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Das fehlende Wir-Gefühl

Von Peter Filzmaier, 20. Jänner 2015, 00:04 Uhr
Pegida Demonstration Dresden
Bild: Reuters

„Wir sind das Volk“, skandierten Demonstranten in der ehemaligen DDR – heute rufen das in Deutschland die Anhänger der Pegida. Zeit, über den Volksbegriff nachzudenken.

Wir sind das Volk! Wer das ruft, protestiert „gegen die da oben“. Dabei macht es offenbar keinen Unterschied, ob die politischen Eliten demokratisch gewählt wurden oder nicht. Derselbe Chor wurde sowohl 1989 gegen das DDR-Regime als auch 2014 von patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes – kurz Pegida – in der Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen.

Die Grundidee war und ist, unter Demonstranten eine Stimmung der Gemeinsamkeit zu schaffen. Gleichzeitig wird unterstellt, man sei die Überzahl ungerecht behandelter Bürger. In Demokratien ist das heikel, weil Teilgruppen behaupten, mehr Unterstützer hinter sich zu haben, als es Vertreter anderer Meinungen gibt.

Gegendemonstranten tun übrigens oft dasselbe. Beide Seiten vereinnahmen die schweigende Mehrheit zu Hause, ohne Beleg oder Mandat dafür zu haben. Wer den „Wir haben immer recht!“-Wahrheitsanspruch nicht teilt, wird als Propagandist – Stichwort „Lügenpresse“ – verunglimpft.

Hinzu kommt, dass „Wir sind das Volk!“-Rufer als Minderheit – auch 100.000 Menschen auf der Straße wären in Österreich bloß rund 1,5 Prozent aller Wahlberechtigten – für ihre Interessen Volkssouveränität beanspruchen und die Legitimität von ordentlich gewähltem Parlament und Bundesregierung bezweifeln. In Einzelfällen stellt man das Gewaltmonopol des Staates in Frage. Macht das Schule, wird früher oder später der demokratische Grundkonsens nicht anerkannt.

Wer ist das Volk?

Spannend ist die Frage, wer wirklich das Volk ist. Verfassungsrechtlich gilt das Staatsvolk als „Souverän“ und entspricht der Summe aller Bürger mit Staatsbürgerschaft, die durch ihr Wahlrecht an politischen Entscheidungen teilnehmen. Die Wohnbevölkerung mit fremder Staatsangehörigkeit gehört nicht dazu.

Das klingt einfach, doch zeigen die Beteiligungsrechte im Detail viele Tücken. Bei Gemeinderatswahlen dürfen hier wohnende Bürger anderer EU-Staaten mitmachen, beim Landtag und Nationalrat nicht. Ist das logisch? Wo ist die zeitmäßige Grenze, dass sehr lange im Ausland lebende Österreicher oder einen Großteil ihres Lebens in der Alpenrepublik lebende Nicht-Österreicher wählen dürfen oder nicht? Soll die Wahlteilnahme ab 14, 16, 18, 19 oder 21 Jahren möglich sein? Macht es Sinn, unabhängig von der Staatsbürgerschaft allen Steuerpflichtigen – oder allen, die von Handlungen unserer Politik betroffen sind – ein Mitspracherecht zu geben?

Zur Sensibilität verpflichtet

All das kann so oder so argumentiert werden, wodurch in der Verfassung eine unterschiedliche Definition des Volkes zustande kommt. Wer das wie Pegida kritisiert, verweist meistens auf den ethnisch-politischen Sinn des Volksbegriffs, dass es sich um eine große Gruppe von Menschen mit gemeinsamer Abstammung handeln würde. Philosophische Thesen finden sich dazu in der (Früh-)Romantik von Friedrich Hegel bis Johann Gottfried Herder, also seit dem 18. Jahrhundert.

Zugleich wurde der historische Volksbegriff durch die Rassenlehre pervertiert. In Deutschland und Österreich führte er zum Ideal der arischen Abstammung und war Grundlage eines Massenmordes. Wir sind deshalb zur Sensibilität verpflichtet. In der geschichtsphilosophischen Beschreibung eines Volkes wären außerdem Vielvölkerstaaten oder Staaten mit Minderheiten ein Widerspruch in sich.

Zuletzt hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ausgerechnet bei der Trauerfeier für die Charlie-Hebdo-Opfer in Paris quasi betont, dass man in Ungarn nur echte Ungarn haben wolle. Was wiederum allen EU-Verträgen widerspricht.

Hierzulande ist die gemeinsame Abstammung von Fleischhauer, Resnik und Meszaros – die Namen in drei Sprachen bedeuten exakt dasselbe und finden sich unzählig im Wiener Telefonbuch – sowieso schwierig.
Der frühere Politiker Peter Westenthaler etwa hieß bis 1984 Hojac. Unser Land ist eben aus einem österreichischen, ungarischen, tschechischen usw. Monarchiegebilde entstanden. Da hat keine ethnische Gruppe im Sinn von Hegel & Co als Volk ein dauerhaftes Staatswesen geschaffen.

Schaler Beigeschmack

Der alternative Ausdruck „Kulturnation“ für Völker, die sich nicht nachhaltig staatlich organisierten, kann alltagssprachlich einen schalen Beigeschmack haben. Es gibt auch Extremisten, die anhand dessen allzu völkisch an vergangene Zeiten Deutschlands anknüpfen wollen. Oder Spinner mit Schwarz-Weiß-Denken von „staatsbegabten“ (weißen) Zivilisierten und irgendwelchen Wilden.

In religiöser Hinsicht sinngleich sah das die katholische Kirche zur Zeit der Kreuzzüge und tun das heute Fundamentalisten im Islam. Die Folgen waren stets Mord und Totschlag.

Überraschend ist das nicht, denn das Wort Volk entsprang dem althochdeutschen „folc“ und geht auf „Kriegsvolk“ zurück. Was ein wechselweises Einschlagen der Schädel bedeutete.

Nachdenken über ein modernisiertes Volksverständnis ist demnach angebracht. Trotz der Internationalisierung hat sich dabei nicht durchgesetzt, dass die EU-ropäer ein Volk wären, weil sie eine ähnliche Herkunft, Geschichte und Kultur haben sowie in einem bestimmten Gebiet zusammenleben. Vertrauter klingt weiter das deutsche Volk in Deutschland, die Franzosen in Frankreich und – angesichts der heimischen Geschichte etwas kurios – die Österreicher in Österreich.

Zugehörigkeitsgefühl

Hoffentlich wird anerkannt, dass gleich den USA zum Volk Menschen vieler Hautfarben, verschiedenster Herkunft und zahlreicher Religionen gehören. Es muss nicht einmal ein Faktor des Wir-Wesens sein, dieselbe Sprache zu sprechen. Damit ist nicht gemeint, dass Wiener, Kärntner und Vorarlberger häufig Verständigungsprobleme haben. Sondern dass es sonst die Schweiz, Belgien und Kanada mit mehreren Landessprachen nicht gäbe.

Die soziologisch naheliegende Betrachtungsweise, ein Volk als ewige Sprachgemeinschaft wäre Basis der Gesellschaft, ist nicht umsetzbar. Es geht um das Zugehörigkeitsgefühl der Bewohner eines Landes, in dem der Austausch zwischen Menschen mit abweichender Herkunft funktionieren muss. Das zu fördern, entspricht dem Demokratiedenken, dass kein Mensch wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Sprache oder Religion benachteiligt wird.
Radikale Islamisten und angebliche „Wir sind das Volk!“-Bewegungen haben in demokratischen Staaten ein gleiches Denken, das nicht verstehen zu wollen. In Wahrheit kennen und wollen sie, wie leider auch andere Gruppen, keinerlei echtes Wir-Gefühl.

Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an den Universitäten Krems und Graz

 

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15  Kommentare
15  Kommentare
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( Kommentare)
am 21.01.2015 01:38

Ich bin sprachlos! In diesem Forum stöbern scheinbar einige bisher unentdeckte Politikgenies.......die Welt ist größer und mächtiger wie es so mancher Leser in seinem Kämmerchen wahrhaben möchte....und wenn ich da lese Genderwahn, Anpassung da läuft es mir kalt den Rücken runter.

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kratzfrei (19.103 Kommentare)
am 20.01.2015 21:25

wir müssten uns ganz und gar dem angloamerikanischen Vorstellungen unterwerfen, dann ist er auf dem Holzweg. Der Kopierwahn geht zwar munter weiter, doch die damit verbundenen Probleme schießen nur so wie die Schwammerln aus den Boden.
Das was die USA zusammenhält ist eine Mischung aus mehr oder weniger autoritärem Zwang und Geldgier und es genügt ein Blick hinter die Fassaden, was sich dort wirklich abspielt.
Mag sein, dass der Filzmaier sich das alles so für uns wünscht, weil er ja nicht anderes gelernt hat, doch wird dieses Modell so bei uns nicht mehr lange funktionieren, weil wir glücklicherweise noch andere Verhältnisse als in den USA haben.

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am 20.01.2015 13:25

"Zuletzt hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ausgerechnet bei der Trauerfeier für die Charlie-Hebdo-Opfer in Paris quasi betont, dass man in Ungarn nur echte Ungarn haben wolle."

wenn der filzmaier für diese artikel verantwortlich ist, dann bin ich masslos von ihm enntäuscht.

der orban möchte NUR keine wirtschaftsflüchtlinge

http://www.origo.hu/itthon/20150111-orban-gazdasagi-menekulteket-ne-tud-fogadni-az-orszag.html

mit diese aussage ist er auf der niveau adrowitzer/gelegs gesunken.

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( Kommentare)
am 20.01.2015 13:41

ob ein filzmaier,
der filzmaier
so eine falsche wiedergabe notwendig hat!

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am 20.01.2015 20:13

wie filzmaier etwas anderes zu erwarten?

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am 20.01.2015 23:21

- mit seine druckreife formulierungen, mit schalk in seinen auge, mit leichte zynisches lächeln - mir noch nie aufgefallen.
vielleicht das "gesammtbild filzmaier" lenkte mir zu sehr ab und stufte ich ihm als neutral ein.

kann sein, dass er von einen linke gelinkt wurde und da er höchstwahrscheinlich kein ungarisch kann, musste er die übersetzung glauben schenken, welche er bekommen hat.
oder
wie ich ihn kenne, nicht umsonst hat das wörtchen "quasi" eingebaut in seinem text. "....in Paris quasi betont, dass man in Ungarn nur echte Ungarn haben wolle."

alter fuchs................hab wikipedia jetzt angeschaut
:-)
"Quasi deutet damit meist auf etwas Fertiges hin, bei dem aber noch ein kleines Restrisiko besteht. Das Wort quasi ist daher oft auch nur der freundliche Hinweis auf einen kleinen Selbstzweifel bzw. eine Selbstanzeige in Bezug auf einen selbst beschriebenen Sachverhalt, dem der damit Angesprochene nachgehen kann oder nicht."

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am 20.01.2015 23:36

ich möchte mich wegen der vergleich mit adrowitzer und gelegs
entschuldigen und das wort "quasi" wird nach ein paar übungssätzen in meinen aktiver wortschatz aufgenommen.

grinsen

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Gugelbua (31.930 Kommentare)
am 20.01.2015 11:25

grinsen

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( Kommentare)
am 20.01.2015 18:58

http://volksgruppen.orf.at/magyarok/meldungen/stories/2688958/

ich wuchs unter juden auf, die - zwar nicht auf grosse glocke gehängt - die eigene religion ausüben könnten. haben wir künstler, wie zoran stevanovity (abstammung ehem jugoslavien), delhusa gjon (albanien) etc und wurden die als ungaren betrachtet. es ist in ungarn NORMAL, dass man zweisprachig ist. seit eh und je gibts zweisprachige ortstafel und im grenzregionen sind sogar die geschäfte zweisprachig. es ist selbstverständlich in ungarn. die nationalitäten können im politik mitmischen. wenn 5 ein kandidat aufstellt, sind schon drinnen. derjenige vertritt die gruppe und erzählt die spezifische probleme - sowas gibts in österreich doch nicht!

die volk betrachtet ein person als ungare wenn die sprache beherrscht und/oder als ungare fühlt. auch orban.

egal, wie der adrowitzer/gelegs/filzmaier die meinungsbildung hier in österreich formen möchten.

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zweitaccount (4.217 Kommentare)
am 20.01.2015 09:22

Danke Herr Filzmaier für diese klaren und erfrischenden Worte!

Sowohl der Vergleich der ideologisch geblendeten Minderheiten - Pegida in Deutschland, Dschihadisten in den arabischen Ländern - als auch der Vergleich mit der etwas weiter zurückliegenden Geschichte 'unserer' Kirche spiegelt auch meine Meinung wider.

Den Forderungskatalog der Pegida habe ich gelesen, und er ist so verfasst, dass er bei vielen Menschen Zustimmung findet. Dazu sollte man jedoch die handelnden Personen näher betrachten, und die Forderungen nochmals, kritisch betrachtend, lesen. Das würde viele Menschen vom harmlosen? Mitläufertum abhalten. Fanatiker gibt es überall, und es ist überall eine Minderheit, von der ich mich nicht narrisch machen lasse.

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( Kommentare)
am 20.01.2015 20:16

mit islamistischen mörderbanden gleichsetzt sollte besser seine eigene ideologische verblendung hinterfragen.

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 20.01.2015 08:40

hat es die meisten rassisten, das vergisst der gute herr filzmaier.

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auchfussgaenger (1.229 Kommentare)
am 20.01.2015 13:12

Quelle?

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FranzausWels (2.700 Kommentare)
am 20.01.2015 06:24

Zuwanderer hart ins Gericht. Egal ob Asylanten oder Wirtschaftsflüchtlinge. Es ist wie bei uns. Das bestehende Volk SOLL sich anpassen, und das kann nicht sein. Neben Genderwahn auch noch Rücksicht auf fremde Kulturen ausüben zu MÜSSEN, ist eine Verarschung und Diskriminierung der Bürger. Ich will miß Piggy und die 3 kleinen Schweinchen behalten dürfen, auch wenns den " Muslimen in den Anus Kriechern" nicht passt. Eigenartig daran ist: Bilder von Scheinen lehnen sie aus religiösen Gründen ab, aber saufen dürfen sie trotz verbot im koran. Diese Doppelmoral ist es, die manche zum kochen bringt.

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( Kommentare)
am 20.01.2015 22:49

aber sehen wir die hiesige "ungustln", wie die, die frankenkrediten meistern. werden die auch hinter der bevölkerung stehen?

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