Lehrermangel: Was die Ausbildung und den Beruf unattraktiv macht
LINZ. Hunderte Lehrer fehlen an den oberösterreichischen Mittelschulen. Woran es krankt und welche hausgemachten Faktoren dazukommen, haben die OÖN zusammengetragen.
Erst jüngst wurde an der Ausbildungsschraube gedreht. So hat der Nationalrat im April eine Novelle für die Ausbildung beschlossen, ein Herzstück davon ist das verkürzte Studium für Lehrer der Sekundarstufe (u. a. AHS und Mittelschule). Ab 2026/27 dauert die Ausbildung für Lehrer höherer Schulen fünf Jahre (drei Jahre Bachelor plus zwei Jahre Master), aktuell sind es sechs Jahre.
Die Ausbildung: Ein nicht zu unterschätzender Faktor in Oberösterreich ist die Pendelproblematik. Wer in Oberösterreich ein Lehramt Deutsch, Englisch, Geografie oder Bewegung und Sport studiert, muss gewisse Lehrveranstaltungen in Salzburg besuchen, weil diese in Linz nicht angeboten werden. Angesichts häufiger Überschneidung mit anderen Lehrveranstaltungen, der verlorenen Zeit sowie einer finanziellen Belastung spricht Michael Fürthaller, Vorsitzender der Hochschülerschaft (ÖH) der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, von einer "ungünstigen Situation, die das Studium nicht wirklich attraktiver macht". Mit dem Lösungsvorschlag, betroffene Kurse via Online Learning anzubieten, stoße man auf taube Ohren. "Die Universität Salzburg gibt bei dem Thema keinen Zentimeter nach", sagt Fürthaller. "Viele Lehramtsstudierende sind bereits an einer Schule tätig. Für diese Gruppe stellt das Pendeln eine Herausforderung dar", bestätigt Bildungsdirektor Alfred Klampfer.
Und auch die Unsicherheit aufgrund der zahlreichen Ausbildungsreformen halte junge Menschen davon ab, Lehramt zu inskribieren, sagt Fürthaller: "Zuerst wurde verlängert, jetzt wird verkürzt. Und im Herbst kommt eine neue Regierung, die vielleicht erneut gänzlich andere Pläne hat."
Der Schulalltag: Auch der Arbeitsplatz Schule hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die Schülergruppen wurden multikultureller. Als besonderen Stress verursachend werde vom Lehrpersonal der hohe Organisationsaufwand genannt, gefolgt von den vielen Korrekturtätigkeiten, zitiert Christoph Helm, Leiter der Abteilung für Bildungsforschung an der Johannes Kepler Universität, die jüngste internationale Talis-Umfrage. Auch die fehlende Schülermotivation und störendes Unterrichtsverhalten würden als belastend empfunden.
In puncto Administration hat der Bund, wie berichtet, Entlastungen angekündigt. 99 administrative Assistenzkräfte nennt das Bildungsressort für die heimischen Mittelschulen, das sind 17 mehr als noch vor einem Jahr. Diese Unterstützungskräfte gibt es erst seit dem Schuljahr 2021/22. Potenzial sieht Helm hier – genauso wie bei der Reduktion von Korrekturtätigkeiten – durch Künstliche-Intelligenz-Anwendungen.
Pensionierungen und Nachwuchs: In Oberösterreich rechnet das Bildungsressort in den nächsten fünf Jahren mit 1560 Pensionierungen – nur in den wichtigsten Fächern (darunter Deutsch, Mathematik und Englisch). 6000 Mittelschullehrer unterrichten aktuell in der 4. bis 8. Schulstufe.
"Die Gewinnung von neuen Lehrkräften ist uns ein großes Anliegen", betont Klampfer. Die Bildungsdirektion unterstütze die vom Bundesministerium 2022 angestoßene Offensive "Klasse Job". Seit heuer läuft eine eigene Kampagne: "Zukunft gestalten. Lehrer werden. Wir werben um Dich". Sie wendet sich an junge Menschen und Quereinsteiger.
Die Quereinsteiger: Helfen, die Lücke beim Lehrpersonal zu schließen, sollen Quereinsteiger. 97 sind laut Bildungsdirektion derzeit in oberösterreichischen Schulen beschäftigt, für das Schuljahr 2024/25 wurden bereits 34 angestellt. Die Drop-out-Quote ist niedrig: Seit Beginn des Schuljahres 2023/24 gab es in dieser Gruppe drei Abgänge aus dem Schuldienst. Die Rückmeldungen aus den Schulen seien positiv. Die Quereinsteiger würden zwar berichten, dass das Unterrichten eine beachtliche Herausforderung darstelle, betonten jedoch, dass sie umfassende Unterstützung von den Schulen erhalten würden, berichtet Klampfer.
Das Image: Um den Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen, müsse man den Lehrern die Ressourcen zugestehen, damit sie sich mit den eigentlichen Themen des Unterrichtens beschäftigen könnten. Multiprofessionelle Teams mit Schulpsychologen und Co., administratives Unterstützungspersonal würden hier genauso hineinspielen wie die finanziellen Mittel und die Infrastruktur in den Schulen. Teils sind die Gebäude, wie von den OÖN mehrfach berichtet, sanierungsbedürftig – verschärft wird die Situation zudem dadurch, dass die Gemeinden als Schulerhalter die Projekte aufgrund ihrer finanziell prekären Lage verschieben.
Für den AHS-Gewerkschafter Werner Hittenberger entscheidet das gesellschaftliche Ansehen des Lehrberufs auch über die Attraktivität: "Das Lehrerbild ist hierzulande negativ besetzt, viele junge Menschen wollen auch deshalb nicht mehr beruflich im Klassenzimmer tätig werden." Gänzlich anders sei das laut Hittenberger etwa in Skandinavien, wo erkannt wurde, "dass der Lehrberuf gesellschaftsprägend ist". (fep/jp/sib)
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