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Rührung und Witz: Jean-Claude Juncker nimmt Abschied

22. Oktober 2019, 16:56 Uhr
Bild: VINCENT KESSLER (X00403)

BRÜSSEL/ STRASSBURG. Etwas melancholisch, bisweilen emotional, manchmal verschmitzt: Jean-Claude Juncker hat sich nach fünf Jahren als Präsident der Europäischen Kommission verabschiedet und Bilanz gezogen. Es waren fünf Krisenjahre, daran erinnerte der 64-jährige Luxemburger am Dienstag im Europaparlament noch einmal, fünf Jahre mit Enttäuschungen und Erfolgen, Durchbrüchen und Verbitterung.

Aber er schloss mit einem "Es lebe Europa!". Und am Ende zollten fast alle Parteien dem oft eigenwilligen Christdemokraten Respekt. "Ich scheide aus dem Amt nicht betrübt, auch nicht übermäßig glücklich, aber im Gefühl, mich redlich bemüht zu haben", sagte Juncker. "Ich war stolz darauf, während langer Zeit und vor allem in den letzten fünf Jahren ein kleines Teilchen eines größeren Ganzen zu sein, das wichtiger ist als wir." Den Tränen nahe war er beim Dank an seine Kommissare: "Ohne sie wäre mir nichts gelungen."

"Bekämpft mit aller Kraft den dummen Nationalismus."

 

Der Luxemburger erinnerte daran, dass die Europäische Union vor allem ein Friedensprojekt sei. "Frieden ist nicht selbstverständlich, und wir sollten stolz darauf sein, dass Europa den Frieden erhält", sagte er. Darüber müsse man auch mit jungen Menschen reden. Seinen Nachfolgern gab er aber vor allem mit: "Bekämpft mit aller Kraft den dummen Nationalismus."

Juncker scheidet offiziell zum 1. November aus dem Amt, führt aber noch die Geschäfte, bis seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen starten kann. Der frühere luxemburgische Regierungschef war 2014 nach Brüssel gewechselt. In seine Amtszeit fiel unter anderem die Schuldenkrise, die 2015 fast zum Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone geführt hätte, und die Flüchtlingsbewegung 2015. Im Jahr darauf folgte die Brexit-Entscheidung in Großbritannien, die die Gemeinschaft seither fast pausenlos beschäftigt.

Einige Rückschläge und der Junker-Plan

Zu den Rückschlägen zählte Juncker, dass die Wiedervereinigung Zyperns nicht vorangekommen und kein Rahmenvertrag für engere Beziehungen mit der Schweiz gelungen sei. Vor allem aber beklagte er, dass die Bankenunion nicht vollendet sei. Nur wenn das gelinge, sei man für die nächsten Krisen besser gewappnet, mahnte Juncker.

Auf der Habenseite verbuchte Juncker das 2014 von ihm gestarteten Investitionsprogramm, den sogenannten Juncker-Plan. Die damit abgesicherten Investitionen hätten 1,1 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft in der Europäischen Union um 0,9 Prozent zusätzlich wachsen lassen. Darauf könne man stolz sein. Insgesamt wurden über einen mit 21 Milliarden Euro bestückten Fonds nach Angaben der EU-Kommission Investitionen in Wert von 439,4 Milliarden Euro mobilisiert.

Die soziale Ausrichtung der EU sei vorangekommen, gegen die Widerstände etlicher EU-Staaten, sagte Juncker. Wichtig sei ihm auch gewesen, Griechenland in der Eurozone zu halten, auch das gegen den Protest aus einigen Hauptstädten. Die Bilanz seiner Flüchtlingspolitik sei "besser, als man denken könnte", obwohl hier ebenfalls die Mitgliedsstaaten nicht mitgezogen hätten. Immerhin seien durch die Politik der EU 760.000 Menschenleben auf der Mittelmeerroute gerettet worden.

Ein Luxemburger in Washington 

Juncker erinnerte an sein Treffen mit US-Präsident Donald Trump im Juli 2018, bei dem er den Handelskonflikt mit den USA entschärft hatte. Dass allein die Kommission für die EU-Handelspolitik zuständig sei, habe Trump mit Interesse zur Kenntnis genommen. "Wenn man als Luxemburger in Washington sitzt und sagt, ich bin der entscheidende Mann, dann ist das quasi einmalig", scherzte Juncker.

Rechtspopulisten: "Nachfolgerin wird es noch schlechter machen"

Von den großen Fraktionen im Europaparlament bekam Juncker zum Abschied viel Lob mit einigen kritischen Zwischentönen. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, dankte seinem Parteifreund: "Ein großer Europäer verlässt in den nächsten Wochen die Bühne."

Der Sozialdemokrat Jens Geier monierte, die Sozialpolitik sei nicht konsequent genug gewesen, würdigte aber auch Erfolge wie die Abschaffung der Roaminggebühren. Der Liberale Dacian Ciolos lobte den Juncker-Plan. Auch der Grüne Philippe Lamberts gestand Juncker zu, er habe sich redlich bemüht, wenngleich seine Kommission die neuen Herausforderungen nicht ganz verstanden habe.

Nur der Fraktionschef der rechtspopulistischen ID, Marco Zanni, meinte: "Das war wahrscheinlich die schlimmste Kommission der letzten 50 Jahre. Aber Sie können sich damit trösten, dass ihre Nachfolgerin es noch schlechter machen wird."

Ursula von der Leyen kann wohl nicht vor 1. Dezember ihr Amt antreten, weil ihr Personalpaket noch nicht komplett ist. Drei designierte Kommissare scheiterten im Nominierungsverfahren. Frankreich, Rumänien und Ungarn müssen nun neue Kandidaten präsentieren.

 

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9  Kommentare
9  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
fai1 (6.001 Kommentare)
am 22.10.2019 20:22

Jetzt kann dann der Herr Juncker endlich seine schwere Ischias samt Ischiasanfälle auskurieren.
Ironie aus.

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Allegra (445 Kommentare)
am 22.10.2019 23:12

Auskurieren muss er sie nicht.

Er könnte sie auch einfach pflegen, wie eine alte Ehefrau...

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jack_candy (7.820 Kommentare)
am 22.10.2019 18:46

Im Großen und Ganzen hat er seine Sache recht gut gemacht. Das kommt in dem Artikel recht gut rüber.

Dass die Flüchtlinge nicht auf ganz Europa aufgeteilt werden konnten, lag nicht an ihm, sondern an ein paar Staaten, die erst jahrzehntelang EU-Förderungen kassierten, aber in dem Moment, als sie mal etwas für Europa tun sollten, rücksichtslos egoistisch und nationalistisch agierten.

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snoozeberry (5.016 Kommentare)
am 22.10.2019 18:54

für Europa was tun hieße alle reinzuwinken?
Aber sonst bist noch frisch?

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( Kommentare)
am 22.10.2019 17:46

Mir geht der Junker sicher nicht ab.

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u25 (4.939 Kommentare)
am 22.10.2019 17:18

Prost !

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snoozeberry (5.016 Kommentare)
am 22.10.2019 18:57

Vom Regen in die Traufe. Wenn Von der Leier nur annähernd so schlecht ist wie ich annehme, dann kann man die Engländer ur beglückwünschen.

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amha (11.322 Kommentare)
am 22.10.2019 21:27

Laut Staatsfunk heißt die Dame Vonderlein

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kratzfrei (19.103 Kommentare)
am 22.10.2019 22:54

Juncker fantasierte bei seiner Abschiedsrede in seinem letzten Satz irgendetwas von "Nationalismus".
Nun damit ist er ja nicht alleine.
Die Titulierung "Nationalismus" wird ja schon seit geraumer Zeit allzu gerne und oftmals als Drohmittel eingesetzt.
Nun welcher "Nationalismus" soll damit gemeint sein?
Es ist nämlich weit und breit keiner zu sehen.
Gut in Frankreich gibt es die LePen. Und in Holland gibt es einen Wirrkopf. Das wars aber schon.
"Nationalismus" wird eher dafür verwendet, um von den eigenen Fehlern und miesen Absichten abzulenken.

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