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Zwei haben einen Plan

Von Sylvia Wörgetter   18.Mai 2020

Europas Wirtschaft schlittert  als Folge der Corona-Pandemie in die Rezession. Die EU-Kommission arbeitet an einem großen Plan zum Wiederaufbau. Chefin  Ursula von der Leyen wollte ihn  bereits Anfang Mai vorlegen. Aber die Sache hakt gewaltig.

Einigkeit herrscht zwischen den 27 EU-Staaten bisher nur in zwei Punkten: Der Wiederaufbauplan soll erstens an das nächste Siebenjahresbudget (2021 bis 2027) gekoppelt werden. Und er soll zweitens über Anleihen finanziert werden, welche  die EU-Kommission – mit dem Haushalt als Sicherheit – auflegt. Das solcherart auf den Kapitalmärkten  beschaffte Geld soll an die EU-Staaten verteilt werden, die Finanzspritzen brauchen.

Auf welche Weise dies geschehen soll – über Kredite oder  nicht rückzahlbare Zuschüsse – war und ist die größte Streitfrage. Auch Angela Merkel und Emmanuel Macron standen  zuweilen in unterschiedlichen Lagern. Doch am Montag warfen die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident den ins Stocken geratenen Reformmotor wieder an: Sie schlagen einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 500 Milliarden Euro vor. Er soll befüllt werden, indem die Kommission auf dem Kapitalmarkt Schulden aufnimmt. Schulden, die über den Zeitraum von 20 Jahren aus dem EU-Haushalt zurückgezahlt werden.

Das Geld aus dem Wiederaufbaufonds soll – das ist ein  großes Zugeständnis Deutschlands – nicht in Form von  Krediten an notleidende Staaten vergeben werden, sondern als nicht rückzahlbare Zuschüsse. „Europa muss zusammenstehen“, sagte Angela Merkel. Und Emmanuel  Macron,  der zur Pressekonferenz im Kanzleramt in Berlin per Video zugeschaltet war, hoffte,  „dass das von allen Partnern mitgetragen wird.“

Merkel und Macron ist bewusst, dass noch 25 Staaten zustimmen müssen. Sie wollten  ein „Signal setzen“ und „eine neue Dynamik entfachen“, wie die Kanzlerin sagte.

Macron hatte sich in der Coronakrise zum Sprecher der südeuropäischen Staaten gemacht.  „Wenn wir einen Teil Europas fallen lassen, wird ganz Europa fallen“, hatte er  gewarnt.  Es geht darum, die Schere zwischen Nord und Süd nicht noch weiter aufgehen zu lassen. Die reicheren Staaten im Norden haben mehr Mittel, um ihrer Wirtschaft zu helfen. Staaten wie Italien, aber auch  Frankreich, ächzen jetzt schon unter einer hohen Schuldenquote. Finanzspritzen aus dem Wiederaufbauplan  könnten ihre – budgetpolitisch zum Teil selbst verschuldete Geldnot  – zwar lindern. Wird aber Jahre später die Rückzahlung fällig, würde das ihre  Erholung gegenüber dem Rest Europas  enorm verzögern. Daher ihre Forderung nach Direktzuschüssen. Macron wollte ursprünglich 1000 Milliarden  Euro mobilisieren.  Dass es jetzt die Hälfte sein soll, ist als Zugeständnis auf französischer Seite zu werten.

Nichts illustriert das Gefälle zwischen Nord und Süd sowie reicheren und ärmeren Staaten besser als die Statistik der staatlichen Beihilfen. Mit fast 2000 Milliarden Euro haben die EU-Staaten seit Beginn der Coronakrise ihre Unternehmen unterstützt. 51 Prozent dieser Summe entfallen allein auf Deutschland. Das heißt: Deutschlands Finanzminister kann mehr Geld locker machen, um  Unternehmen  durch die Krise zu helfen, als alle anderen EU-Staaten zusammen.

Im Prinzip sind staatliche Subventionen in der EU nur sehr beschränkt erlaubt, um unfairen Wettbewerb zu unterbinden.  Doch seit Mitte März sind die Regeln gelockert. 

Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat coronabedingt  noch jedes Ansuchen eines Staates um Beihilfen für seine Wirtschaft genehmigt.  Das  ist  das Gebot der Stunde, um Arbeitsplätze und Betriebe zu erhalten. Es hat aber einen unerwünschten  Nebeneffekt.  In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung verwies  Vestager am Montag auf die Gefahr, dass  der Wettbewerb auf dem EU-Binnenmarkt verzerrt und so die wirtschaftliche Erholung gebremst werde. „Das  ist zu einem gewissen Grad schon eingetreten“, sagte die Dänin.

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29. März 2024