Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

"Sie lügen euch an, und sie lachen euch aus"

Von Jochen Wittmann, London   09.Dezember 2021

Tom Bradby stand die Wut ins Gesicht geschrieben. Der Nachrichtensprecher des britischen Senders ITV präsentierte ein durchgestochenes Video aus der Downing Street. "Sie sehen buchstäblich so aus, als ob sie uns auslachen", schäumte Bradby. "Euch, mich, uns alle." Und genauso sah es auch aus: Als ob die da oben sich einen Deut um die Regeln scheren, die für alle anderen gelten. Wasser predigen, aber Wein trinken – das kommt gar nicht gut an bei den Untertanen.

Es geht um eine Weihnachtsfeier, die vor rund einem Jahr in der Regierungszentrale in London stattgefunden haben soll. Vor gut einer Woche hatte die Zeitung "Daily Mirror" berichtet, dass am 18. Dezember 2020 in Downing Street kräftig gefeiert wurde: Dutzende Mitarbeiter ließen es sich bei Wein und Häppchen gut gehen, es gab Gesellschaftsspiele, bis nach Mitternacht habe die Sause gedauert.

Seither mauert die Regierungszentrale und ließ verlauten: "Es gab keine Weihnachtsfeier. Covid-Regeln wurden zu allen Zeiten befolgt." Premier Boris Johnson, der selbst an der Feier nicht teilgenommen hatte, stellte sich vor seine Mitarbeiter und stritt ab, dass irgendetwas Anrüchiges stattgefunden haben sollte.

Witzeln über das Fehlverhalten

Doch am späten Dienstagabend tauchte ein internes Video auf, in dem Mitarbeiter sich über gerade diese Feier mokierten. Bei den Proben zu einer Pressekonferenz wird Regierungssprecherin Allegra Stratton mit einer möglichen Frage nach einer Party konfrontiert. Sie witzelt: "Sind Käse und Wein okay?" Dann lacht sie und sagt: "Bei dieser fiktiven Party hat es sich um ein Geschäftstreffen gehandelt." Für Beobachter steht fest: Es war eine Christmas-Party. Die Labour-Opposition twitterte: "Sie lügen euch an und sie lachen euch aus."

Der politische Flurschaden ist enorm. Am Tag der Party zählte man 514 Corona-Tote im Königreich. Die Regelverletzung ist ein Schlag ins Gesicht für all jene Angehörigen, denen verboten worden war, ihre sterbenden Liebsten im Spital besuchen zu dürfen. Und sie reiht sich ein in früheres Fehlverhalten von Regierungsmitgliedern.

Die Videos bestätigen, was die meisten Briten denken: Dass es Regeln für die da oben und andere für alle anderen gibt. Bei der wöchentlichen Fragestunde des Premiers am Mittwoch witterte Boris Johnson die Gefahr, hatte doch der Fraktionschef der schottischen Nationalisten zuvor seinen Rücktritt gefordert. Johnson ging in die Offensive und entschuldigte sich.

Johnson entschuldigte sich

"Ich verstehe die Wut und war selbst wütend über den Clip", sagte er. "Ich entschuldige mich für das Ärgernis, das er erregt hat." Jetzt aber habe er eine interne Untersuchung anberaumt. Doch es ist eine lahme Entschuldigung: Nicht für das eigene Fehlverhalten, sondern nur für das Ärgernis, das andere erregt haben. Labour-Chef Keir Starmer kommentierte Johnsons Worte kopfschüttelnd: "Er will die Öffentlichkeit für dumm verkaufen."

copyright  2024
24. April 2024