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Die BVT-Affäre und ihre Folgen: "Das zerstört für den Geheimdienst alles"

Von Barbara Eidenberger und Lucian Mayringer   13.März 2018

Das BVT wird bis auf weiteres von Dominik Fasching geleitet, dem Chef der Abteilung für strategische Analyse. Sollten sich die Vorwürfe gegen BVT-Chef Peter Gridling als haltlos herausstellen, "dann ist selbstverständlich die Tür zur Rückkehr offen", sagte Kickl und wies den Vorwurf einer "Umfärbung" von sich.

Zurückgewiesen hat Kickl auch den Vorwurf, die vom Bundespräsidenten bereits unterschriebene Bestellungsurkunde für Gridlings Verlängerung als Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zurückgehalten zu haben. Die Frist dafür laufe bis 20. März: "Das wäre der späteste Tag gewesen, an dem ich das hätte machen können." Tatsächlich übergeben wurde Gridling das Dekret laut der Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, heute Dienstag - parallel zur Suspendierung.

Ursprünglich sei geplant gewesen, die Verlängerung mit einem "kleinen Festakt" zu feiern, sagte Kickl. Dann habe sich aber herausgestellt, dass Gridling von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt werde. "Von einer Umfärbung kann keine Rede sein", betonte der Minister. Und den interimistischen Leiter des BVT, Dominik Fasching, bezeichnete Kickl als "hervorragend qualifizierten Mann für diese Aufgabe".

Video: Kickl suspendiert BVT-Chef Gridling

"Bedauerlich, aber unausweichlich"

Dienstrechtliche Schritte gibt es laut Kickl gegen mehrere Personen, die in der BVT-Affäre als Beschuldigte geführt werden. Die Suspendierung Gridlings bezeichnete der Minister als "bedauerlich, aber unausweichlich". Auch die Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, erklärte, dass eine Suspendierung zu erfolgen habe, wenn die zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes gefährde.

Der Staatsanwaltschaft wurden laut Kickl mehrere Mitarbeiter des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung (BAK) zur Verfügung gestellt, um die rasche Aufklärung der Affäre zu ermöglichen. Sie seien der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dienstzugeteilt und daher auch ausschließlich ihr berichtspflichtig und weisungsgebunden. "Es gibt keinerlei Einflussnahme des Innenministeriums auf diese Ermittlungstätigkeiten", so Kickl.

Auch dass es in der BVT-Affäre eine Anzeige des Innenministeriums gegeben hat, wies Kickl zurück. Als sein Ministerium von den Vorwürfen erfahren habe, habe es lediglich "einen Konnex hergestellt zur Staatsanwaltschaft". Wie diese das bewertet habe, habe er nicht gewusst. "Ich habe in diesem Zusammenhang keine Namen zur Kenntnis genommen", sagte Kickl. Sowohl er als auch Kardeis behaupteten, von den Ermittlungen gegen Gridling erst im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung erfahren zu haben.

Zurückgewiesen wurde von Kickl die scharfe Kritik seines Parteichefs und Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) am BVT. Strache hatte auf Facebook u.a. von einem "Staat im Staat" gesprochen. "Die Aussagen des Herrn Vizekanzlers würde ich in dieser Art und Weise nicht teilen", sagte Kickl dazu. Im Übrigen glaubt sich Kickl in seinem Bemühen um "Aufklärung" und "Sauberkeit" in der Causa "in vollem Einvernehmen mit unserem Bundeskanzler (Sebastian) Kurz". Schließlich habe man erst kürzlich gemeinsam einen Masterplan zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet.

Ob der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden müsse, werde derzeit evaluiert. Für die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten sei die aktuelle Entwicklung natürlich "nicht erfreulich", so der Minister. Aber man wolle durch die rasche Klärung der Vorwürfe Vertrauen wieder herstellen.

Nicht bestätigen wollten Kickl und Kardeis, dass es sich beim Verfasser des anonymen Dossiers, auf dem die Ermittlungen gegen das BVTbasieren, um einen im Krankenstand befindlichen Abteilungsleiter handeln soll. Kardeis betonte, das anonyme Papier erst "seit gestern" im vollen Wortlaut zu kennen. Für BVT-Mitarbeiter soll es laut Kardeis künftig außerdem eine jährliche Schulung im Umgang mit sensiblen Daten geben.

Der Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen

Bisher sind die Vorgänge rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vor allem eines: undurchsichtig. 

Was macht die BVT-Affäre zur Staatsaffäre, deretwegen sich sogar schon der Bundespräsident eingeschaltet hat?

Hochbrisant ist , dass die Justiz gegen die Geheimdienst-Behörde im Innenministerium wegen Amtsmissbrauchs und Datenvergehen ermittelt. Das nährt unmittelbar die etwa von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel offen gezeigte Skepsis bezüglich eines Datenaustausches mit einem FP-geführten Innenministerium. Brisant ist auch, dass es bei den sechs Beschuldigten nicht um irgendwelche Beamten, sondern etwa um Noch-BVT-Direktor Peter Gridling und seinen Ex-Vize Wolfgang Zöhrer geht.

Steht dahinter vor allem eine eher brachial vorgetragene Umfärbeaktion für eine Behörde des Innenministeriums, das von Schwarz an Blau gegangen ist, wie die Opposition vermutet?

Das Motiv liegt nahe. Zöhrer warf bereits Ende 2017 das Handtuch. Gridlings Vertrag wird von Innenminister Herbert Kickl (FP) nicht verlängert. Für die beiden VP-Männer soll es im Wiener Landesverfassungsschutz Nachfolgekandidaten geben. Offen ist aber, warum nicht einfach diese Neubesetzungen abgewartet wurden.

 

 

Was macht die Razzia beim BVT am 28. Februar so eigenartig?

Zunächst der Ermittlungsgegenstand: Für vom BVT widerrechtlich nicht gelöschte Daten des Wiener Rechtsanwalts Gabriel Lansky zum Fall "Alijew" und den Vorwurf der angeblich illegal weitergegebenen nordkoreanischen Passmuster an Südkorea braucht es keine noch dazu vor dem Justizressort geheim gehaltenen Hausdurchsuchungen, sagen Insider: "Diese Informationen hätte man mit einer einfachen Befragung auch bekommen." Eigenartig war auch, dass die Korruptionsstaatsanwälte von der EGS begleitet wurden. Die Zivil-Beamten dieser Einsatzgruppe widmen sich üblicherweise der Straßenkriminalität. EGS-Chef ist der FP-Gewerkschafter Wolfgang Preiszler, ein Freund des Generalsekretärs im Innenressort und Kickl-Vertrauten, Peter Goldgruber.

Erklärungsbedürftig ist, dass man der Leiterin des BVT-Referats für Extremismus einen Besuch abgestattet und von ihr 40 Daten-CDs mitgenommen hat, obwohl sie nur als Zeugin geführt wird.

 

Welche Rolle spielen die BVT-Daten über Rechtsextremismus und Burschenschaften?

Eine rätselhafte: Der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, dementiert zwar Berichte, wonach der BVT-Ermittlungsstand zur rechten Szene seit 2006 "gespiegelt" (also kopiert) worden sei. Gleichzeitig räumt er ein, dass von den persönlichen Ordnern der Referatsleiterin "19,1 Gigabyte" sichergestellt worden seien. Den Abtransport der Daten übernahm die EGS. Die Opposition beschäftigt der Verdacht, dass sich die FPÖ Überblick über den geheimpolizeilichen Ermittlungsstand in der Neonazi-Szene verschaffen wollte.

 

Wer waren bisher die zentralen Figuren im Machtzirkel zwischen BVT und Ministerbüro im Innenministerium?

Als "graue Eminenz" galt Michael Kloibmüller, der in zehn Jahren Kabinettchef von fünf VP-Innenministern war. Zuletzt war Kloibmüller, dessen Vertrauter im BVT Vize-Chef Zöhrer war, Leiter der Präsidialsektion. Die Achse hat nun das Feld geräumt, was Kickl freie Bahn zur Neubesetzung gibt.

 

Wie ist die Stimmung im Innenministerium seit dem Regierungswechsel?

Ein Insider beschreibt sie als "eigenartig", es gebe keinen Informationsfluss vom Generalsekretär. Zwischen ÖVP-nahen Beamten und den nun von der FPÖ eingesetzten Führungspersonen soll tiefes Misstrauen herrschen.

 

Was bedeutet die BVT-Affäre für den Geheimdienst?

"Das zerstört für den Geheimdienst alles. International haben wir damit völlig an Ansehen und Reputation verloren", sagt ein Mitarbeiter des Innenministeriums. Für den österreichischen Geheimdienst sei es nun unmöglich, Informationen zu bekommen.

 

Justizministerium prüft Staatsanwaltschafts-Bericht

Dem Justizministerium liegt seit Montag der angeforderte Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Affäre ums Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vor. Die Protokolle und Aktenvorgänge der einzelnen Amtshandlungen würden nun im Rahmen der Fachaufsicht rasch geprüft, hieß es Dienstagfrüh in einer Aussendung.

Justizminister Josef Moser (ÖVP) hatte vergangene Woche die Staatsanwaltschaft beauftragt, bis Anfang dieser Woche nach allen Richtungen darzustellen, warum beim BVT Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden und ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingehalten worden sei.

Der Bericht ging am Montag im Justizministerium ein, am Nachmittag fand laut der Aussendung eine Dienstbesprechung mit Vertretern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und der übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft Wien im Ministerium statt, "in deren Rahmen die Sach- und Rechtslage erörtert wurde".

Bereits bestätigt werden könne, "dass die staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungs- und Sicherstellungsanordnungen Begründungen enthielten und vor deren Durchführung gerichtlich bewilligt wurden". Die Amtshandlungen seien von der Staatsanwaltschaft geleitet und unter Beiziehung von IT-Experten durchgeführt worden, hieß es in der Aussendung aus Mosers Büro weiter.

Wenn die Prüfung der Unterlagen im Rahmen der Fachaufsicht abgeschlossen ist - was dem Vernehmen nach recht rasch der Fall sein soll -, wird die Öffentlichkeit über die Ergebnisse informiert, soweit es das anhängige Ermittlungsverfahren zulasse, kündigte das Minister-Büro an.

 

 

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19. April 2024