Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

Söder und Kurz in Linz: Schaulaufen mit Botschaft an Merkel und Europa

Von Wolfgang Braun   20.Juni 2018

Konfliktthemen wie der Transitstreit zwischen Tirol und Bayern oder jener über den Salzburger Flughafen wurden zwar angesprochen, beide Seiten versicherten aber, ohne Details zu nennen, nach konstruktiven Lösungen suchen zu wollen, mit denen beide Seiten leben könnten. Quasi erschwert wurde die Diskussion zu diesen Themen dadurch, dass Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) kurzfristig erkrankt war und damit in Linz ebenso fehlte wie Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), die in Rom den dortigen Innenminister Matteo Salvini treffen. Da auch noch Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) wegen der Teilnahme an einem OPEC-Seminar entschuldigt war, wurde die Veranstaltung letztlich zu einem CSU-ÖVP-Treffen mit nur wenigen blauen Tupfern.

Immerhin hatten der freiheitliche Verteidigungsminister und die FPÖ-Sozialministerin die einzig relevanten Beschlüsse des ebenfalls in Linz abgehaltenen Ministerrats zu verkaufen. Ressortchef Mario Kunasek präsentierte die Reform der Bundesheer-Reform seines Vorgängers Hans Peter Doskozil (SPÖ) sowie die Verlängerung des Assistenzeinsatzes zur Bewachung von Botschaften, Ressortchefin Beate Hartinger (FPÖ) wiederum den Beschluss, die Einschränkung der Freizügigkeit für Kroaten am österreichischen Arbeitsmarkt ein letztes Mal bis 2020 zu verlängern.

Begrüßung durch Landeshauptmann Thomas Stelzer:

 

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder würdigte bei seinem Eintreffen in Linz die Asylpolitik Österreichs. Er erwartet sich, dass während der österreichischen Ratspräsidentschaft ein neuer Wind durch Europa wehen wird. Das heutige Treffen sieht er auch als Rückendeckung für die österreichische Position durch Bayern.

Kurz dämpft Erwartungen an Mini-Gipfel mit Merkel

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die Erwartungen an den Mini-Gipfel einiger EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik am Wochenende gedämpft. Es gebe zwar eine "stärkere Dynamik" in der Flüchtlingsthematik, sagte Kurz am Mittwoch in Linz. "Ob das schon zu einem Ergebnis am Sonntag führt (...) und wenn es zu einem Ergebnis führt, wie schnell die Umsetzung stattfindet, das ist die Frage."

Kurz äußerte sich in der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, dessen CSU derzeit die deutsche Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage massiv unter Druck setzt. Diese bemüht sich daher, noch vor Monatsende eine europäische Lösung für die Flüchtlingsthematik zu finden und will mit mehreren Regierungschefs, darunter Kurz, sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darüber beraten.

"Die Richtung stimmt", sieht Kurz immer mehr EU-Staaten auf seinen Kurs in der Flüchtlingsfrage einschwenken. Die Frage sei aber, ob man jetzt schon "so weit" sei, um Entscheidungen zu treffen. "Wir werden da Druck machen, dass es auch Entscheidungen gibt." "Spätestens" beim informellen EU-Gipfel am 20. September in Salzburg müsse es Fortschritte geben, unterstrich der Bundeskanzler.

"Es geht beim Gipfel am Sonntag nicht um deutsche Innenpolitik, sondern es geht um die Lösung der Migrationsfrage, die längst überfällig ist", antwortete Kurz auf die Frage, ob er zwischen Merkel und skeptischeren Staaten in der EU vermitteln wolle. "Ja natürlich gilt, wir wollen Brückenbauer sein innerhalb der Europäischen Union", formulierte Kurz die Hoffnung, in der Flüchtlingsfrage "einen ordentlichen Fortschritt" zu erzielen. Die entscheidende Frage sei dabei, "wie schützen wir die Außengrenzen und wie verhindern wir das Weiterwinken bis nach Mitteleuropa", bekräftigte der ÖVP-Chef seine bekannten Positionen.

Kurz räumte ein, an Deutschland angrenzende Bundesländer wie Oberösterreich wären "die Hauptleidtragenden Regionen, wenn es wieder Grenzkontrollen gibt". Daher hoffe er sehr, dass es in Deutschland in der Flüchtlingsfrage eine gemeinsame Linie gibt - "hoffentlich eine gemeinsame Linie in die richtige Richtung", fügte er in Anspielung auf seine zuvor betonte völlige Einigkeit mit CSU-Ministerpräsident Markus Söder hinzu.

Der ÖVP-Chef sprach ausführlich über seinen Willen, die EU-Außengrenzen zu schützen und seine Hoffnung, dass sich Deutschland nun auf eine gemeinsame und richtige Linie verständige - womit er natürlich die restriktive der bayerischen CSU meinte. So zeigte dann auch der Gastgeber des Treffens, Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) Verständnis, sollte Deutschland mit Flüchtlingsabweisungen an der Grenze, agieren wie sie vom deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) bereits mehrfach angedroht wurden. Österreich hat ja bereits klar gemacht, dass man dann an den eigenen Grenzen gleiches anwenden würde.

Geht es nach Kurz, wird es nicht der letzte einschlägige Ausflug gewesen sein. Er kann sich entsprechende Austausche mit anderen Regierungen in den Nachbarländern durchaus vorstellen.

Neugierige Zuschauer und ein paar Demonstranten

Der Bereich vor dem Linzer Landhaus war für Unbeteiligte gesperrt, in der Zeit zwischen 08.30 und 09.50 Uhr galt ein Platzverbot. "Wir wollen die örtliche und zeitliche Beschränkung so kurz wie möglich halten, es soll keine Störung für die Bevölkerung geben", sagte Polizeisprecher David Furtner. Rund 100 Polizisten waren im Einsatz. Bis zum Eintreffen der Politik-Spitze, die zum Teil mit dem Zug zum Bahnhof und von dort mit dem Bus zum Landhaus gebracht wurde, hatten sich immer wieder Passanten davor versammelt und beobachteten den Aufbau der Sicherheitsmaßnahmen.

Alles verlief ruhig und laut Polizei ohne Zwischenfälle. Alleine eine Handvoll Demonstranten, die in dem kleinen Getümmel mit Hilfe von Tafeln samt Aufschrift "Nein zur 60-h-Woche" um Aufmerksamkeit heischen wollte, verursachte beim Zusammentreffen von Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer und seinem Vize Manfred Haimbuchner mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder mit ihren Trillerpfeifen kurzfristig eine akustische Störung. Nachdem sich die Politiker vor dem Eingang rund zehn Minuten Interviews stellten, um daraufhin das Landhaus zu betreten, ging alles wieder seinen gewohnten Weg. Auch das Platzverbot wurde aufgehoben. 

Die Regierungen hatten sich bis 12 Uhr zur Konferenz zurückgezogen, darauf war im Arkadenhof des Landhauses eine Pressekonferenz und danach in den Redoutensälen ein Empfang.

Statement von Bundeskanzler Sebastian Kurz:

 

Offiziell ging es bei der Regierungskonferenz mit Bayern heute vor allem um Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die Ankündigung von CSU-Innenminister Horst Seehofer, Flüchtlinge künftig an der deutschen Grenze zurückzuweisen, hätte auch gravierende Auswirkungen auf Österreich bzw. Oberösterreich.

Kurz und Stelzer begrüßen den bayerischen Ministerpräsidenten:

 

Das Timing ist fast schon so perfekt, dass viele Beobachter nicht an einen Zufall glauben wollen: Auf dem Höhepunkt der deutschen Koalitionskrise zwischen der CDU von Kanzlerin Angela Merkel und der bayerischen CSU trifft Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (VP) heute den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder in Linz – und das mit vollem Getöse.

 

Statement vom bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder und Bundeskanzler Sebastian Kurz:

 

Söder hatte die gesamte bayerische Staatsregierung mit, Kurz reiste mit der Bahn von Wien an, begleitet von nahezu der gesamten österreichischen Bundesregierung. Lediglich Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl fehlten, weil sie Italiens Innenminister in Rom treffen.

Bahnsteig-Protest

Beim Aufbruch am Wiener Zentralbahnhof wurde ebenso Unmut über die Ausweitung der Höchstarbeitszeit geäußert wie beim Ankunft des Kabinetts im Linzer Landhaus.

Auch von der frühen Abfahrtszeit ließ sich eine Delegation junger SPÖ-Funktionäre, angeführt von JG-Chefin Kathi Weninger und der SJ-Vorsitzenden Julia Herr nicht davon abhalten, die am Bahnsteig eintreffenden Minister abzupassen: "Achtung Bahnsteig 8. Liebe Eltern! Aufgrund der österreichischen Bundesregierung verspätet sich die Ankunft bei ihren Kindern um bis zu vier Stunden täglich. Bedanken Sie sich für die Unannehmlichkeiten durch den Zwölf-Stunden-Tag bei Sebastian Kurz und seinen Sponsoren", erschallte aus einem Lautsprecher. Die Minister passierten das Dutzend Demonstranten ebenso ungerührt oder lächelnd wie eine noch kleinere Gruppe, die sich aus dem selben Grund vor dem Linzer Landhaus postiert hatte.

Arbeitszeit: Kurz ruft zur Sachlichkeit auf

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat indirekt zu einer Abrüstung der Worte in der Debatte um die Anhebung der Höchstarbeitszeit aufgerufen. Bei der Pressekonferenz nach dem Treffen der österreichischen und der bayerischen Landesregierung in Linz "appellierte" der ÖVP-Obmann an Sozialpartner und Interessenvertreter, "möglichst sachlich zu agieren".

Es sei weder angebracht Jubelchöre noch Angst zu verbreiten, die so nicht gerechtfertigt sei. Denn die acht Stunden Arbeit pro Tag blieben, man mache nur eine stärkere Flexibilisierung möglich.

Linzer Gipfel: Regierung trifft Kollegen aus Bayern
Proteste gegen den geplanten 12-Stunden-Arbeitstag vor dem Linzer Landhaus

 

Vor dem Gespräch mit der bayerischen Regierung stellte Kurz klar, dass angesichts eines Handelsvolumens von 30 Milliarden Euro wirtschaftliche Themen im Vordergrund stehen würden. Dass die Begegnung nun mitten in den Streit der deutschen Unionsparteien in der Asylpolitik falle, sei ein Zufall. Auch heikle bilaterale Themen will der Kanzler ansprechen, etwa den Transitstreit oder den Konflikt um den Salzburger Flughafen.

Kurz warnt vor Verschärfung der Flüchtlingskrise durch Asylstreit

Kurz hat vor dem Treffen vor einer weiteren Verschärfung der Flüchtlingskrise durch den deutschen Asylstreit gewarnt. "Wir bereiten uns intensiv dafür vor", sagte Kurz nach seiner Ankunft in der oberösterreichischen Hauptstadt mit Blick auf die mögliche Zurückweisung von Flüchtlingen durch Deutschland. "Wir müssen gerüstet sein dafür, dass die nationalen Grenzkontrollen überhaupt in Europa verstärkt werden, ausgehend von Deutschland", sagte der ÖVP-Chef. Er sei diesbezüglich "in intensivem Kontakt" mit dem Innen- und Verteidigungsminister, versicherte Kurz.

Er betonte neuerlich, dass sich Österreich in die "innerdeutsche Debatte" nicht einmische, griff aber zugleich die bisherige Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel frontal an. Diejenigen, die im Jahr 2015 die Grenzen geöffnet haben, "haben es verschuldet, dass es heute Grenzkontrollen gibt zwischen Österreich und Bayern, Ungarn und Österreich, Italien und Österreich, und die Situation vielleicht noch schlimmer wird", betonte er.

"Wenn die Diskussion in Deutschland etwas Gutes hat, dann, dass es jetzt eine neue Dynamik auf europäischer Ebene gibt, dass es wieder eine größere Chance gibt, dass endlich in der Europäischen Union sich etwas bewegt", sagte der Bundeskanzler. Er bestätigte zugleich Medienberichte, wonach es noch diese Woche ein Gipfeltreffen zwischen Merkel, ihm und weiteren EU-Regierungschefs geben könnte. Merkel bemüht sich angesichts des Ultimatums der CSU intensiv darum, durch bilaterale Flüchtlingsübernahmeabkommen zumindest eine rudimentäre "europäische Lösung" auf die Beine zu stellen.

Kurz versicherte, dass Österreich kein Interesse an einem Streit zwischen den deutschen Unionsparteien habe und sich wünsche, "dass es dort keine Reibereien gibt". "Was haben wir davon, wenn es Konflikte in anderen Ländern gibt", fragte er rhetorisch. "Wir wünschen uns eine geeinte Linie in Deutschland, ein gemeinsames Vorgehen. Ich sage klarerweise dazu, dass natürlich diese Diskussion über die Lösung der Migrationsfrage auch notwendig ist. Mann kann nicht verschweigen, dass nach wie vor zu viele Menschen nach Mitteleuropa weitergewunken werden", kritisierte er etwa angebliche Versuche, die sogenannte "Albanien-Route" zu verschweigen. Man könne nicht warten, "bis die Katastrophe wieder so groß wird wie 2015."

Kurz sagte, dass die Migrationsfrage bei dem Treffen der beiden Regierungen "ganz oben auf der Tagesordnung stehen" werde. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sieht Kurz als Verbündeten im Konflikt mit Merkel. "Bayern und Österreich haben eine gemeinsame Überzeugung und Haltung", sagte Söder vor dem Treffen mit dem österreichischen Regierungschef.

Botschaft an Merkel

Nicht nur deutsche Medien interpretieren den großen gemeinsamen Auflauf in Linz als Botschaft an Kanzlerin Merkel, auf die Kurz und Söder den Druck in der Flüchtlingspolitik hoch halten wollen. Das deutsche Medieninteresse am Linzer Regierungsgipfel war in jedem Fall gewaltig. Rund 100 Journalisten hatten sich für die Konferenz akkreditiert, deutsche TV-Stationen kamen teils mit eigenem Übertragungswagen, angekündigt hatten sich auch die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF, selbstverständlich der Bayerische Rundfunk, aber auch RTL und Sat1, dazu kommen Journalisten führender deutscher Zeitungen, Magazine bzw. internationaler Agenturen wie Spiegel, FAZ und Reuters.

Ein Thema des Ministerrats am Mittwoch ist der Arbeitsmarktzugang für Kroaten. ORF-Reporter Matthias Westhoff weiß, was sonst noch besprochen wird:

Grüne Gegendemo

Als Kontrapunkt gab es heute vor dem Landhaus aber auch eine länderübergreifende Gegendemo: Die bayrischen Grünen kamen nach Linz, um gemeinsam mit ihren oberösterreichischen Parteifreunden vor dem Landhaus gegen die Flüchtlingspolitik von Kurz und Söder zu demonstrieren.

copyright  2024
19. April 2024