Außenpolitik
Dicke Luft im Streit um Ski-Lockdown zwischen Tirol und Bayern

MÜNCHEN. Am Freitag kritisierte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder scharf.
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„Wenn es die Infektionszahlen zulassen, werden wir uns das Skifahren auch von Bayern nicht nehmen lassen“, erklärte der tirloler Landeshauptmann in einer Aussendung. Das müsse auch Söder zur Kenntnis nehmen. Er halte generell wenig davon, „Politik auf Kosten anderer Regionen“ zu machen, so Platter in Richtung Bayern: „Dabei verlieren am Ende des Tages alle.“
Söder bittet um Verständnis
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat am Freitag Österreich um Verständnis gebeten. Allerdings sei "Ischgl nicht vergessen", sagte Söder am Freitag in einer Regierungserklärung im bayerischen Landtag. Bis mindestens Ende des Jahres müssen auch Reisende, die für weniger als 48 Stunden zu Zwecken des Skifahrens oder anderer Freizeitaktivitäten aus Deutschland nach Österreich fahren, nach ihrer Rückkehr in eine zehntägige Quarantäne "ohne Entschädigung", betonte Söder. Die Schließung des Wintersportbetriebs über Weihnachten und Silvester, die von Italien und Frankreich unterstützt würde, richteten sich nicht gegen jemanden, sondern würden im Interesse eines "erhöhten Sicherheitslevels" ergriffen. In Bayern würden die Betreiber der geschlossenen Wintersporteinrichtungen wie Seilbahnbetreiber "sehr großzügig" entschädigt, fügte Söder hinzu. Möglicherweise würde so etwas auch in Österreich helfen.
In Österreich stieß die freilich Forderung auf wenig Freude. Bundeskanzler Sebastian Kurz und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) reagierten ablehnend. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) forderte Entschädigungen, sollte das Verbot tatsächlich kommen.
Video: Elisabeth Köstinger zum Ski-Streit im ORF
Der Forderung nach einer EU-weiten Schließung der Skigebiete kam ursprünglich aus Italien. Später hatten sich auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sowie die französische Regierung angeschlossen.
Aus Brüssel kam Ablehnung. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sieht vorerst keine Aussicht auf ein europaweites Skiverbot über die Weihnachtszeit.
Finnland gegen EU-weite Schließung von Skigebieten
Finnland hat am Freitag den Vorstoß als "tödlichen Schlag" für die heimische Tourismusindustrie abgelehnt. Eine Schließung wäre "sehr eigenartig", da die Corona-Verbreitung in Finnland "lange nicht so schlimm" wie in anderen europäischen Ländern sei, sagte ein Sprecher des finnischen Wirtschaftsministers Mika Lintilä gegenüber der Nachrichtenagentur AFP am Freitag. intilä argumentierte, die Mehrheit der Besucher von Skigebieten in Finnland seien inländische Touristen. Eine Schließung von Après-Ski-Treffs könne er hingegen nachvollziehen. Auch Tschechien und Slowenien wollen ihre Skilifte aufsperren.
Kritik von deutschen Liftbetreibern
Kritik für die Pläne eines Ski-Lockdowns kam am Donnerstag auch aus dem Inland: Ein Wintersportverbot wäre für die betroffenen Regionen katastrophal und zudem unverständlich, sagte Matthias Stauch, Vorstand des Verbandes Deutscher Seilbahnen (VDS), am Donnerstag. Bewegung an der frischen Luft sei gesund und das Infektionsgeschehen in Ischgl sei nicht vom Skibetrieb ausgegangen.
Die Liftbetreiber forderten eine einheitliche Regelung mit dem europäischen Ausland. "Es muss eine europäische Lösung geben: Dass alle aufmachen oder alle zu bleiben." Die Gesundheit von Gästen und Mitarbeitern stehe an erster Stelle. Die Betriebe hätten im Sommer gezeigt, dass ihre Maßnahmen funktionierten. "Wir haben viel Geld in Hygienekonzepte investiert", sagte Stauch, der auch Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn ist. Die Zugspitzbahn habe im Sommer bis in den Oktober hinein rund 450.000 Gäste befördert. "Mir ist kein Fall bekannt, bei dem sich jemand angesteckt hätte."
Sollte es tatsächlich ein Verbot geben, seien Klagen nicht ausgeschlossen, sagte der erste VDS-Vorstandsvize Peter Lorenz. "Man muss alle Optionen am Ende des Tages in Betracht ziehen." Klagen müssten dann einzelne Betreiber, nicht der Verband. Trotz aller Ungewissheit sollen die Pisten beschneit werden, wenn die Temperaturen dies zulassen - um einen schnellen Start zu ermöglichen.
Die vorzeitig beendete Wintersaison 2019/2020 habe die Bilanzen belastet, sagte die zweite Vorstandsvize Christine Kury. Rund 27 Prozent der Einnahmen seien weggebrochen. Der Sommer sei mit einem Plus von 16,5 Prozent zum Vorjahr "sehr gut" ausgefallen. Der Winter sei aber das stärkere Geschäft.