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"Der Kanzler ist populistisch, unsachlich, anti-europäisch"

Von Barbara Eidenberger   18.Mai 2019

Als einzige Frau sticht Claudia Gamon (Neos) aus der Riege der EU-Wahl-Kandidaten heraus. Sie tritt für Vereinigte Staaten von Europa ein und sieht in der schwierigen Phase, in der die EU derzeit ist, auch eine Chance.

 

OÖN: Die Neos fallen mit sehr weitreichenden Forderungen auf, von den Vereinigten Staaten bis hin zur EU-Armee. Ist das nicht utopisch?

Claudia Gamon: Nein, denn es ist ganz wichtig, ein Ziel zu haben, wo die Reise hingehen soll. Über den Weg dorthin müssen wir uns unterhalten und entscheiden, ob wir zum Beispiel eine große Vertragsänderung oder ein Bürgerkonvent für eine neue Verfassung brauchen. Man muss bei den Erwartungen an die EU nicht tiefstapeln, sondern kann der Union auch etwas abverlangen. Was sich aber auf jeden Fall ändern muss, ist die Entscheidungsstruktur. Dadurch ist die EU derzeit gelähmt.

Sie meinen die Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips?

Ja, aber auch die Frage, wie der Europäische Rat funktioniert. Die Staatschefs haben ein zu starkes Gewicht, ihre intransparenten Hinterzimmer-Deals sind nicht konstruktiv und werden die EU langfristig nicht weiterbringen.

Das würde die Bedeutung der einzelnen Mitgliedsstaaten reduzieren. Was haben Sie gegen Nationalstaaten?

Gar nichts, aber ich habe etwas gegen Regierungschefs, die verhindern, dass die EU für ihre Bürger arbeiten kann. Das hat zum Beispiel die Digitalsteuer gezeigt. Die Bürger haben keine gute Lösung bekommen, weil die Entscheidung nicht auf EU-Ebene fiel.

Die EU scheint vollauf damit beschäftigt zu sein, nicht auseinanderzubrechen. Sehen Sie derzeit die Chancen für große Reformen?

Wir sind in einer schwierigen Phase, das liegt unter anderem am Brexit. Aber es ist auch eine Phase, in der man entscheidet, in welche Richtung man geht. Das Schlimmste wäre, würde die EU aus dem Brexit nichts lernen. Jetzt kann auch ein Momentum für Reformen entstehen. Diese Art der Debatte über Europa, die wir derzeit führen, haben wir vor wenigen Jahren noch gar nicht gekannt. Deshalb sollten wir auch nicht in Angststarre vor den Rechtspopulisten verfallen, sondern die Gelegenheit beim Schopf packen.

Kanzler Kurz hat sich gegen Bürokratisierung und Überregulierungen auf EU-Ebene ausgesprochen. Diese Forderung müssten die Neos eigentlich teilen.

Nein, denn er hat von Bevormundung gesprochen. Das ist populistisch, unsachlich und anti-europäisch. Die ÖVP hat oft anti-europäisch gehandelt: Familienbeihilfe gekürzt, den UN-Migrationspakt nicht unterstützt und am Sonntag die Grenzkontrollen zu zwei unserer Nachbarn verlängert.

 

Wordrap: Vier Fragen

In welchem EU-Land möchten Sie leben, wenn es nicht Österreich wäre?
In Frankreich.

Haben Sie schon alle 28 EU-Länder besucht?
Nein, aber das wäre eine spannende Challenge.

Wer ist der wichtigste Politiker in der Geschichte der EU?
Simone Veil, eine französische Politikerin und Holocaust-Überlebende. Sie war die bisher einzige Präsidentin des Europäischen Parlaments.

Bekommen Sie bei der Europahymne Gänsehaut?
Weil ich ein großer Beethoven-Fan bin, ja.

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25. April 2024