Sommer, Sand und Streik: Italiens Strandbäder machten gestern dicht
ROM. EU-Richtlinie verlangt europaweite Ausschreibung der Strandbad-Konzessionen.
In Italien blieben einige Strandbäder gestern in der Früh geschlossen. Mitten in der Hauptsaison traten die Pächterinnen und Pächter vieler Strandbäder erstmals in den Streik. Mit ihrem "Sonnenschirm-Protest" machen die mächtigen Pächterfamilien der Privatbäder Front gegen Rom und die EU. Aus Protest gegen die ungelöste Frage der Konzessionen öffneten sie zwei Stunden später als sonst. Damit sendeten sie der Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni ein klares Signal.
In einigen Regionen Italiens, darunter im norditalienischen Ligurien, lag die Streikbeteiligung bei 90 Prozent, wie die Berufsverbände mitteilten. Auf dem Strand von Fiumicino bei Rom kam es zu einem Flashmob der Pächter, die mit Lautsprechern die Badenden über ihr Anliegen informierten. "Das Rückgrat unseres Netzes bilden traditionsreiche Strandbäder, die immer mehr für die Zufriedenheit der Kunden arbeiten", sagte ein Sprecher der Strandbad-Betreiber.
- ZIB 1: Sonnenschirm-Streik in Italien
Der Konsumentenschutzverband Codacos sieht die Lage anders und bezeichnete den Streik als "Flop". "Die Zahl der Strandbäder, die während des zweistündigen Streiks geschlossen blieben, war geringer als erwartet, und der Protest hat nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Die Ausrufung eines Streiks mitten in der Sommersaison hat sich als falsche Entscheidung erwiesen, die sowohl von den Kunden als auch von den Strandbad-Betreibern selbst abgelehnt wurde", so der Verband.
Strände in Staatsbesitz
Küsten und Strände sind in Italien in der Regel in staatlichem Besitz, die Gemeinden vergeben derzeit 12.166 Strandbad-Konzessionen. Das Problem: Die Konzessionen werden ohne die in der EU verlangte ordentliche Ausschreibung zugeteilt – sie werden routinemäßig und oft ohne Preisanpassung verlängert, mitunter werden die Konzessionen wie Familienbesitz praktisch weitervererbt.
Die Betreiber von Strandbädern wehren sich schon seit 18 Jahren erfolgreich gegen eine EU-Richtlinie, die seit 2006 eine europaweite Ausschreibung der Lizenzen vorschreibt. "Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Familien, die Gefahr laufen, alles zu verlieren, was sie sich in jahrelanger Arbeit aufgebaut haben", so der Sprecher von FIPE Confcommercio Antonio Capacchione. Die Front der Strandbad-Betreiber ist jedoch nicht geschlossen. Nur ein Teil von ihnen beteiligt sich wirklich am Streik.
Die Berufsgruppe ist gespalten: Nicht alle Pächter halten den Streik für sinnvoll. Andere hingegen wollen den Protest verschärfen. Wenn sich die Regierung Meloni nicht bewegt, sollen die Bäder Mitte August, immer noch in der Ferienzeit, einen halben Tag geschlossen bleiben und Ende des Monats schließlich einen ganzen.
Die hartnäckig von Brüssel verlangte Marktöffnung scheiterte bisher am Widerstand der Strandbadbetreiber, einer gut organisierten Lobby, für die Brüssel ein rotes Tuch ist. Oft soll auch Korruption bei der Vergabe eine Rolle gespielt haben. Umweltschutzverbände beklagten, dass mehrere Anlagen auch in die Hände der lokalen Mafia geraten seien.
Staat profitiert kaum
Der Staat profitiert kaum von den Badeanlagen. Die Konzessionen bringen Italien etwas über 100 Millionen Euro im Jahr ein, ein Pappenstiel verglichen mit dem auf 2 Mrd. Euro geschätzten Umsatz, den die Anlagen erzielen (siehe Kasten). In der heiklen Angelegenheit um eine Neuregelung der Strandbad-Konzessionen nimmt sich die italienische Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni trotz Drucks aus Brüssel mehr Zeit. Eine Regelung für die Neuordnung des Systems der Lizenzen für die italienischen Badeanstalten soll vom Ministerrat erst nach der Sommerpause verabschiedet werden, heißt es aus Rom.
Lukratives Geschäft
Nach Angaben des Centrums für Europäische Politik (CEP) verdienen rund 6600 Unternehmen Geld mit den Strandbädern. Sie beschäftigen mehr als 44.000 Menschen. Zwischen 2016 und 2020 hat ein Strandbad durchschnittlich 260.000 Euro pro Jahr eingenommen. Im Durchschnitt zahlten die Inhaber aber nur 7600 Euro für die Konzession. Die Betreiber von Strandbädern wehren sich schon seit 18 Jahren erfolgreich gegen eine EU-Richtlinie, die seit 2006 eine europaweite Ausschreibung der Lizenzen vorschreibt.
"Sie beschäftigen mehr als 44.000 Menschen. Zwischen 2016 und 2020 hat ein Strandbad durchschnittlich 260.000 Euro pro Jahr eingenommen. Im Durchschnitt zahlten die Inhaber aber nur 7600 Euro für die Konzession. "
Und wie hoch waren die Personalkosten, welche die Einnahmen von 260.000 EUR schmälern?