gastronomie die Zahl der Herzinfarkte um durchschnittlich 15 Prozent, die Zahl der Schlaganfälle sinkt um 16 Prozent und jene der Lungenentzündungen sogar fast um ein Viertel. Innerhalb einer Woche bedeutet das 623 Spitalsaufenthalte weniger.

Unumstritten ist das Rauchverbot dennoch nicht. Während SPÖ und Neos das Inkrafttreten gestern ausdrücklich lobten und auch die Initiatoren des "Don’t smoke"-Volksbegehrens auf Facebook über ein "endlich rauchfreies" Österreich jubelten, sprach Wirtschaftskammer-Vizepräsident Matthias Krenn (FP) von einem "Todesstoß für die heimische Gastronomie". Lokalbetreiber seien gegenüber Ämtern, Krankenhäusern und Flughäfen, wo abgetrennte Raucherbereiche weiterhin erlaubt sind, benachteiligt, so Krenn, der pikanterweise auch Obmann der neuen Österreichischen Gesundheitskasse ist. Beendet ist die Diskussion ohnehin noch nicht: Zwar hat der Verfassungsgerichtshof eine Klage von Nachtlokalbetreibern gegen das Verbot bereits abgewiesen, offen ist aber die Entscheidung über eine Klage von Shisha-Bar-Betreibern.

> Video: Rauchverbot in der Gastronomie in Kraft

Auch der Lärmschutz von Anrainern durch draußen rauchende Gäste könnte künftig Anlass für Ärger sein, verantwortlich sind Lokalbetreiber. Vorsicht ist für sie beim Umbau zu witterungs- und lärmgeschützten Zonen im Freien geboten – diese könnten nämlich rasch wieder als Innenbereich gelten, samt Rauchverbot. (jabü/rg)

Fakten

  • Jeder siebente Jugendliche raucht: Jugendliche beginnen in Österreich durchschnittlich mit dem 14. Lebensjahr zu rauchen. Mit einem Anteil von 14,5 Prozent liegt Österreich bei den Jugendlichen weit über dem OECD-Durchschnitt.
  • 200.000 Mitarbeiter sind vom Rauchen betroffen
  • 76 Prozent rauchen nicht
  • Hoher Raucheranteil: Im EU-Schnitt rauchen etwa 18 Prozent aller Menschen ab dem 15. Lebensjahr. In Österreich liegt dieser Wert bei 24 Prozent. Bei den Frauen ist Österreich europaweit sogar die Nummer 1, was das Rauchen betrifft.
  • 1,8 Millionen Österreicher rauchen
  • 10 Milliarden Zigarettenstummel - Belastung für die Umwelt: Schädlich sind die Zigaretten auch, wenn sie geraucht sind. Die Stummel bestehen zum Großteil aus dem Kunststoff Celluloseacetat. Laut Experten kann es bis zu zehn Jahre dauern, bis sich ein Filter vollständig zersetzt hat.

Nachgefragt

Das sagen oberösterreichische Wirtinnen und Wirte zum Rauchverbot: Die Stimmungspalette ist breit, sie reicht von Furcht über Erleichterung bis zum Chaos, wenn die Raucher vor dem Lokal stehen.

„Es ist schräg, dass die Politik mir diese Entscheidung aufzwingt. Ich fürchte, dass sich das Bargeschäft reduziert und ich ein bis zwei Servicemitarbeiter weniger brauchen werde.“ 
Harald Katzmayr, Geschäftsführer Pianino Linz

„Wir haben lange überlegt, was wir tun sollen. Aber die Zeit für das Rauchverbot in der Gastronomie ist reif, auch bei den meisten jungen Leuten ist das Rauchen out.“
Florian Wisata, Inhaber Bar Hemingway Ried/I., seit April 2019 rauchfrei

„Ich bin froh, dass endlich Klarheit herrscht, und wir sind alle froh, dass es nun aus ist. Es ist für uns nicht unangenehm, weil bei uns der Schwerpunkt ohnehin auf Essen liegt.“
Wolfgang Jäger, Chef des Innenstadtlokals „Ins Haas“, Wels

„Grundsätzlich ist das Rauchverbot nicht schlecht, solange es nicht wieder Ausnahmen gibt. Unfair ist, dass wir Wirte nun für den Lärm vor unseren Lokalen verantwortlich sein sollen.“
Michael Oberngruber, Café-Betreiber in Rohrbach-Berg

„Für die Gäste ist es schade, dass sie im Lokal nicht mehr rauchen dürfen. Es wird ein Chaos werden, wenn die Raucher draußen stehen und keiner weiß, welche Plätze besetzt sind.“
Antonio Valdés, Inhaber des Cafe Valdés Linz

„Das Problem wird sein, wenn in den Ballungszentren vor den Cafés oder Pubs die Raucher auf den Gehsteigen stehen werden. Das kann mit Anrainern sicher zu Konflikten führen.“
Andreas Hammerle, Chef der Zenz’n-Stub’n in Schörfling am Attersee

„Nun gibt es endlich Chancengleichheit für alle. Viele argumentieren mit persönlicher Freiheit für das Rauchen. Aber das ist ein Blödsinn. Die hört auf, wo andere betroffen sind.“
Eugen Slapak, Chef Bar „Red Rooster“, Steyr, rauchfrei seit 2 Jahren

> Wie ist Ihre Meinung? Stimmen Sie ab! 

Chronologie

  • 12. August 2004: Seit 1994 hatte es etliche Anläufe gegeben, nun soll eine freiwillige Selbstverpflichtung für Raucherzonen in der Gastronomie kommen. 30 Prozent der Speiselokale sollten bis Ende 2004 rauchfrei sein.
  • 18. April 2007: Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (VP) kündigt ein Gesetz zur räumlichen Trennung von Rauchern und Nichtrauchern an.
  • 30. April 2008: Das Kabinett Alfred Gusenbauer (SP) präsentiert ein Rauchverbot in der Gastronomie, mit Ausnahmen für abgeschlossene Räume und Kleinbetriebe.
  • 1. Jänner 2009: Das teilweise Rauchverbot tritt in Kraft. Kleine Gaststätten und jene, die für die Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereich Umbauten durchführen müssen, bekommen eine Übergangsfrist.
  • 30. Juni 2010: Die Übergangsfrist ist vorbei. Rauchen ist in Speiselokalen nur noch bei einer Maximalfläche von 50 Quadratmetern erlaubt, oder in eigenen Raucherzimmern.
  • 10. April 2015: Die SP-VP-Regierung kündigt ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018 an.
  • Oktober 2017: Nach dem Bruch der rot-schwarzen Koalition verspricht die FPÖ vor der Nationalratswahl, das Rauchverbot zu verhindern.
  • 11. Dezember 2017: ÖVP und FPÖ einigen sich in den Koalitionsverhandlungen, das Rauchverbot nicht umzusetzen.
  • 2. Februar 2018: Die Ärztekammer startet die Initiative für das „Don’t smoke“-Volksbegehren, das letztlich 881.692 Unterstützer findet.
  • 2. Juli 2019: Nach dem Platzen der FP-VP-Regierung hat die ÖVP eingelenkt, alle Parlamentsparteien bis auf die FPÖ beschließen im Nationalrat ein generelles Rauchverbot für die Gastronomie.
  • 1. November 2019: Das generelle Rauchverbot tritt in Kraft.
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28. März 2024