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"Die Intrigen und Machtkämpfe gehen mir nicht ab"

Von Lucian Mayringer   05.Mai 2018

Am 10. Mai 2017 hat Reinhold Mitterlehner mit seinem Rückzug aus Partei und Regierung das Feld für Sebastian Kurz geräumt. Im Interview mit den OÖNachrichten erzählt der ehemalige VP-Chef und Vizekanzler, wie es ihm in dem Jahr als Unternehmer und nunmehr politischer Beobachter ergangen ist.

 

OÖNachrichten: Es heißt, die Politik sei eine Sucht. Wie oft hatten Sie in den vergangenen Monaten Entzugserscheinungen?

Reinhold Mitterlehner: Immer, wenn ich öffentlich rede. Das mache ich nach wie vor gerne. Die Schattenseiten, also die Intrigen und Machtkämpfe, gehen mir aber nicht ab.

Das Ministerkabinett, die Außenauftritte mit Tamtam, der Dienstwagen mit Chauffeur – Was fehlt am meisten?

Der Dienstwagen am wenigsten. Ich bin schon früher im Mühlviertel viel selbst gefahren, weil ich am Wochenende nicht den Fahrer verpflichten wollte. Am meisten fehlt die Infrastruktur des Büros. Dafür gewinnt man Zeithoheit, und man ist weniger fremdbestimmt.

Sie haben eine Beraterfirma gegründet. Sind Sie jetzt Lobbyist?

Es ist eine Dreiteilung. Ich halte Vorträge aus meinem Erfahrungsbereich. Ich berate Firmen, wo es um die Weiterentwicklung von Projekten geht. Und ich mache so etwas wie Lobbying, indem ich etwa aktuell einem Fachverband bei der Positionierung zur Klima- und Energiestrategie helfe.

Von Werner Faymann bis Josef Pühringer: Gibt es so etwas wie ein Netzwerk der Ex-Politiker?

Wir treffen uns da und dort. Ich habe auch Kontakte zu Werner Faymann und zu Josef Pühringer. Dabei geht’s weniger um Politik, eher darum, sich privat auszutauschen. Die Geschäftemacherei steht nicht im Vordergrund.

Mit Alfred Gusenbauer und zuletzt Eva Glawischnig kochte die Diskussion hoch, ob es für Ex-Politiker in ihrem Nachleben nicht höhere moralische Standards geben muss. Wo stehen Sie?

Die Diskussion ist unehrlich. Denn es gibt zwei Wege: Entweder der Staat unterstützt wie in Deutschland seine Politiker und gibt ihnen Infrastruktur, damit sie nicht gezwungen sind, später selbstständig ihre Kontakte zu nutzen. Oder man akzeptiert, dass man seine Netzwerke entsprechend verwendet. Das eine nicht zu haben und das andere zu verbieten, finde ich falsch. Was sollen denn Politiker sonst tun? Ich finde auch die Cooling-Off-Phasen problematisch. Ich war Wissenschaftsminister, und ich musste die Angebote von zwei Unis für Ratstätigkeiten ablehnen, weil für mich eine fünfjährige Abkühlphase gilt.

Dass Ihr Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling jetzt bei Gazprom angeheuert hat, ist für Sie also kein Problem?

Überhaupt nicht. Ich habe auch gute Kontakte zu Gazprom und hätte das genauso angenommen. Ich sehe auch keine Überschneidungen für Schelling.

Zu den Iden des Mai: Die Legende in der ÖVP sagt, Sie hätten Sebastian Kurz angeboten, ihn als Spitzenkandidat bei Neuwahlen vorzuschlagen. Dessen Drehbuch habe aber den abrupten Wechsel statt eines harmonischen Übergangs verlangt. Was ist dran?

Nur ein Teil ist wahr. Das mit der Spitzenkandidatur haben wir im Jänner 2017 vereinbart. Alles andere sind nachgeschobene Darstellungen. Ich habe aber nicht die Absicht, alles noch einmal aufzuwärmen, weil es mir nichts bringt und anderen schadet. Ich habe in diesem Jahr auch nichts kommentiert. Was ich wieder tun werde – allerdings nur aktuelle Themen.

Gab es in der Zeit Gelegenheiten für eine Aussprache mit Kurz?

Ja, mehrere. Wir haben uns zum Beispiel vor einer Woche zum Mittagessen getroffen. Das Verhältnis ist durchaus korrekt. Wie es in der Politik nicht unüblich ist.

Haben Sie auch über Ihre Chancen gesprochen, Nachfolger von Claus Raidl als Nationalbank-Präsident zu werden?

Möglicherweise werden beide Personalfragen, also auch jene des Nationalbank-Gouverneurs, im Paket gelöst. Das ist aber eine Entscheidung der Bundesregierung.

Sebastian Kurz hat "Neues" versprochen. Wie bewerten Sie das bisher Gezeigte demnach als Vertreter des "Alten"?

Ganz sicher ist nicht alles Alte falsch, wenn Sie die Wirtschaftsentwicklung sehen. Der Großteil der Maßnahmen, die davor getroffen wurden, muss richtig gewesen sein. Beim Neuen muss man abwarten, welchen Reformbeitrag die Regierung leisten wird. Offensichtlich hat man da und dort die Landtagswahlen abgewartet.

Worauf sind Sie gespannt?

Wenn die Krankenkassen thematisiert werden, geht es um echte Effizienz. Um die Frage, was der Versicherte mehr an Leistung hat. Der Bürger darf nicht den Eindruck gewinnen, bei der Neustrukturierung gehe es der Regierung nur um Posten, Macht und Pfründe.

Zurück zum Ausgangspunkt: Können Sie sich nach einem Jahr Auszeit vorstellen, noch einmal in die Politik zurückzukehren?

Ausschließen soll man nie etwas. Aber ich strebe das nicht an.

2023 könnte die ÖVP einen Hofburgkandidaten brauchen.

Daran hätte ich gar nicht gedacht.

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28. März 2024