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Ibiza-Affäre: Strache und Gudenus als "liebestolle Gockel"

Von nachrichten.at/apa   21.Mai 2019

"Neue Zürcher Zeitung"

"Angesichts der Vorwürfe, mit denen die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sich nun gegenseitig überziehen, wirkt die in den vergangenen anderthalb Jahren zelebrierte Harmonie noch künstlicher. Es ist das dramatische Ende eines nicht spannungsfreien, aber für beide Seiten zweckdienlichen Verhältnisses.(...)

Doch es ist bei der dritten Regierungsbeteiligung schon das dritte Mal, dass es vorzeitig und dramatisch zum Bruch kommt. Das empfiehlt die FPÖ nicht als Koalitionspartnerin. Die Sozialdemokraten stellte bereits das Liebäugeln mit der FPÖ als Partnerin vor eine Zerreißprobe. Nun sehen sich jene Kräfte bestätigt, die ein solches Bündnis immer kategorisch ausschlossen. Auch Kurz wird es nicht wagen, die Freiheitlichen nochmals in die Regierung zu holen, selbst wenn diese sich inhaltlich wie personell erneuern sollten. Abgesehen von persönlicher Enttäuschung wäre das Risiko groß, sich beim kleinsten Fehltritt grenzenlose Naivität vorwerfen lassen zu müssen. Die FPÖ muss sich deshalb wieder auf lange Jahre in der Opposition einstellen."

"Tages-Anzeiger" (Zürich):

"Das eigentlich Schockierende an der Ibiza-Affäre ist nicht, dass Spitzenpolitiker keine Skrupel haben, ihr Land an den Meistbietenden zu verscherbeln - damit hätte man bei einem Typ wie Heinz-Christian Strache rechnen müssen. Wirklich schockierend ist vielmehr, dass es anscheinend nicht mehr braucht als eine attraktive Frau, dass sich zwei erwachsene Politiker wie liebestolle Gockelbenehmen, die ein paarungsbereites Huhn sehen. (...) Dabei ist die sogenannte Venusfalle ein Spionageklassiker. Unvergessen ist die rothaarige Russin Anna Chapman, die sich in New York als Immobilienmaklerin ausgab, bevor sie 2010 als russische Agentin aufflog. Auch der israelische Geheimdienst Mossad setzt attraktive Frauen gern als Lockvögel ein. Denn angesichts einer "schoafen" Frau werden Männer offensichtlich unzurechnungsfähig."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Am Montagabend kündigte Kurz an, er werde dem Bundespräsidenten Kickls Entlassung vorschlagen. Das ist eine gute Nachricht, denn der FPÖ-Politiker hat nichts in einer Regierung und schon gar nichts in einem Innenministerium verloren. Nicht erst seit Ibiza. Der konservative Kanzler Kurz, aber auch der grüne Bundespräsident Alexander Van der Bellen hätten dem FPÖ-Politiker den Zugang zum Amt des Innenministers verwehren müssen. Die Macht, die ein Innenminister über Polizei und Geheimdienste ausübt, sollte niemals in die Hände eines rechten Scharfmachers wie Kickl geraten. (...)

Herbert Kickl war schon vor dem Ibiza-Video ein gefährlicher Ideologe mit viel zu viel Macht; über seine Amtszeit hinaus wollte er die Institutionen verändern. Für Sebastian Kurz war das nie ein Grund, ihn abzusetzen, er wollte seine Koalition nicht gefährden. Doch nun muss Kurz sich nicht mehr mit der FPÖ arrangieren, deren Minister geschlossen das Kabinett verließen, sondern eine Neuwahl gewinnen. Kickl spricht nicht ganz ohne Grund von einer "machtbesoffenen" ÖVP. Was nichts daran ändert, dass er, zumal als Ex-Generalsekretär der FPÖ, so schnell wie möglich jeden Zugang zum Innenministerium verlieren muss, das ja die Ibiza-Affäre aufklären soll. Andernfalls hätte sich Kanzler Kurz zum Komplizen gemacht.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Hätte er [Kurz] nach den Rücktritten Straches und dessen Ibiza-Kompagnons Gudenus die Koalition fortgesetzt, so hätte er sich auf Gedeih und Verderb an die FPÖ gekettet. Welche dann noch kommende Affäre hätte ihm einen glaubwürdigen Abgang ermöglicht? Und doch musste er damit rechnen, dass immer wieder etwas hochkommt: entweder weitere Häppchen aus den Ibiza-Daten, die inzwischen ohnehin schon gezielt gegen Kurz ausgespielt werden, oder Provokationen vom rechten Rand der FPÖ. Doch beliebt bei den bisherigen Oppositionsparteien SPÖ, Neos und Grünen ist Kurz nach der Zeit als Partner der Rechten auch durch das Ende dieses Bündnisses nicht geworden. Die Neuwahl ist für ihn eine Chance, mehr Stimmen für die ÖVP zu gewinnen. Aber sie birgt auch das Risiko, am Ende mangels Bündnispartnern mit leeren Händen dazustehen."

"Frankfurter Rundschau":

"Nach dem Koalitionsbruch vom Wochenende deutet sich kein Politikwechsel an. Die ÖVP will den "bewährten Kurs", den sie seit anderthalb Jahren mit den radikalen Rechten gefahren ist, jetzt gern ohne diese weiterführen. Zur Not vielleicht sogar wieder mit ihnen: Zwar steuert Kurz kühn für die fällige Neuwahl im September die absolute Mehrheit an. Verfehlt er sie, ist eine Neuauflage mit der Rechten keineswegs ausgeschlossen. In seiner Partei melden sich erste Befürworter von Schwarz-Blau II bereits zu Wort. Alternativen gibt es kaum. Die oppositionellen Sozialdemokraten haben unter dem Eindruck der Ibiza-Affäre immerhin angefangen, klare Kante gegen Rechts zu zeigen. Bisher waren sie da aus Furcht vor der Stimmung eher scheu und haben in einem Bundesland sogar selbst mit der FPÖ koaliert."

 

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