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Brigitte Bierlein wird erste Bundeskanzlerin

Von nachrichten.at/apa   30.Mai 2019

Weniger der Name Brigitte Bierlein kam überraschend als der Zeitpunkt, hatte man doch erst am Freitag mit der Designierung einer neuen Regierungschefin gerechnet. Doch lud der Präsident am Feiertag-Vormittag die Chefs der drei größten Parteien zu sich und es oblag dann dem designierten FPÖ-Obmann Norbert Hofer zu verkünden, dass demnächst weißer Rauch aufsteigen würde. Telefonate des Präsidenten mit NEOS und Liste Pilz folgten und um 15 Uhr trat Van der Bellen dann vor die Öffentlichkeit, um das zu verkünden, was ohnehin schon eine Stunde davor durchgesickert war.

An seiner Seite stand die Höchstrichterin und der Präsident frohlockte: Bierlein sei einmal als "stets die erste" charakterisiert worden. "Sie wird wieder die erste sein, nämlich die erste Bundeskanzlerin der Republik Österreich."

>>> Brigitte Bierlein im Portrait

Er habe ein Person gesucht, die über umfassendes Wissen verfüge und von der der sorgfältigste Umgang mit der Bundesverfassung zu erwarten sei - eine Persönlichkeit, die in den kommenden Monaten die Geschicke der Republik nach innen und außen lenken könne. "Und wer wäre dafür besser geeignet als die oberste Hüterin der österreichischen Bundesverfassung?", fragte Van der Bellen wohl mehr rhetorisch.

Weil sie schon da war, beauftragte Van der Bellen Bierlein auch gleich mit der Regierungsbildung. Wie lange diese braucht, war vorerst unklar, aber zwei Namen nannte die designierte Kanzlerin bereits. Clemens Jabloner, über zwei Jahrzehnte Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, wird nicht nur Justizminister sondern auch Vizekanzler. Sehr überraschend ist hingegen, dass der Karriere-Diplomat Alexander Schallenberg das Außenressort übernimmt. Zwar gibt es keinerlei Zweifel an seiner Expertise, doch gilt er seit vielen Jahren als enger Vertrauter des abgewählten Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP).

Video: Die Erklärung von Alexander Van der Bellen zum Nachsehen.

Übrige Namen spätestens am Montag

Die übrigen Ministernamen dürfte es spätestens am Montag geben. Es solle sich um "erfahrene Beamte mit ausgezeichnetem Expertenwissen" handeln, betonte Van der Bellen. Dass es auch für eine Höchstgerichts-Präsidentin keine alltägliche Sache ist, zur ersten Kanzlerin eines Landes zu werden, machte Bierlein in einem kurzen Statement klar. Als der Bundespräsident sie gefragt habe, sei sie zunächst sprachlos gewesen und habe sich einige Stunden Bedenkzeit erbeten. Dann sei sie zum dem Schluss gelangt, "zum Wohl der Republik Österreich diese doch sehr verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen". Ihre Agenden im VfGH übernimmt ihr Vize Christoph Grabenwarter.

Lob der Parteien für Bierlein

Angesichts der Absprache Van der Bellens mit den Parteien war deren positive Reaktion wenig überraschend. VP-Chef Kurz sicherte zu, dass seine Partei Bierlein, eine "außerordentlich kompetente, erfahrene und integre Persönlichkeit", best möglich unterstützen werde.

Dies sicherten auch die anderen Parteien zu, wobei sich SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger besonders freuten, dass erstmals eine Frau zur Regierungschefin aufsteigt. Darauf wiesen auch JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann und Grünen-Chef Werner Kogler in ihren Würdigungen hin. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl kündigte eine gute Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene mit der neuen Bundeskanzlerin an.

Außenminister mit Mühlviertler Wurzeln

Den Politzirkus kennt Alexander Schallenberg nur zu gut. Ins Außenamt kam der Diplomat adeliger Herkunft bereits vor mehr als 20 Jahren. Mit dem Aufstieg von Sebastian Kurz (ÖVP) ins Bundeskanzleramt gelang dem langjährigen Pressesprecher mehrerer Außenminister auch sein größter Karrieresprung. Zuletzt leitete Schallenberg die EU-Koordinationssektion im Bundeskanzleramt.

Die Diplomatie wurde Schallenberg quasi in die Wiege gelegt. 1969 in Bern als Sohn des Botschafters und späteren Generalsekretärs im Außenministerium (1992 bis 1996), Wolfgang Schallenberg, geboren, wuchs er in Indien, Spanien und Frankreich auf. Von 1989 bis 1994 studierte er Rechtswissenschaften in Wien und Paris, danach Europäisches Recht am Europacollege im belgischen Brügge.

Nach Belgien führte ihn auch sein erster Auslandsposten - an die österreichische EU-Vertretung in Brüssel, wo er fünf Jahre lang die Rechtsabteilung leitete. Zurück in Österreich machte sich Schallenberg als Pressesprecher der früheren Außenministerin Ursula Plassnik sowie später deren Nachfolger Michael Spindelegger (beide ÖVP) einen Namen.

Als Kurz die Agenden des Außenministers übernahm, beförderte er den Kommunikationsprofi mit Mühlviertler Wurzeln zum Leiter für "strategische außenpolitische Planung". Auch in den Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl 2017 zählte Kurz auf seinen "Initimus", wie Schallenberg in Medien genannt wurde. Selten habe er einen so talentierteren Minister erlebt, streute Schallenberg im Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Kurz als Außenminister Rosen.

So folgte der ausgewiesene Europaexperte Kurz auch ins Bundeskanzleramt, wo er während der türkis-blauen Regierungszeit die Stabsstelle Strategie und Planung leitete. Nun wird der vierfache Vater Außenminister unter der ersten Bundeskanzlerin des Landes, Brigitte Bierlein.

>>> Lesen Sie dazu auch: EU-Präsidentschaft: Bergführer auf verschlungenen Wegen zum Gipfel

VfGH tagt wie geplant

Der Wechsel an der Spitze des VfGH wird die Arbeit am Verfassungsgerichtshof nicht beeinträchtigen. Die Beratungen im Rahmen der Juni-Session finden wie geplant statt, teilte das Höchstgericht mit. Die Session beginnt am 11. Juni, für die Beratungen sind wie üblich rund drei Wochen veranschlagt.

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Gespräche mit Chefs von ÖVP, SPÖ und FPÖ

Die Suche nach einer Übergangsregierung läuft seit Tagen auf Hochtouren. Van der Bellen führte bereits am Dienstag und damit am Tag der Angelobung der von Hartwig Löger (ÖVP) angeführten Interimsregierung erste Gespräche mit Vertretern aller Parteien. Erklärtes Ziel Van der Bellens ist es, noch in dieser Woche eine Übergangsregierung zu finden, die eine möglichst breite Unterstützung im Nationalrat hat. Ein Durchbruch zeichnete sich schließlich am Donnerstagvormittag nach Einzelgesprächen von Van der Bellen mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und dem designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer ab.

Konkret sagte Hofer beim Verlassen der Hofburg, dass man sich „auf einen Namen verständigt“ habe. Bereits zuvor berichtete Kurz von einer sehr guten Unterredung, bei der es auch um Namen gegangen sei – über welche, ließen mit Verweis auf das hier vereinbarte Stillschweigen Kurz, Rendi-Wagner und auch Hofer nach ihren Gesprächen mit Van der Bellen offen.

Rendi-Wagner: "In der Zielgeraden"

So wie Rendi-Wagner deutete schließlich auch Hofer eine baldige Präsentation an. Es handle sich um eine nicht unbekannte Person, wenn auch einer breiten Öffentlichkeit vielleicht nicht bekannt, wie der FPÖ-Chef dazu noch sagte. Auch Hofer sprach von „einem Bundeskanzler oder einer Bundeskanzlerin“, der oder die demnächst präsentiert würde, noch nicht aber das weitere Kabinett. Dieses werde erst später „festgezurrt“. Nach Hofers Interpretation soll hier wohl der neue Regierungschef bereits mitreden können. Diversen Medienberichten zufolge sei aus diesem Grund auch nicht vor Montag mit einer Angelobung zu rechnen.

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