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Bundespräsident Van der Bellen hat Innenminister Kickl entlassen

Von nachrichten.at/apa   21.Mai 2019

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wendete sich um 19:45 Uhr in einer Rede zur aktuellen politischen Lage direkt an die österreichische Bevölkerung:

In der im ORF am Abend live übertragenen Rede in der Wiener Hofburg sagte der Bundespräsident, er verstehe, man habe auf dem am Freitag publik gewordenen Video (das Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus in Ibiza zeigt) ein "Sittenbild gesehen, dass uns alle zutiefst verletzt" habe. Er verstehe, wenn Bürger aufgrund der Geschehnisse sagen, "es sind eh alle gleich, typisch Politik". "Ich verstehe das, wenn man in einer ersten Reaktion so reagiert."

Aber er bitte alle Österreicher, genauer hinzusehen. Politiker seien dazu gewählt, anständig zu entscheiden, was korrekt ist, so Van der Bellen - und sie sollten Vorbild sein, nicht nur vor den Kameras. "Wir alle sollten in diesem Sinn danach streben, Vorbild zu sein", sagte er. "Die meisten Politiker in diesem Land tun das auch. Ich bin überzeugt, niemand geht in die Politik, um Grenzen zu verletzen." Politiker wollten vielmehr das Leben aller verbessern und würden diesem Ziel auch sehr viel unterordnen - "im Privatleben und in anderen Bereichen".

"Manchmal kommen sie von ihrem Weg ab, überschreiten Grenzen, verletzen Menschen, zerstören Vertrauen", so der Präsident. "In diesem Sinne entschuldige ich mich für das Bild, das die Politik hinterlassen hat."

Van der Bellen gab erneut zu verstehen, dass das im Video gezeigt Bild nicht verallgemeinert werden dürfe: "So sind wir nicht, so ist Österreich einfach nicht, aber das müssen wir alle gemeinsam beweisen. Den Politikern wird dabei eine besondere Rolle zukommen", betonte er. Der Präsident verwies auch auf die wirtschaftlichen Konsequenzen, die ein beschädigtes Bild Österreichs im Ausland haben könnte. "Hier kann es um Zehntausende Arbeitsplätze gehen. Mit dieser Verantwortung spielt man nicht", sagte er.

Es gehe nun darum, "das Bild Österreichs wieder herzustellen". "Vertrauen aufbauen, das wird nur gemeinsam gehen". Er appelliere "an alle Verantwortungsträger in diesem Land", auch an die Politiker, Verantwortung zu tragen: "Denken Sie, was sie für Österreich tun können. Fragen Sie nicht, hilft es mir für die Wahl, sondern fragen Sie: Hilft es Österreich. Hilft es uns im Inneren, stärkt es unsere Glaubwürdigkeit in der Welt."

Zum Schluss richtete er einen weiteren Appell an die Bürger: "Liebe Österreicher und Österreicherinnen: Ich bitte Sie, wenden Sie sich nicht angewidert von der Politik ab (...) Und übrigens: Vergessen Sie nicht, am kommenden Sonntag zur Wahl zu gehen. Nur Mut und etwas Zuversicht, wir kriegen das schon hin. Wir haben es in der Vergangenheit auch schon geschafft, das ist ja etwas typisch Österreichisches."

Die Rede des Bundespräsidenten im Wortlaut:

Ex-OGH-Präsident Eckart Ratz soll Innenministerium leiten

Der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), Eckart Ratz, soll als Teil der Übergangsregierung Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ersetzen. Das berichteten mehrere Medien am Dienstagabend. Eine Bestätigung von Regierungsseite gab es vorerst nicht, auch weitere Namen ließen auf sich warten. Der gebürtige Vorarlberger war von 2012 bis 2018 Präsident des OGH.

Amtsenthebungen:

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag um Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) gebeten und ihm den daraus abgeleiteten Amtsenthebungswunsch der blauen Regierungsriege übermittelt. "Ich beabsichtige, allen diesen Ersuchen zu entsprechen", sagte Van der Bellen in einem gemeinsamen Pressegespräch nach dem Treffen in der Hofburg.

Van der Bellen hat Kurz gebeten, neue Namen, und zwar Experten, für diese Ämter vorzuschlagen, um sie - nach Gesprächen mit ihnen - ernennen zu können. Im Amt bleiben soll seitens der FPÖ nur Außenministerin Karin Kneissl, sie hat sich dazu laut dem Bundespräsidenten bereit erklärt.

Kurz sagte zu, "ehebaldigst und rasch, spätestens noch heute, Vorschläge zu übermitteln". Es gehe um Stabilität und eine funktionierende Verwaltung, das funktioniere am besten mit einer handlungsfähigen Regierung. Diese Regierung sei, so betonte Van der Bellen, "eine Übergangsregierung".

APA-Video von der gemeinsamen Pressekonferenz:

Statement des Bundespräsidenten

Statement des Bundeskanzlers

Neue sind Spitzenbeamte

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen betont, dass man den gleichen Zugang bei der Bestellung der Übergangsregierung habe. Das heißt, dass Kurz für die einzelnen Ressorts Personen auswählt, die jetzt Spitzenbeamte sind oder das waren.

Wie der Kanzler betonte, brauche es in dieser Situation qualifizierte Persönlichkeiten aus der Verwaltung. Diese sollten zudem hohe Unabhängigkeit gewährleisten.

Solch eine Regierung brauche es auch, um eine vollkommen unabhängige Aufklärung der Ibiza-Affäre sicher zu stellen. Derzeit seien herausfordernde Zeiten, die nicht alltäglich seien. Er sei aber der festen Überzeugung, dass die Herausforderungen bewältigbar seien.

Kneissl: Verpflichtet, Amt weiterzuführen

Die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl fühlt sich als "unabhängige Expertin" verpflichtet, "gerade jetzt weiterhin zur Verfügung zu stehen". Das erklärte Kneissl kurz nach Bekanntwerden ihres Verbleibs in der Regierung. Die Ereignisse der vergangenen Tage sowie den Rücktritt der anderen FPÖ-Ministern bedauert die Nahost-Expertin.

Damoklesschwert Misstrauensantrag

Über der Regierung schwebt jetzt schon das Damoklesschwert eines allenfalls von SPÖ und FPÖ unterstützten Misstrauensantrags. Dennoch betonte Van der Bellen: "Ich denke heute an keinen Plan B." Er glaubt, dass die Parlamentsparteien ihr Vorgehen sehr sorgsam abwägen werden. So gehe er heute davon aus, dass die Übergangsregierung im Amt bleibt.

Einen Appell gab das Staatsoberhaupt heraus, diesmal in der Übergangszeit keine teuren Beschlüsse zu fällen: "Das möchte ich unter allen Umständen vermeiden."

Noch nicht bekannt gegeben wurde vorerst, wann die neue Regierung angelobt wird. Vermutlich wird es bereits am morgigen Mittwoch sein. Dann verlieren auch die freiheitlichen Regierungsmitglieder in Innen-, Verteidigung-, Infrastruktur- und Sozialministerium sowie im Vizekanzleramt tatsächlich ihre Posten.

Im Amt bleibt neben den ÖVP-Ministern bloß die von den Freiheitlichen nominierte parteiunabhängige Außenministerin Karin Kneissl.

Sondersitzung des Nationalrats am kommenden Montag

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bleibt dabei: Die von der SPÖ für morgen, Mittwoch, beantragte Sondersitzung des Nationalrats wird am Montag nach der EU-Wahl stattfinden. Er wolle "dem EU-Wahlkampf Raum geben". Die Opposition ist empört über die Entscheidung des Präsidenten. SPÖ, Neos und Liste Jetzt trugen ihren Protest auch in der Präsidialsitzung, Dienstagvormittag, vor. Sobotka nützte jedoch sein Recht als Nationalratspräsident, den Termin nach eigenem Gutdünken festzulegen.

APA-Video: Kritik der Opposition an Sobotka

Misstrauensantrag gegen Kurz: FPÖ dementiert

Die FPÖ hat jetzt dementiert, dass in Sachen Misstrauensantrag gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits eine Entscheidung gefallen ist. "Das ist falsch. Es gibt noch keine Entscheidung", sagte ein FPÖ-Sprecher am Dienstagvormittag.

Die FPÖ sieht Kickl in der Tageszeitung "Österreich" missinterpretiert, wie es von mehreren Seiten gegenüber der APA hieß. Kickl habe lediglich gesagt, dass derjenige, der der FPÖ misstraut, auch das Misstrauten der FPÖ habe. Das heiße aber nicht, "dass das Abstimmungsverhalten am Montag definitiv entschieden ist".

Im Übrigen habe der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer am Montagabend im ORF-"Report" dasselbe gesagt, hieß es am Dienstag aus der Partei.

Hofer ließ Entscheidung offen

Norbert Hofer hatte Montagabend im ORF-„Report“-Interview die Entscheidung noch offengelassen. Ob die FPÖ einen Misstrauensantrag unterstützen werde, hänge von den nächsten Stunden ab, so Hofer. Aber die FPÖ denke nicht daran, einen eigenen solchen Antrag einzubringen, so Hofer. Noch bevor Kanzler Kurz sein Festhalten an der Kickl-Entlassung verkündete, hieß es aus FPÖ-Kreisen, dass das Votum unterstützt werde, sollte die ÖVP auf Kickls Entlassung beharren.

SPÖ hält sich weiterhin bedeckt

Die SPÖ ist in Sachen Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz weiter zurückhaltend. Dies sei derzeit "kein vorrangiges Thema", so ein SPÖ-Sprecher am Dienstag. Zunächst gelte es, mit dem Bundespräsidenten und den anderen Parteien eine "geordnete Übergabe" zustande zu bringen. "Wir hoffen, dass dann alle Beteiligen einsichtig sind, und es nicht zu einem Misstrauensantrag kommen muss."

"Wir wollen dass die gesamte Übergangsregierung aus Experten besteht. Weil wir glauben, dass nur diese Lösung Vertrauen und Stabilität bringen kann in dieser schwierigen Phase", untermauerte der Sprecher von SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner den bereits von ihr geäußerten Standpunkt. Auch Kanzler Kurz selbst will man durch einen Experten ersetzt haben, betonte man in der SPÖ am Dienstag gegenüber der APA explizit. Klar machte der Sprecher, dass man den ÖVP-Chef nicht alleine weiterregieren lassen will: "Die ÖVP-Alleinregierung, wie sich das Kurz vorstellt, hat keine Mehrheit im Parlament", so der Sprecher.

Grundsätzlich sei es aber jetzt noch "gar nicht der richtige Zeitpunkt", über die Frage nachzudenken, ob die SPÖ einen Misstrauensantrag gegen Kurz mittragen würde. Denn es liege "eigentlich noch gar nichts am Tisch". Der Ball sei nun beim Bundespräsidenten, verwies der Sprecher am Dienstag erneut auf Rendi-Wagners bereits am Montag geäußerte Sicht. Dieser müsse schauen, dass er einen Vorschlag macht, "der von einer breiten Unterstützung getragen ist".

Regierungskrise in Österreich: Eine Analyse von OÖN-Chefredakteur Gerald Mandlbauer:

Lesen Sie dazu auch: Angst vor einem Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz.

Altbundespräsident Fischer: In dieser Form noch nie vorgekommen

Das Schwierigste an dieser Situation sei, dass die ÖVP-Regierung keine Mehrheit im Nationalrat habe, sagte Altbundespräsident Heinz Fischer in der ZIB2. Kurz könne sich nur auf 62 der 183 Nationalratsabgeordneten stützen, 121 seien nicht an auf seiner Seite. Damit könnte auch der angekündigte Misstrauensantrag im Nationalrat Erfolg haben.

Das „ist in dieser Form in der Geschichte der Zweiten Republik noch nie vorgekommen“, so Fischer. Dann müsste der Bundespräsident eine „geeignete Persönlichkeit“ mit der Regierungsbildung beauftragen, die dem Bundespräsidenten ein Kabinett vorschlägt. Dass er Übergangskanzler werden könnte, schloss Fischer aus.

Video: Heinz Fischer erklärt die bisher beispiellose Situation in der aktuellen Innenpolitik.

 

 

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