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Werden britische Gewässer für EU-Fischer tabu?

Von Sylvia Wörgetter, Ostende, 06. Juli 2020, 00:04 Uhr
Werden britische Gewässer für EU-Fischer tabu?
Der britische Premierminister Boris Johnson – die Fischereirechte sind sein Trumpf im Poker mit der EU. Bild: Reuters

Im Poker mit Brüssel hat Boris Johnson einen Trumpf in der Hand: Die Fischereirechte.

Im Hafen von Ostende sind nur wenige Fischtrawler zu sehen. "Die meisten sind gerade auf See", sagt Emiel Brouckaert, Chef der belgischen Fischereivereinigung. Die größeren Schiffe können Wochen unterwegs sein, bevor sie in den Heimathafen an der belgischen Nordseeküste zurückkehren. Sie fischen im Ärmelkanal, in der Nordsee, der keltischen und irischen See. Scholle und Seezunge fangen sie vor allem. Das war nie anders. "Wir waren schon immer in britischen Gewässern unterwegs."

Aber nun gibt es ein Problem. Es heißt Brexit. Premier Boris Johnson hat die Fischerei schon während der Kampagne zum Austrittsreferendum 2016 zur nationalen Frage hochstilisiert. In der Brexit-Folklore ist der Fischer in seinem kleinen Dorf an Cornwalls Küste das Beispiel dafür, wie übel die EU dem Land mitspielt. Mit dem Austritt, so das Versprechen Johnsons, gewinnt Großbritannien die Kontrolle zurück, auch und vor allem über die eigenen Gewässer.

Viele Briten glauben Johnson

Sollte das bedeuten, dass die EU-Staaten dort ihre Fischereirechte verlieren, wird das zur Existenzbedrohung für viele Fischer an den Küsten Nordeuropas – in Belgien, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich. "Der Fang aus britischen Gewässern bringt 50 Prozent unserer Einnahmen", erklärt Emiel Brouckaert in seinem Büro am Fischereidock von Ostende. Das entspricht einem Wert von 40 Millionen Euro für die belgische Fischerei. Französische Boote holen pro Jahr Fisch im Wert von 182 Millionen Euro aus der britischen Zone, die ein Gebiet von bis zu 200 Meilen vor der Küste umfasst.

Viele Briten glaubten Johnsons Versprechen gerne. Sie empfinden es als ungerecht, das eigene Seegebiet mit den Fischereiflotten anderer EU-Staaten teilen zu müssen. Am 31. Jänner ist Großbritannien aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende läuft eine Übergangsfrist. Solange bleibt alles unverändert. Um Zölle und Abgaben in der Zeit danach zu vermeiden, versuchen die EU und das Königreich, ein Freihandelsabkommen zu schließen.

Die Fischereifrage zählt zu den schwierigsten. Es ist der einzige Bereich, in dem die EU etwas von London will. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat bereits gedroht: Ohne Zugang zu den britischen Gewässern werde es keinen Handelsvertrag geben. Das Thema ist auf beiden Seiten des Kanals hochemotional. Dabei ist der Fischereisektor in den vergangenen Jahrzehnten geschrumpft. "Anfang des Jahrhunderts hatten wir noch 150 Schiffe", sagt Brouckaert. "Jetzt sind es 65." 400 Fischer sind in Belgien aktiv. Alle neun EU-Fischereistaaten zusammen können noch 18.000 Mann auf 3500 Trawlern ausfahren lassen.

Sektor voneinander abhängig

In Großbritannien wie auch in der EU trägt der Fischereisektor weniger als ein Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Der Schrumpfungsprozess der Fischerei ging einher mit einer Erholung der Fischbestände. "Wir sind auf dem richtigen Weg zu einer nachhaltigen Fischerei", sagt Brouckaert. Großbritannien solle "anerkennen, welche Erfolge das EU-System hat". Und es beibehalten.

So lautet auch das Verhandlungsmandat Michel Barniers. Derzeit verhandeln die Staaten in Brüssel jährlich die zulässigen Fangmengen für Kabeljau, Hering & Co. Die Maschengröße der Netze ist vorgegeben, Beifang muss vermieden werden. Die erlaubten Fangmengen werden nach fixen Quoten auf die einzelnen Staaten verteilt.

Vor allem hier will Großbritannien einhaken. Die Quoten beruhen immer noch auf dem Durchschnitt des in den 1970er-Jahren gemachten Fangs. London verlangt grundsätzlich jährliche Neuverhandlungen über den Zutritt in seine Gewässer – für Brüssel und die EU-Fischereistaaten nicht nur ein bürokratischer Albtraum.

Der gesamte Sektor ist eng verwoben und von einander abhängig. So landen belgische Boote mit ihrem Fang meist in Großbritannien an und schicken ihn per Lkw auf den Kontinent zurück, während sie die Leinen zum Weiterfischen wieder losmachen. Sollte es keine Einigung geben, haben auch die britischen Fischer nichts zu gewinnen. Sie verkaufen 70 Prozent ihres Fangs in die EU – noch zollfrei.

Von Kabeljau bis Hering

Die Fänge in EU-Gewässern richten sich nach der seit 1983 geltenden gemeinsamen Fischereipolitik. Für jedes Jahr werden die zulässigen Gesamtfangmengen festgelegt. Der Kabeljau in der Nordsee braucht Schutz. Die Bestände sind zuletzt eingebrochen. Für 2020 wurde daher die höchstzulässige Fangmenge um die Hälfte auf 12.000 Tonnen gesenkt. Schellfisch und Makrele sind hingegen in so großer Zahl vorhanden, dass die EU-Fischer 2020 um 23 bzw. 41 Prozent mehr fangen dürfen – fast 400.000 Tonnen.

Die weiteren Fangquoten: Hering: 230.000 Tonnen (gleich wie 2019). Seelachs: 38.000 Tonnen (minus 15 Prozent). Scholle: 90.000 Tonnen (minus drei Prozent).

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3  Kommentare
3  Kommentare
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heimatverliere (541 Kommentare)
am 07.07.2020 10:48

Gibt ohnehin bald keine Fische mehr,als ist das kein besonders guter Trumpf.

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 06.07.2020 08:40

Die ganzen Fischereirechte sind eine Sauerei.

Jedes Land sollte nur im Umkreis des eigenen Territtoriums fischen dürfen!
Dann gibts auch wieder genug Fisch und Freiraum.

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jago (57.723 Kommentare)
am 07.07.2020 13:12

> nur im Umkreis des eigenen Territtoriums fischen dürfen!

Gesetze gelten ja auch nur "im Umkreis des eigenen Territoriums". Außerhalb gelten sie nicht, da liegt der Hase im Pfeffer und wegen des Pfeffers haben die EU-Staaten angefangen, miteinander zu verhandeln.

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