"Den Menschen ein Stück Heimat zurückgeben"
In der Botschaft in London wurde 17 Nachfahren von NS-Vertriebenen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
Es ist ein Zeichen einer späten Anerkennung. 2019 änderte die Regierung das Staatsbürgerschaftsrecht. Der neue Paragraph 58c ermöglicht es Nachfahren von Vertriebenen des NS-Regimes, Österreicher zu werden. Doppelstaatsbürgerschaften sind in Österreich üblicherweise nur im Ausnahmefall erlaubt. 22.000 Anträge langten bisher weltweit ein, 13.500 Staatsbürgerschaften sind bereits erteilt. 2300 Briten wurden bisher "eingebürgert".
In der österreichischen Botschaft in London kamen Montagabend 17 weitere hinzu. Die jüngste Neo-Österreicherin war zehn Jahre alt, sie sollte mit ihrer Mutter und ihrem Bruder das Dokument überreicht bekommen. Sie alle hatten Geschichten zu erzählen. Oftmals waren die Großeltern oder ein Elternteil vor den Nazis nach England geflüchtet. Tara Carrington-Hull berichtete, dass ihre Mutter mit einem Kindertransport 1939 nach Großbritannien gereist und nach dem Kriegsende auch geblieben sei. Sie habe die österreichische Staatsbürgerschaft danach nicht wiederbekommen, vor drei Jahren sei sie gestorben. Nun nehme sie die Staatsbürgerschaft stellvertretend für ihre Mutter an, erzählt die Britin. Dass auch ihre Kinder zu Österreichern werden, sei dem Brexit geschuldet: Die Staatsbürgerschaft gibt ihnen mehr Möglichkeiten innerhalb der EU.
Der 74-jährige Nick Gold wurde im August Österreicher, seine Mutter hatte sich 1938 als 16-Jährige vor den Nazis nach Großbritannien gerettet. Die Wiener Kultur habe ihn immer interessiert, erzählt er - stellenweise auch auf Deutsch. In jedem Land gebe es dunkle Flecken in der Geschichte, sagt Gold. Nach Österreich komme er immer wieder gerne.
Die Übergabe der Dokumente erfolgte in einem improvisiert-festlichen Rahmen. Botschafter Michael Zimmermann begrüßte die Gäste. Er erinnerte daran, dass die NS-Zeit eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte war und bat, der Opfer in einer Schweigeminute zu gedenken. Bildungsminister Martin Polaschek (VP) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (VP) hielten auf Englisch kurze Ansprachen.
Sobotka sprach davon, dass man mit der kürzlich errichteten Shoah-Mauer in Wien 66.000 ermordeten österreichischen Juden wieder ihren Namen zurückgegeben habe. In den NS-Vernichtungslagern waren sie einst zu Nummern geworden. Mit der Staatsbürgerschaft für die Nachfahren "werde nun den Menschen ein Stück Heimat zurückgegeben".
Schließlich überreichte Sobotka formal die Dokumente. Es war ein emotionaler Moment: Manch einem standen Tränen in den Augen. Sobotka gab dem Ganzen einen feierlichen Rahmen: Tonsicher sang er zu den per Spotify eingespielten Klängen die Bundeshymne.
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