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Ein Video und seine Folgen: Morgen startet Ibiza-Untersuchungsausschuss

Von Barbara Eidenberger   03.Juni 2020

Holpriger Start: Im Dezember brachten SPÖ und Neos die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Ibiza-Video auf den Weg. Im Jänner formierte sich die VP-Grünen-Koalition und bewies gleich Einigkeit: Man schränkte den Untersuchungsgegenstand ein. Zu Unrecht, wie der Verfassungsgerichtshof entschied. Vor allem die Grünen als selbsternannte "Aufdecker-Partei" handelten sich mit diesem Vorgehen heftige Kritik ein. Schließlich verzögerte noch die Corona-Pandemie den Start, den sich SPÖ und Neos schon für März gewünscht hätten.

Der Untersuchungsgegenstand: Rund ein Jahr lang werden die Abgeordneten acht Themenkomplexe beleuchten. Es geht um Postenbesetzungen bei den Casinos Austria, mögliche Einflussnahme beim Glücksspielgesetz, Begünstigung von Dritten, Kompetenzen und Postenbesetzungen in der Finanzaufsicht sowie im Beteiligungsmanagement des Bundes, Aufklärung einer etwaigen politischen Einflussnahme auf Ermittlungen rund um das Ibiza-Video, Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen und den Verdacht des Gesetzeskaufs. Untersucht wird der Zeitraum vom 18. Dezember 2017 bis zum 10. Dezember 2019.

Der Auslöser: Anlassfall war das Ibiza-Video, das im Mai 2019 bekannt wurde. Darin diskutierte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte über die Übernahme einer Zeitung, Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Parteispenden am Rechnungshof vorbei. Die strafrechtliche Relevanz sei Gegenstand der Ermittlungen, sagt der SP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Jan Krainer: "Uns geht es um das Sittenbild, das in diesem Video gezeichnet wird."

Die zentralen Fragen: "Können sich Reiche Gesetze kaufen?", fasst der grüne Abgeordnete David Stögmüller zusammen. Dabei gehe es nicht nur um Strache und den ebenfalls auf Ibiza anwesenden Johann Gudenus, sondern um "das System dahinter". Die entscheidende Frage sei, so Krainer, ob "Teile der Politik bereit waren, gewünschte Gesetze und Posten zu liefern. Und das sieht man schon an den bisher bekannten Fakten." Es wurden etwa Nachrichten auf Straches Handy gefunden, die auf eine Gesetzesänderung zugunsten einer Privatklinik im Gegenzug für eine Spende an die FPÖ schließen lassen. Auch die Entstehungsgeschichte des Videos wird beleuchtet. "Es ist noch immer offen, was der Beweggrund für die Falle war – Erpressung oder der Versuch, politischen Einfluss zu nehmen", so FP-Abgeordnete Susanne Fürst.

Prominente Zeugen: Schon am ersten Verhandlungstag werden Strache und Gudenus befragt. Auch für Freitag war eine Reihe von Zeugen geladen: Milliardärin Heidi Goess-Horten, Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf. Sie alle wurden in dem Ibiza-Video als potenzielle Spender genannt. Alle drei haben aus gesundheitlichen Gründen ihre Teilnahme abgesagt.

Die Erwartungen: Aus den Befragungen erfahre man interessante Details, doch die brisanten Fakten seien in den Akten zu finden, dämpft Krainer die Erwartung an die Zeugenbefragungen. Bisher habe man nur einen Bruchteil der Akten bekommen, doch das bisher Bekannte sei "erschreckend". Hinterfragenswert sei auch die Zusammenarbeit der Behörden, sagt Fürst: "Schon seit einem Jahr gibt es Hinweise, dass zwischen der Soko und der Korruptionsstaatsanwaltschaft eher Konkurrenz vorherrscht."

Mögliche Folgen: Schon vor dem Untersuchungsausschuss wurde als Reaktion auf das Ibiza-Video das Parteispenden-Gesetz geändert. Zudem soll ein Transparenzpaket beschlossen werden.

Die Auswirkungen auf die türkis-grüne Koalition: Man werde keine Scheu davor haben, auch die Rolle des Koalitionspartners ÖVP zu beleuchten, betont Stögmüller und verweist etwa auf die Rolle von Ex-Finanzminister Hartwig Löger in der Casinos-Affäre: "Das werden wir natürlich benennen." Erste Unstimmigkeiten zwischen den Regierungspartnern sind bereits zu vernehmen, wie etwa die gegenseitige Schuldzuweisung bei der noch nicht erfolgten Herausgabe des gesamten Ibiza-Videos zeigt.

Video soll „ehestmöglich“ an den Ausschuss gehen

Nach mehreren Anläufen haben sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (VP) nun doch auf eine gemeinsame Vorgehensweise geeinigt. Das gesamte, zwölf Stunden dauernde Ibiza-Video soll erst durch das Bundeskriminalamt (BKA) überprüft und ausgewertet werden. Daran werde derzeit „mit Hochdruck“ gearbeitet, hieß es gestern Nachmittag in einer gemeinsamen Aussendung. Danach werden die Berichte den beiden zuständigen Staatsanwaltschaften, also der StA Wien und der WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft), vorgelegt. Dort wird wiederum geprüft, ob ermittlungstaktische Gründe die Vorlage einschränken, und die Festlegung der Geheimhaltungsstufe im U-Ausschuss vorgenommen. Zadic und Nehammer betonten gestern, dass „den Anforderungen des U-Ausschusses ehestmöglich nachgekommen“ werden soll.

Vor dieser nun akkordierten Vorgehensweise hatte man sich gegenseitig ausgerichtet, nicht zuständig zu sein. Während man im Innenministerium davon ausging, dass das Video auch ohne formale Übermittlung durch das BKA von der Justiz an den Ausschuss gehen könne, betonte Zadic, man habe das Video gar nicht. Die zuständigen Staatsanwaltschaften sollen erst vor einer Woche aus den Medien erfahren haben, dass das gesamte Video vorliegt.

Die Opposition zeigt sich verärgert. Der freiheitliche Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, nannte den „Machtkampf“ zwischen den beiden Ministerien „skandalös“. Dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht verständigt worden war, ist für Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper „nicht nur unfassbar, sondern auch rechtswidrig“.

Für Jan Krainer, SP-Fraktionsführer, ist das Hin-und-Her eine „Posse“, um von den wichtigen Fragen abzulenken: „Wann wir das Video bekommen, ist letztlich nicht so wichtig. Es ist zwar der Anlassfall, aber um zu sehen, was an Korruption umgesetzt wurde, sind die Nachrichten auf Straches Handy wesentlich entscheidender.“

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24. April 2024