Saudi-Arabien weiterhin am Pranger
RIAD. Der virtuelle G20-Gipfel konnte daran nichts ändern.
Anstatt dem saudischen Herrscherhaus die Ehre zu erweisen und am G20-Gipfel in Riad persönlich teilzunehmen, konnten sich die wichtigsten Regierungschefs der Welt hinter Videokameras verschanzen – Corona war Schuld daran. Ihre virtuelle Teilnahme war für die Gastgeber der negative Höhepunkt eines veritablen Seuchenjahres, das mit der Übernahme der G20-Präsidentschaft im Dezember 2019 so hoffnungsvoll begonnen hatte.
"Die Rehabilitierung unseres Kronprinzen ist nun besiegelt", frohlockten damals die Staatsmedien. Der "endgültigen Einführung von Mohammed bin Salman (MBS) auf der Bühne der Welt" stünde jetzt nichts mehr im Wege. Tatsächlich steht Saudi-Arabien elf Monate später weiterhin am Pranger. So bezeichnete "Reporter ohne Grenzen" das Regime in Riad als "die erfolgreichsten Kerkermeister für Journalisten" weltweit. Mit einem Hinweis auf den unaufgeklärten Mord am Dissidenten Jamal Khashoggi 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul hob die französische Organisation hervor, dass mindestens 34 Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen.
Mit einem Bekenntnis zur internationalen Kooperation in der Corona-Pandemie hatte der saudische König Salman am Samstag die sterile Videokonferenz eröffnet. Die zehnminütige Eröffnungserklärung des Monarchen war nach Berichten von Beobachtern kaum verständlich. Salman habe genuschelt und sich mehrfach verhaspelt. Seine von häufigem Räuspern unterbrochene vorgetragene Erklärung habe die Sorge um den angegriffenen Gesundheitszustand des 84-jährigen Gastgebers weiter wachsen lassen.
Palastinsider in Riad gehen davon aus, dass Salman im Laufe des kommenden Jahres "auch offiziell" die Amtsgeschäfte an seinen Sohn Mohammed bin Salman, seit 2016 De-facto-Herrscher von Saudi-Arabien, übergeben wird. (wrase)