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"Das ist einfach Zensur": Breite Front gegen Innenminister Kickl

Von Barbara Eidenberger   26.September 2018

Das E-Mail, das Innenministeriums-Ressortsprecher Christoph Pölzl an alle Pressestellen der Landespolizeidirektion schickte, kommt als "Anregung" einer "einheitlichen Ressortlinie in der Kommunikation" daher. Doch die aufgelisteten Ersuchen haben es in sich: Die Staatsbürgerschaft von mutmaßlichen Tätern und ihr Aufenthaltsstatus sollen genannt werden, Sexualdelikte soll die Polizei "proaktiv aussenden" – sofern es sich um keine familieninterne Tat handelt.

Und: Es wird angeregt, die Kommunikation mit "gewissen Medien" auf das "Nötigste" zu beschränken. Denn, so  klagt  der E-Mail-Verfasser: von diesen Medien würde eine "einseitige und negative Berichterstattung betrieben". Das interne E-Mail fand seinen Weg an die Öffentlichkeit. Wohl auch, weil innerhalb der Polizei das Verständnis dafür gering ist. Über Sexualdelikte wurde bisher aus Opferschutzgründen zurückhaltend informiert. Darüber hinaus besteht bei 80 Prozent der Fällen eine Opfer-Täter-Beziehung. Zu der Nennung des Herkunftslandes gibt es einen Erlass des Justizministeriums: Diese soll nur dann erfolgen, wenn "dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs notwendig" ist. Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl sieht in dem E-Mail den Versuch, Berichterstattung "strategisch zu steuern, um Vorurteile und falsche Einstellungen zu verstärken". Die Kommunikation mit kritischen Medien einzuschränken sei "einfach Zensur".

Im Innenministerium betont man, das E-Mail hätte keinen "Weisungscharakter". Minister Herbert Kickl (FPÖ) erklärte, er habe mit dem Verfasser ein "klärendes Gespräch" geführt: "Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit ‚kritischen Medien‘ finden nicht meine Zustimmung." Man befinde sich im "Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Verantwortung". Diesem wolle man "künftig noch besser gerecht" werden.

Thema heute im Nationalrat

So leicht könne sich Kickl nicht aus seiner ministeriellen Verantwortung stehlen, betonte die Opposition. SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda nannte die "Empfehlungen" des Innenministeriums einen "Maulkorberlass". Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah alle Hemmschwellen fallen: "Kickl ist endgültig rücktrittsreif." Bei der heutigen Parlamentssitzung erwarten den Innenminister eine dringliche Anfrage der Neos, auch ein neuerlicher Misstrauensantrag steht im Raum.

 

Kritik an den Vorgängen im Innenministerium gab es erstmals auch vom Koalitionspartner. Bundeskanzler Sebastian Kurz: "Die Ausgrenzung von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden." Karoline Edtstadler, türkise Staatssekretärin im Innenministerium betonte, in "keiner Weise involviert" gewesen zu sein: "Ich stehe für transparente Kommunikation mit den Medien." Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) stellte klar, dass man von einem Innenminister erwarten könne, dass er mit "sensiblen Themen" wie Meinungsfreiheit "besonnen" umgehe.

Auch polizeiintern wächst der Ärger. Schon Kickls Vorgehen in der BVT-Affäre hatte viele verunsichert. In den Landespolizeidirektionen (LPD) ist man um Beruhigung bemüht. "Für uns hat sich nichts geändert", sagt David Furtner, Leiter der Pressestelle der LPD Oberösterreich: "Wir arbeiten mit allen Medien gut zusammen. Das Verhältnis ist von gegenseitiger Wertschätzung geprägt."

Reaktionen

Das E-Mail aus dem Innenministerium hat eine Welle der Empörung ausgelöst – auch beim Koalitionspartner.

"Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist inakzeptabel. Öffentliche Stellen haben die Pflicht, die Medien umfassend zu informieren.“
Alexander Van der Bellen, Bundespräsident

„Die Ausgrenzung von ausgewählten Medien darf nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien.“
Sebastian Kurz , Bundeskanzler, ÖVP

„Von einem Innenminister kann man erwarten, dass er beim sensiblen Thema Meinungsfreiheit besonnen vorgeht. Ich gehe davon aus, dass dies in Zukunft der Fall ist.“
Thomas Stelzer, Landeshauptmann, ÖVP

„Das hat nichts mehr zu tun mit Demokratie. Das ist der Weg in einen autoritären Staat. Wer kein Demokrat ist, hat in der Regierung nichts verloren. “
Beate Meinl-Reisinger, Neos

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29. März 2024