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„Mehr gegen die Privatkorruption tun“

Von Christoph Kotanko   21.Dezember 2011

Diskretion war oberstes Gebot. Über die Erkenntnisse der ausländischen Fachleute, die im Sommer Österreichs Korruptionsstrafrecht und die Parteienfinanzierung prüften, gab es nur Mutmaßungen. In der ersten Dezemberwoche wurden in Straßburg, dem Sitz des Europarates, die Ergebnisse mit österreichischen Experten diskutiert. Seit wenigen Tagen gibt es die Endberichte mit den Empfehlungen. Betroffen sind das Bundeskanzleramt, das für die Parteienfinanzierung zuständig ist, und das Justizministerium wegen des Korruptionsstrafrechts.

Konkrete Empfehlungen

Justizministerin Beatrix Karl (VP) erläutert im Gespräch mit den OÖNachrichten die Schlüsse, die GRECO (so heißt die Einheit zu Korruptionsbekämpfung) aus den umfangreichen Prüfungen zieht.

„Aus strafrechtlicher Sicht ist der Bericht positiv“, meint Karl. „Bei den früheren GRECO-Berichten (zuletzt 2008, Anm.) war klar, dass Österreich mit seinen Maßnahmen noch am Beginn steht. Jetzt werden uns Fortschritte attestiert. Es wird etwa gelobt, dass wir 2009 die Strafen verschärft haben.“ Aber „es gibt auch Kritik“, bestätigt die Ministerin. Zehn Empfehlungen werden im Bereich des Korruptionsstrafrechts ausgesprochen. Karl: „Wir sollten zum Beispiel mehr gegen die Privatkorruption tun und die Strafen erhöhen. Korruption zwischen privaten Unternehmen ist derzeit in bestimmten Fällen nur ein Privatanklagedelikt. Der Europarat empfiehlt, hier auch eine amtswegige Verfolgung zuzulassen.“

Unverhohlen kritisiert werden die weichen österreichischen Bestimmungen für die Strafbarkeit von Abgeordneten. Wörtlich heißt es im Bericht, es sei „die Kriminalisierung der aktiven und passiven Bestechung inländischer Abgeordneter substanziell auszuweiten, um sie mit der Strafrechtskonvention des Europarates in Einklang zu bringen“.

Fragwürdige Ausnahme

Zu überprüfen sei auch „die automatische Ausnahme von der Strafbarkeit bei tätiger Reue“.

Die GRECO-Experten empfehlen weiters, bei Amtsträgern die „Bestechung zu pflichtgemäßem Handeln oder Unterlassen“ stärker zu ahnden. Derzeit muss für die Strafbarkeit ein Verstoß gegen das Dienstrecht vorliegen.

Weiter rät der Europarat, alle Fälle von Bestechung und verbotener Intervention auch dann zu verfolgen, „wenn der Vorteil nicht in einem Vermögensvorteil besteht“, sondern z. B. in der Zusage für einen Job.

Insgesamt ist die Justizministerin mit dem Befund nicht unzufrieden, denn „es werden viele Empfehlungen abgegeben, die vergleichbare Staaten auch erhalten. Wir wollen das so weit wie möglich umsetzen.“ Nach der letzten Überprüfung 2008 „gab es 24 Empfehlungen, zwölf wurden zur Gänze, sieben teilweise verwirklicht. Diesmal haben wir eine Frist bis zum 30. Juni 2013.“

Karl verweist auf die vielen Vorhaben in der Pipeline. Das Lobbyinggesetz hat der Ministerrat beschlossen, am 11. Jänner gibt es ein Expertenhearing im Parlament. Rechtlich verankert werde auch der „whistleblower“, ein anonymer Hinweisgeber, der mit der ermittelnden Behörde zusammenarbeitet. Bewährt habe sich die Kronzeugenregelung. Auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft funktioniere.

Gericht und Glamour

Die Untersuchungsbehörden werden durch die Welle der Korruptionsvorwürfe beschäftigt (Bericht unten). Personell hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft Nöte.

„Es gibt freie Planposten“, so Karl. „Wir bekommen nicht genügend Staatsanwälte, weil es komplexe Fälle mit großer Verantwortung sind. Wir stellen jetzt sechs Wirtschaftsexperten zur Verfügung – Fachleute aus dem Controlling von Unternehmen oder von der Nationalbank.“

Manche aufsehenerregende Verfahren, etwa jene gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, ziehen sich Jahre hin. Grasser, der sein Glamourleben mit Gattin Fiona fortführt, klagt zwischendurch häufig über die säumige Justiz.

Die Ministerin dazu: „Da geht es um Wirtschaftsdelikte mit internationalen Verflechtungen, oft auch Rechtshilfeersuchen und Kontoöffnungen. Das dauert alles seine Zeit. Doch ich erwarte eine Beschleunigung durch den Einsatz der Wirtschaftsexperten.“

Nicht in den Zuständigkeitsbereich der Justizministerin gehört die Parteienfinanzierung, deren Regelungen ebenfalls von GRECO geprüft wurden. Hier ist das Kanzleramt bzw. das Parlament zuständig. Karl dazu grundsätzlich: „Hier fehlt es an Transparenz. Die Parteienfinanzierung ist ja nicht per se etwas Böses. Sie ist in Ordnung, wenn sie transparent ist. Das klingt simpel, der Teufel steckt im Detail. Das müssen die Vorfeldorganisationen der Parteien mittragen und die parteinahen Unternehmen. Nur so kann man Umgehungen vorbeugen.“

Den GRECO-Bericht möchte die Justizministerin „so bald wie möglich“ veröffentlicht sehen. Beim letzten Bericht dauerte die Publikation sechs Monate.

Politik und Korruption: 2011 folgte ein Verdachtsfall auf den anderen

Ernst Strasser war nur der Anfang: Der Ex-VP-Europaabgeordnete, der im März dieses Jahres in einem Video vor getarnten Journalisten einen käuflichen Eindruck machte, bildete den Auftakt für eine ganze Reihe von Korruptionsverdachtsfällen aus vergangenen Jahren, deren Details heuer ruchbar wurden.
Von der Telekom-Affäre über weitere Details aus der Buwog-Privatisierung hin zur fragwürdigen Vergabe eines Blaulichtfunk-Projekts reicht denn auch der Prüfauftrag jenes parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der unter dem Vorsitz von Gabriela Moser (Grüne) die Vorwürfe durchleuchten soll. Die prägendsten Affären im Überblick:

• Buwog: Beim Verkauf von 62.000 Wohnungen der Bundesimmobiliengesellschaft Buwog unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FP/VP) im Jahr 2004 steht der Verdacht einer illegalen Preisabsprache im Raum. Fest steht, dass eine 9,6 Millionen Euro hohe Provision vom Käufer Immofinanz an die Lobbyisten und Grasser-Vertrauten Peter Hochegger und Walter Meischberger geflossen ist.

• Telekom: Über Hochegger sollen auch etliche Zahlungen aus der Telekom an frühere Politiker geflossen sein – etwa an die Ex-Regierungsmitglieder Hubert Gorbach (FP/BZÖ) und Mathias Reichhold (FP). Welche Leistungen diesen Honoraren gegenüber stehen, wird geprüft. Ein Ex-Telekomvorstand behauptet, dass es dafür eine Telekom-freundliche Verordnung gegeben habe. Gleich mehrere hundert Millionen Euro hat ein Konsortium um den Investor Martin Schlaff beim Kauf der bulgarischen Mobiltel durch die Telekom verdient. Zusätzlich geht es um Kursmanipulationen durch Telekom-Manager.

• Tetron: Unter Ex-Innenminister Ernst Strasser (VP) bekamen Alcatel, Motorola und Telekom den Auftrag für den digitalen Behördenfunk Tetron. Dem ursprünglich beauftragten Konsortium mastertalk wurde der Auftrag entzogen. Dass rund um diesen Schwenk Mitglieder des Strasser-Kabinetts bei Jagdgesellschaften des Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly gesichtet wurden, wird ebenso untersucht wie die Provisionen, die Mensdorff-Pouilly erhalten haben soll. Gegen Mensdorff-Pouilly wird auch im Zusammenhang mit Geldflüssen rund um den Eurofighter-Ankauf ermittelt.

• Staatsbürgerschaften: FPK-Chef Uwe Scheuch soll einem Russen für ein nie getätigtes Investment samt Parteispende indirekt die österreichische Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt haben. Scheuch wurde deswegen bereits in erster Instanz verurteilt, er hat Berufung eingelegt. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

• Inseratenvergabe: Bundeskanzler Werner Faymann (SP) wird vorgeworfen, dass er während seiner Zeit als Infrastrukturminister auf Asfinag und ÖBB Druck ausgeübt haben soll, in bestimmten Medienunternehmen Inserate zu schalten.

Für alle im Zusammenhang mit den Vorwürfen genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.
 

 

Penible Prüfer

Der Europarat (47 Staaten) hat ein spezielles Gremium zur Korruptionsbekämpfung: GRECO (Groupe d’Etats contre la Corruption, Staatengruppe gegen Korruption). Mit detaillierten Fragebögen und Expertenbesuchen aus anderen Mitgliedsländern werden die gesetzlichen Maßnahmen geprüft. Die Berichte werden zwischen den Mitgliedern diskutiert und münden in Empfehlungen, deren Umsetzung kontrolliert wird.

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19. April 2024