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Nein zum Migrationspakt: Von "Tiefpunkten" und "falschen Signalen"

Von nachrichten.at/apa   31.Oktober 2018

Mit seinem Ausstieg aus dem UNO-Migrationspakt vollzieht Österreich einen spektakulären Bruch mit einer jahrzehntelangen Tradition, sich als vorbildlicher Unterstützer der Vereinten Nationen und des Völkerrechts zu präsentieren. Als "persistent objector" will der UNO-Sitzstaat das Abkommen nämlich auch dann ablehnen, wenn es einmal zu Völkergewohnheitsrecht werden sollte.

Weil neben Österreich - nach derzeitigem Stand - nur die USA und Ungarn dem Pakt nicht beigetreten sind, ist die "Gefahr" durchaus gegeben, dass der Text des Abkommens durch die Staatenpraxis zu Völkergewohnheitsrecht werden könnte. Wie Österreich den Ausstieg begründet, lesen Sie hier

Video: So begründet die Regierung den Ausstieg

 

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bedauert die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung, aus dem UNO-Migrationspakt auszusteigen. "Ich bedauere das sehr", sagte er dem Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radios am Mittwoch. Im Zusammenhang damit erneuerte er seine Forderung, dass die EU in außenpolitischen Fragen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden müsse.

Es sei "ein Unding", dass die Europäische Union in dieser substanziellen Zukunftsfrage nicht mit einer Stimme reden könne. "Aber wir werden uns mit den österreichischen Freunden in den nächsten Wochen noch unterhalten." Auf die Frage, ob in diesem Fall ein "Drüberfahren" über manche Länder wie Österreich oder Ungarn - die beiden den Migrationspakt ablehnen - denn ein gutes Bild machen würde, antwortete Juncker: "Es macht kein gutes Bild, ist aber effizienter als die jetzige Lage."

"Tiefpunkt in der Außenpolitik"

EU-Parlamentarier von SPÖ, Grünen und NEOS haben den am Mittwoch von Österreichs Regierung angekündigten Ausstieg aus dem Globalen Migrationspakt der UNO scharf verurteilt. Sie sprechen von einem Tiefpunkt der Außenpolitik und einer Hintertreibung der internationalen Ordnung.

Der SPÖ-Europamandatar Josef Weidenholzer warf Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) vor, Österreichs Ruf als Vermittler weiter aufs Spiel zu setzen. Dies sei unverantwortlich und eines EU-Ratsvorsitzes schlichtweg unwürdig. Wenn es einen Kompromiss der Vereinten Nationen gebe, müsse Österreich auch dahinter stehen. Es gelte, die humanitäre Verantwortung wahrzunehmen.

Der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon meinte nur, mit dem Rückzug aus dem Migrationspakt sei Österreich "nicht nur Teil des reaktionären Ostblocks, wir führen diesen auch an".

Die liberale Europamandatarin Angelika Mlinar (NEOS) warf der schwarz-blauen Regierung Populismus vor. Sie verwies darauf, dass sich die meisten Punkte im UNO-Pakt auch in den über Monate lang verhandelten Gesetzesvorschlägen des EU-Parlaments zum Asylpaket wiederfänden. Die Umsetzung des Asylpakets liege beim Rat, doch gebe unter österreichischem EU-Ratsvorsitz keinerlei Vorschläge über Fortschritte. Das Verhalten der Regierung sei beschämend.

"Damit löst man keine Probleme"

Der außenpolitische Sprecher der SPÖ, Andreas Schieder, hält die Entscheidung der Regierung für "schlecht überlegt". "Damit löst man keine Probleme, sondern verschließt nur die Augen davor", meinte er in einer Aussendung. Schieder befürchtet zudem, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hiermit "den Ruf Österreichs als verlässlicher Partner der westlichen Wertegemeinschaft beschädigen".

Die Liste Pilz kündigte eine "Protestaktion" gegen die Entscheidung an, gab aber zunächst weder Ort noch Zeit bekannt. "Ich lade schon jetzt alle DemokratInnen herzlich dazu ein, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Wir werden ehestmöglich die Details bekannt geben", schrieb Parteiobfrau Maria Stern in einer Aussendung.

Alma Zadic, außenpolitische Sprecherin der Partei, beklagte: "Die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung zeigt, dass es ihr wichtiger ist, vordergründig innenpolitisch zu punkten, als die globalen Herausforderungen anzugehen und diese gemeinsam mit anderen Staaten zu bewältigen."

Die NEOS kommentierten den Entscheid auf Twitter ironisch mit den Worten: "Funfact: Der österreichische Verhandler für den #Migrationspakt war Außenminister @sebastiankurz."

 

Der Integrationslandesrat Oberösterreichs, Rudi Anschober (Grüne), kommentierte die Entscheidung mit den Worten: "Es ist ein Armutszeugnis, dass sich mit der Ablehnung des UN-Migrationspaktes die österreichische Bundesregierung in dasselbe Eck stellt wie (US-Präsident Donald) Trump und (Ungarns Regierungschef Viktor) Orban. Es zeigt aber auch neuerlich deutlich auf, dass ganz offensichtlich Teile der österreichischen Bundesregierung keine Lösungen der Herausforderungen durch Migration wollen", so Anschober in einer Aussendung.

Auch das Österreichische Rote Kreuz beklagte die Entscheidung: "Aus humanitärer Sicht ist es unverständlich und ein falsches Signal, dass es die Bundesregierung nicht geschafft hat, sich zu einem Minimalkonsens der Menschlichkeit durchzuringen, der ausdrücklich unverbindlich ist und auch dazu beitragen soll, Migration in geordnete Bahnen zu lenken", so Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer in einer Mitteilung.

Lob von der AfD

Viel Lob kam indes von der rechtspopulistischen AfD in Deutschland. Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel forderte umgehend, dass auch Deutschland den Migrationspakt nicht unterzeichnen dürfe. "Nach den USA und Ungarn haben unsere Nachbarn aus Österreich ebenfalls Klarsicht bewiesen und den Globalen Migrationspaktabgelehnt", begrüßte Weidel die Entscheidung in einer Aussendung. "Auch Deutschland darf dieses Machwerk nicht unterzeichnen", das "ein unkalkulierbares Risiko für unser Land und ganz Europa" sei, forderte sie.

Der UNO-Migrationspakt (Global Compact on Migration) war in der ersten Jahreshälfte 2018 auf Regierungsebene unter den UNO-Mitgliedern ausverhandelt worden und soll im Dezember in Marokko verabschiedet werden. Das 34 Seiten lange Dokument soll helfen, Flüchtlingsströme besser zu organisieren und Rechte der Betroffenen zu stärken. Betont wird in dem Papier auch, dass die Souveränität der Nationalstaaten und ihr Recht auf eine selbstständige Gestaltung ihrer Migrationspolitik durch den Pakt nicht angetastet werden soll und keine völkerrechtliche Bindung bestehe. Der Pakt soll bei einer Konferenz am 10. und 11. Dezember in Marokko angenommen werden.

Bei der Einigung auf einen Entwurf im Juli war Österreich noch mit an Bord. In den vergangenen Wochen hatte vor allem die FPÖ gegen das Abkommen mobil gemacht. Ungarn hatte sich bereits im Sommer aus dem Pakt zurückgezogen. Die USA nahmen auf Geheiß von Präsident Donald Trump an den Verhandlungen zum UNO-Migrationspakt gar nicht erst teil.

FPÖ jubelt

Zahlreiche FPÖ-Politiker bejubelten am Mittwoch in Aussendungen die Entscheidung der Bundesregierung, die beim Ministerrat beschlossen werden soll.

Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache bedankte sich in einem Text auf Facebook bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), "dass er meine massiven Bedenken und inhaltlichen Ablehnungsgründe ernst genommen hat und wir gemeinsam den UN-Migrationspakt für Österreich und seine Bevölkerung verhindert haben". Weiter schrieb er: "Österreich nimmt hier eine selbstbewusste Vorreiterrolle für die Selbstbestimmung in Europa ein. Wer nach Österreich kommt, bestimmen auch künftig wir Österreicher selbst."

 

"Ein guter Einstieg in den Tag beginnt mit dem Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt", twitterte FPÖ-Co-Generalsekretär und Europaparlamentarier Harald Vilimsky. In einer Aussendung auf der Homepage der FPÖ-Delegation im EU-Parlament zählte er auf, gegen welche Punkte des Paktes sich Österreich wende, "sofern sie über die bestehende österreichische Rechtslage hinausgehen": etwa gegen den Zugang von Migranten zu Grundversorgung, Gesundheitssystem und höherer Bildung, die Erleichterung von Familienzusammenführungen oder die Verfolgung von Hassverbrechen.

 

Co-Generalsekretär Christian Hafenecker lobte im Zusammenhang mit der Entscheidung die Harmonie der türkis-blauen Regierung: "Die Einstimmigkeit zwischen den Regierungspartnern FPÖ und ÖVP zeigt wieder einmal klar auf, dass der Wählerwille von 2017 die einzig richtige Entscheidung für unser Land war. Zwist und Zank gehören der Vergangenheit an (...)."

Klubobmann Walter Rosenkranz zeigte sich ebenfalls erfreut: "Mit dem heutigen Ministerratsbeschluss, dem Migrationspakt nicht zuzustimmen setzt die Bundesregierung einen wichtigen Schritt zur Wahrung der österreichischen Souveränität!"

Der geschäftsführende Klubobmann der Partei und geschäftsführende Landesparteiobmann in Wien, Johann Gudenus, sparte nicht mit einem Seitenhieb auf die Wiener Stadtregierung: "Dass Rot-Grün die Tore Wiens jahrelang für unkontrollierte Zuwanderung geöffnet hat, wird mit diesem österreichweiten Bekenntnis nun endgültig beendet."

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19. April 2024