Neustart mit Doskozil oder Babler? Der rote Schicksalstag in Linz

WIEN / LINZ. Wer wird der elfte Parteivorsitzende der SPÖ? Delegierte entscheiden heute am Parteitag in Linz
Wer soll die SPÖ als Vorsitzender aus ihrer Sinnkrise und als Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl wieder Richtung Regierungsverantwortung führen – der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil oder der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler?
Heute ab 10 Uhr widmet sich ein außerordentlicher Bundesparteitag diesen Schicksalsfragen für die größte Oppositionspartei. Nicht zum ersten Mal ist das Linzer Design Center Schauplatz eines für Österreichs Innenpolitik prägenden Parteitags (siehe Ausgliederung). Am Ende wird eine Kampfabstimmung die Antworten liefern. 609 Delegierte sind zugelassen. Sicher ist, dass mit Pamela Rendi-Wagner die prominenteste fehlen wird. Die scheidende Vorsitzende, die der Politik den Rücken kehrt, will das Duell aus der Ferne verfolgen.
Reden zum Auftakt
In der vorangegangenen Mitgliederbefragung hatte Doskozil knapp die Nase vorn. Mit 33,7 Prozent erreichte er vor Babler (31,5 Prozent) Platz eins. Am Parteitag gilt als mitentscheidend, wie sich die bisher dem Lager von Rendi-Wagner zugehörigen Delegierten orientieren werden.
Nach Eröffnung und Konstituierung erhalten Doskozil und Babler zum Auftakt die Gelegenheit, in jeweils 45-minütigen Reden für sich und ihr Programm zu werben. Den Anfang macht nach Losentscheid Doskozil. Danach hat jeder Delegierte die Möglichkeit, für eine maximal dreiminütige Wortmeldung ans Rednerpult zu treten. Angesichts der seit Wochen aufgeheizten Stimmung zwischen den Lagern sind stundenlange Debatten nicht auszuschließen.
Im "Wahlkampf" haben sich sieben SP-Landeschefs vor allem unter Berufung auf den Ausgang der Mitgliederbefragung mehr oder weniger deutlich für Doskozil ausgesprochen. Die Spitzen von Gewerkschaft und Wiener SPÖ, die davor noch Rendi-Wagner unterstützt hatten, bleiben nun in Deckung. Womit tatsächlich die Dynamik am Parteitag den Ausschlag geben könnte.
Für die abschließende Abstimmung sieht das Parteistatut klare Regeln vor: Wer mehr gültige Delegiertenstimmen hat, gewinnt. Bei einem Patt gibt es einen weiteren Wahlgang. Nur wenn dieser wieder zur Stimmengleichheit führt, entscheidet das Los.

Kreisky gegen Czettel
Ob sich nun Doskozil oder Babler durchsetzt – es ist nicht die erste Kampfabstimmung in der Parteigeschichte. 1967 hat die Ära von Bruno Kreisky, der sich gegen Hans Czettel mit dem Sieg in einem derartigen Duell durchgesetzt hat, begonnen.
Nach der Präsentation des Wahlergebnisses ist der Sieger erneut am Wort, um dann als elfter Parteivorsitzender seine Schlussworte an die SP-Delegierten zu richten, ehe wie üblich mit "Lied der Arbeit" und "Internationaler" der Parteitag abgeschlossen wird.

Rotes Duell: Wer sich in Linz gegenübersteht

Rendis Gegenspieler will die Hauptrolle
- Name: Hans Peter Doskozil (52)
- Familienstand: verheiratet, zwei Kinder
- Ausbildung: Polizist, Studium "Rechtswissenschaften" an der Universität Wien
- Aufstieg: Doskozil trat nach der Matura der Polizei bei, studierte berufsbegleitend Jus und arbeitete sich bis zum Landespolizeidirektor im Burgenland hoch. Zwischenzeitlich war er Büroleiter des damaligen Landeshauptmanns Hans Niessl. Ins Rampenlicht rückte Doskozil während der Flüchtlingskrise 2015. Der damalige Kanzler Werner Faymann wurde auf ihn aufmerksam und holte ihn als Verteidigungsminister in die Regierung.
- Funktion: seit 2019 burgenländischer Landeshauptmann, 2017 bis 2019 Landesrat, zuvor Verteidigungsminister
- Inhalte: Doskozils anhaltende Kritik an der nun scheidenden Parteichefin Pamela Rendi-Wagner hatte zum Mitgliedervotum und dem nunmehrigen Parteitag geführt. Er steht in der SPÖ unter anderem für einen Mindestlohn von 2000 Euro netto und für einen strengeren Kurs in Asylthemen.
- Unterstützer: Einer von Doskozils prominentesten Unterstützern ist Ex-Bundeskanzler Christian Kern. Auch aus Oberösterreich erhält er viel Zustimmung: Landes-Chef Michael Lindner, der Linzer Bürgermeister Klaus Luger und der Dritte Landtagspräsident Peter Binder wollen Doskozil.

Vom Provinz-Bürgermeister zum Bundeskanzler?
- Name: Andreas Babler (50)
- Familienstand: verheiratet, ein Kind
- Ausbildung: Maschinenschlosser, Studium "Politische Kommunikation" an der Donau-Uni in Krems
- Aufstieg: Babler wuchs in Traiskirchen auf, arbeitete nach der Matura als Maschinenschlosser und später als Schichtarbeiter. Er engagierte sich in der Sozialistischen Jugend, wurde Gemeinderat, Stadtrat und schließlich im April 2014 Bürgermeister von Traiskirchen. Hier steht Österreichs größtes Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge. Mit seinem flüchtlingsfreundlichen Kurs hat Babler kommunalpolitisch Erfolg. 73,1 Prozent holte er bei der Gemeinderatswahl 2015, 71,5 Prozent waren es 2020.
- Funktion: seit heuer Bundesrat, seit 2014 Bürgermeister von Traiskirchen, zuvor Stadt- und Gemeinderat
- Inhalte: Babler repräsentiert den linken Flügel der Partei und inszeniert sich mit legerer Kleidung und als Fußball-Fan von St. Pauli als „einer von vielen“. Er legt einen seiner Schwerpunkte auf eine Verkürzung der Arbeitszeit. Das und Migrationsthemen unterscheiden ihn von Doskozil.
- Unterstützer: In Oberösterreich zählen Ex-SP-Landeschefin Birgit Gerstorfer oder Ex-EU-Mandatar Josef Weidenholzer zu seinen Unterstützern.

Der Parteitag live
Der Sonderparteitag der SPÖ im Linzer Design Center beginnt heute um zehn Uhr. Wir berichten darüber via Liveblog und via Stream auf nachrichten.at. Dazu gibt es laufend Analysen und Einschätzungen des Politik-Ressorts in Wort und Bild. Auf ORF III analysiert Christoph Kotanko die Reden von Doskozil und Babler
