Erster Prozess gegen Ex-BVT-Chefinspektor Egisto Ott am 6. November
WIEN. Am 6. November steht der frühere leitende Mitarbeiter des aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Egisto Ott, wegen Amtsmissbrauch vor Gericht.
Am 6. November geht am Wiener Landesgericht für Strafsachen der erste Strafprozess gegen den ehemaligen Chefinspektor des inzwischen aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Egisto Ott, in Szene. Gerichtssprecherin Christina Salzborn gab den Verhandlungstermin am Freitag auf APA-Anfrage bekannt.
Inkriminiert ist der Vorwurf des Amtsmissbrauchs und damit nur ein Randaspekt der Anschuldigungen, derer sich Ott ausgesetzt sieht. Ott wird in der anstehenden Hauptverhandlung zur Last gelegt, er habe in seiner damaligen Stellung als Beamter des Innenministeriums im Auftrag des mitangeklagten früheren FPÖ-Politikers Hans-Jörg Jenewein einen weiteren Beamten beauftragt, Informationen zu Teilnehmern eines Treffens europäischer Nachrichten- und Geheimdienste zu beschaffen. Dem Strafantrag zufolge wollte Jenewein wissen, welche Mitarbeiter des BVT an besagtem Treffen teilgenommen hatten. Ott soll im Mai 2019 die Namen weitergegeben haben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wurde dadurch "die Aufrechterhaltung der öffentlichen nationalen Sicherheit und der Erfolg zukünftiger nachrichtendienstlicher Aktivitäten gefährdet". Im selben Jahr soll Ott einen Polizeibeamten aufgefordert haben, die Namen der rund um die Causa "Ibiza" ermittelnden Beamten zu erheben. Jenewein wird wiederum zusätzlich angekreidet, im Juni 2021 vertrauliche Unterlagen, die ihm als Politiker und Mitarbeiter im Ibiza-U-Ausschuss zugänglich wurden, weitergegeben und Fotos von Auskunftspersonen angefertigt und an Dritte übermittelt zu haben. Für Ott und Jenewein gilt die Unschuldsvermutung.
Gegen Ott wird von der Staatsanwaltschaft Wien seit 2017 wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs und weiterer Delikte ermittelt. Am 29. März 2024 wurde er fest- und bis zum 26. Juni in U-Haft genommen. Ausschlaggebend für die Inhaftierung waren Informationen, Ott habe Diensthandys von drei früheren Kabinettsmitarbeitern des seinerzeitigen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB übergeben. Auf den Handys der drei Spitzenbeamten sollen sich Amtsgeheimnisse, aber keine speziell klassifizierten Dokumente befunden haben.
Die Geräte waren bei einem Bootsausflug des Innenministeriums am im Juli 2017 ins Wasser gefallen, als ein Kanu kenterte. In weiterer Folge wurden sie zur Datenrettung ins BVT gebracht, wobei ein Forensiker zuerst eine Trocknung mit Reiskörnern vornahm. Offenbar wurde sogar versucht, einen Spezialisten aus Israel beizuziehen, um die Daten der durchnässten Handys auslesen zu können, was an dessen finanziellen Forderungen scheiterten.
Ott und der Forensiker - gegen diesen ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien separat wegen Veruntreuung - sollen in weiterer Folge den damaligen Sobotka-Mitarbeitern vorgemacht haben, ihre Handys wären unbrauchbar, die Daten unrettbar verloren und sie würden die Geräte daher der Vernichtung zuführen. Während bei zwei Handys kein Zugriff auf die abgespeicherten Daten mehr möglich war, dürfte das beim dritten Gerät zumindest in Teilen gelungen sein. Dafür spricht ein USB-Stick, der im Februar 2021 bei einem Ex-Polizisten und Unternehmer im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellt werden konnte. Der Ex-Polizist behauptet, Ott habe ihm den USB-Stick im September 2019 in der Therme Oberlaa übergeben. Auf dem USB-Stick fand sich ein vollständiger Extraktionsbericht über die forensische Datensicherung eines Mobiltelefons, das auf Grund der gesicherten Kontakte und Chats einem der drei betroffenen früheren Sobotka-Mitarbeiter zuordenbar war.
Ott bestreitet, mit der Beschaffung der Handys etwas zu tun gehabt und diese weitergegeben zu haben. Ebenso weist er Verdächtigungen zurück, einen SINA-Laptop mit möglicherweise brisantem Datenmaterial dem FSB verkauft zu haben. Das Gerät soll am 19. November 2022 in Wien mit falschen Pässen ausgestatteten Männern, die vermutlich dem russischen Geheimdienst zuzurechnen waren, übergeben und über Istanbul nach Moskau zum Sitz des FSB gebracht worden sein. Den Deal eingefädelt haben soll Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der mittlerweile für den russischen Geheimdienst tätig sein soll. Für den Laptop sollen im Herbst 2022 20.000 Euro bezahlt worden sein, wobei Marsalek das Geld von "laundry guys" (Geldwäscheleuten, Anm.) von Berlin nach Wien bringen ließ, wie sich aus Chats ergibt, die Marsalek mit einem inzwischen in London inhaftierten bulgarischen Geschäftsmann führte, der eine mehrköpfige, für Russland operierende Spionage-Zelle angeführt haben soll. Auf dem nach Russland transferierten Laptop dürften sich der Geheimhaltung unterliegende Daten eines EU-Staates befunden haben, ergibt sich aus dem Ermittlungsakt.
Zu den Spionage-Vorwürfe wird von der Staatsanwaltschaft Wien weiter ermittelt. Gegen die mutmaßlich von Marsalek in Großbritannien geführte russische Spionage-Zelle soll im kommenden Herbst in London verhandelt werden, hatte es zuletzt geheißen.
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