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Das Parteibuch als Ladenhüter

Von Lucian Mayringer   27.November 2014

Am Freitag stellt sich Werner Faymann auf dem SP-Parteitag in Wien seiner mit Spannung erwarteten Wiederwahl als Vorsitzender. Die Kanzlerpartei muss sich am Rande dieses Hochamtes auch einem anderen Phänomen widmen: Nur noch 205.000 Mitglieder zählt die stolze Sozialdemokratie. Gemessen am Höchststand von 721.000 im Jahre 1979 sind damit mehr als zwei Drittel der Parteibuchbesitzer abhandengekommen. Eine Entwicklung, die bei der ÖVP zwar mangels fundierter Zahlen (siehe Kasten) nicht nachzuweisen ist, aber ebenfalls vermutet wird.

Aus Sicht des Politologen Peter Filzmaier gibt es für die Regierungsparteien noch keinen Grund zur Panik. In Relation zu Deutschland sei deren Zahl der Mitglieder "immer noch untypisch hoch". So weist die SPD im zehnmal größeren Nachbarland "knapp eine halbe Million" Mitglieder aus. CDU/CSU kommen gemeinsam auf 630.000 Beitragszahler.

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Rekordhalter in Europa

In Österreich hatte bis in die 80er Jahre beinahe jeder fünfte Einwohner ein rotes oder schwarzes Parteibuch. Filzmaier sieht mehrere Gründe für das Rekordniveau im freien Teil Europas: Die Patronage-Funktion einer Partei war gesellschaftlich anerkannt. Nach dem Motto, ich zahle Mitgliedsbeitrag, dafür werde ich bei der Suche nach Wohnung oder Job unterstützt. Der Hinweis, "mir hat die Partei bei der Gemeindewohnung geholfen", wurde in der Nachkriegsgeneration mit Stolz offen gesagt, erklärt Filzmaier.

Ausgelöst wurde der Wandel aber zunächst durch eine praktische Entwicklung. Absolute Mehrheiten, ob jene der SPÖ im Bund, oder rote oder schwarze Absolute in den Bundesländern gingen nach und nach verloren. Das habe auch den Glauben vieler Mitglieder an die Fähigkeiten ihrer Partei eingeschränkt, Dinge in ihrem Sinne regeln zu können.

Hinzu kam, dass im Zuge von Privatisierungen bis hin zur Globalisierung die Politik insgesamt Einfluss an die Wirtschaft abgeben musste.

Junge wollen wechseln

Als Hauptgrund für den anhaltenden Mitgliederschwund sieht Filzmaier den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Individualisierung, der bis heute anhalte: "Jüngere wollen flexibel, ungebunden sein, je nach Lebenssituation auch die Partei wechseln", sagt der Politikwissenschafter. Aus 80 Prozent Stammwählern in den 70er Jahren sind mittlerweile 25 Prozent geworden. Das alles spreche gegen das Parteibuch. Mit dem Effekt, dass kaum noch junge Mitglieder nachrücken.

Freilich habe auch das Image der Politik gelitten. "Parteibuchwirtschaft" ist im Gegensatz zur Nachkriegszeit negativ besetzt – im Sinne von Missbrauch zugunsten der eigenen Leute, aber zum Schaden der Allgemeinheit.


Das schwarze Geheimnis

„650.000, über die Jahre relativ konstant“, so schätzt VP-Sprecherin Iris Müller-Guttenbrunn die Mitgliederzahlen ihrer Partei ein. „Es gibt aus der ÖVP keine validen Zahlen“, relativiert Parteienforscher Hubert Sickinger diese Angaben: Tatsächlich hat die Bundes-VP keine direkten Mitglieder, diese werden über die sechs Bünde mit teils höchst unterschiedlichen Voraussetzungen rekrutiert.

Wer etwa der Jungen ÖVP (JVP) beitritt, ist gleichzeitig Mitglied der Bundespartei, eine Automatik, die es sonst bei keiner Teilorganisation gibt.

Beim Bauernbund, der für sich 300.000 Mitglieder angibt, gilt ein Familienbonus für jeden Vollzahler. Insgesamt sind Mehrfachmitgliedschaften bei den Bünden möglich und angeblich keine Seltenheit. Bereinigt werden die Listen in der Bundeszentrale jedenfalls nicht.

Und weil bei der ÖVP die Geduld bei säumigen Mitgliedsbeiträgen besonders groß sei, müsse man mit einer erheblichen Zahl „an Karteileichen“ rechnen, so Sickinger, der 2005 für eine eigene Publikation noch von 780.000 VP-Mitgliedern ausgegangen ist. Damit lässt sich der Bedeutungsschwund des Parteibuches bei der ÖVP trotz fehlender fundierter Zahlen zumindest erahnen.

Schwierig ist der Vergleich mit der SPÖ, auch weil diese ihre registrierten Senioren (330.000) nicht in der Mitgliederrechnung führe, die Volkspartei aber schon.

Sieht man von Ermäßigungen ab, dann bewegen sich die jährlichen Mitgliedsbeiträge bei den Regierungsparteien zum Vollpreis zwischen 60 Euro, dem Richtwert bei der ÖVP, und 68,40 bei der SPÖ.

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28. März 2024