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Mindestsicherung - volles Geld nur bei Integration

Von Annette Gantner   28.November 2018

Es hat lange gedauert, am Dienstagvormittag waren sich die Regierungsparteien schließlich einig: Künftig wird es wieder eine bundeseinheitliche Mindestsicherung geben, die ab 2020 gelten soll. Die Details sollen heute präsentiert werden, einiges ist bereits durchgesickert.

Das Grundgerüst war Ende Mai bei der Regierungsklausur in Mauerbach vereinbart worden. Die Intention war von Anfang an klar: Die Mindestsicherung sollte keinen Anreiz für Flüchtlinge, Zuwanderer und kinderreiche Familien darstellen und deshalb für diese Gruppen reduziert werden.

Es war der FPÖ geschuldet, dass der Kompromiss dennoch so lange auf sich warten ließ. Die Freiheitlichen hatten auf größere Ausnahmen beim Vermögenszugriff gedrängt. Doch die ÖVP war nur zu geringfügigen Konzessionen bereit. "Es wäre der falsche Ansatz gewesen, zu sagen: ,Egal, was ich habe, ich kann Mindestsicherung beziehen‘", hieß es dazu.

Video: Die Regierung hat am Mittwoch die Details ihrer Reform angekündigt. Auf Familien mit Kindern und Personen mit schlechten Deutschkenntnissen kommen damit teils starke Kürzungen zu. Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache lobten das Modell als fair und gerecht und strichen insbesondere Arbeitsanreize für Bezieher hervor.

Fünf Fälle pro Bezirk

Derzeit dürfen Sozialhilfe-Bezieher nur ein Vermögen von 4200 Euro haben. Besitzen sie ein Eigenheim, können sich die Behörden nach sechs Monaten im Grundbuch eintragen lassen. De facto wird davon selten Gebrauch gemacht. In Oberösterreich sind es pro Bezirk in etwa fünf Fälle. Relevant ist hingegen die "abschreckende" Wirkung: Die Behörden wissen von Personen, die keinen Antrag auf Sozialhilfe stellen, um ihr Vermögen nicht offenzulegen.

Die Schonfrist soll nun nach längerem koalitionärem Ringen von sechs Monaten auf drei Jahre ausgedehnt werden. Die Vermögensfreigrenze wird auf 5200 Euro angehoben.

 

Erwerbsanreize

Neu ist, dass sich Erwerb stärker lohnen soll: Wem es gelingt, aus der Sozialhilfe heraus eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, für den gilt ein Freibetrag von 35 Prozent seines Nettogehalts.

Eine Herausforderung für die Bundesregierung war es, eine verfassungskonforme Regelung zu finden. Schließlich hatten bereits der Europäische Gerichtshof und der Verfassungsgerichtshof die Mindestsicherungsmodelle von Ober- und Niederösterreich beanstandet. In der Koalition hofft man, eine Lösung gefunden zu haben, die rechtlich hält. Die Mindestsicherung wird so wie bisher 863 Euro im Monat betragen, der Satz soll aber als Maximalwert gelten. Wer nicht über ausreichende Deutsch- und Englischkenntnisse verfügt und keinen Pflichtschulabschluss aufweisen kann, soll künftig um 300 Euro im Monat weniger erhalten. Anfangs war ein Deckel von 1500 Euro für kinderreiche Familien vorgesehen. Nun wird eine Art Einschleifregelung kommen. Für Alleinerziehende und Behinderte soll es mehr Geld geben.

Offiziell äußerte sich vor der heutigen Präsentation nur Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FP). Er sprach von einem Modell "im Sinne von sozialer Fairness und Gerechtigkeit". Die Notstandshilfe, deren Reform nächstes Jahr geplant ist, "wird nicht abgeschafft", versicherte er.

Stelzer: "Guter Entwurf"

Zu dem Mindestsicherungspaket der türkis-blauen Koalition sind am Mittwoch aus Oberösterreich Lob und Bedenken gekommen. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) kommentierte es mit: "Guter Entwurf". Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) sah vor allem Verschlechterungen für Kinder.

Video: Die Reaktionen aus Oberösterreich

 

Die Bundesregierung habe mit diesem Modell einen "guten Entwurf" vorgelegt - es gebe einen österreichweiten Rahmen vor, ermögliche den Bundesländern aber auch auf Härtefälle regional einzugehen, urteilte Stelzer. Das Modell trage die oberösterreichische Handschrift und sei ebenso an Integrationsleistungen gekoppelt. "Wir lassen niemanden im Stich, der Hilfe braucht, im Umkehrschluss gehört dazu aber auch ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Sprache Deutsch, zu unserem Wertegerüst und das Bemühen, am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu wollen", stellte der Landeshauptmann in einer Reaktion fest. Man werde sich den Entwurf im Detail ansehen und dem Umsetzungszeitraum entsprechend die notwendigen Adaptierungen für Oberösterreich vornehmen.

Gerstorfer: "Verschlechterung für Kinder"

Gerstorfer kritisierte, der Bundesregierung sei es nicht gelungen, alle rechtlichen Bedenken auszuräumen. "Gleichzeitig sieht die Regelung maßgebliche Verschlechterungen für tausende Kinder vor und bietet den erwachsenen Bezieherinnen und Bezieher unzureichende Unterstützung, um zurück in das Erwerbsleben zu finden", fasste sie zusammen. Sie rechnete vor, von den aktuell 12.914 Mindestsicherungsbeziehern in Oberösterreich seien knapp 40 Prozent Kinder - konkret: 5.060. Die von der Regierung geplante Benachteiligung von Kindern in Mindestsicherungs-Haushalten habe die Konsequenz, "dass die Armutsgefahr in den betroffenen Familien deutlich ansteigen wird", prognostizierte die Soziallandesrätin. Sie sieht einen "echten Malus für Familien und für die Chancengerechtigkeit".

In Bezug auf die Mindestsicherung als eine Überbrückungshilfe merkte die frühere Leiterin des AMS Oberösterreich und jetzige Soziallandesrätin an, ihre Erfahrung zeige, dass die geplanten Erwerbsanreize dafür zu kurz greifen würden. Ein Ausbau der Hilfe zur Arbeit wäre daher dringend notwendig gewesen. Zudem äußerte sie Zweifel, ob die fünfjährige Wartefrist für Drittstaatsangehörige sowie EU- und EWR-Bürger verfassungsrechtlich halten könne.

Die Mindestsicherung Neu

Laut Statistik Austria bezogen im Jahr 2017 307.853 Personen Mindestsicherung, rund die Hälfte davon Österreicher.

Die Mindestsicherung für Alleinstehende soll ab 2020 863 Euro betragen, für Paare 1208 Euro monatlich (zwölfmal pro Jahr). Voraussetzung für den Bezug sind Arbeits- und Integrationswilligkeit: Wer nicht über ausreichende Deutsch- (B1-Niveau) oder Englischkenntnisse (C1) verfügt, keinen Pflichtschulabschluss vorweisen kann und keine Wertekurse besucht hat, soll lediglich 563 Euro erhalten.

Für Kinder sind gestaffelte Beiträge vorgesehen: für das erste Kind 25 Prozent (215 Euro), für das zweite 15 Prozent (129 Euro), für jedes weitere fünf Prozent (43 Euro). Für Alleinerzieher sollen die Sätze höher ausfallen (erstes Kind: 100 Prozent, zweites: 75, drittes: 50, dann 25 Prozent). Für Menschen mit Behinderung sind 155 Euro monatlich mehr veranschlagt.

Zuwanderer sollen erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich Anspruch auf Mindestsicherung haben. Asylberechtigte sind allerdings Inländern gleichgestellt.

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24. April 2024