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Rede zur Lage der Union: EU-Kommission will neue Grundlage in Verhältnis der EU zur NATO

Von nachrichten.at/apa   15.September 2021

Dazu bereite die Kommission eine Gemeinsame Erklärung mit dem transatlantischen Verteidigungsbündnis - mit den USA als führender Macht - vor, sagte von der Leyen am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der Union vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Sie will in Folge der Ereignisse in Afghanistan den Aufbau der Europäischen Verteidigungsunion vorantreiben.

Gemeinsames Lage- und Analysezentrum

Von der Leyen war für die Idee eines gemeinsames Lage- und Analysezentrums. Zudem schlug sie eine Mehrwertsteuerbefreiung beim Kauf von Verteidigungsausrüstung vor, die in Europa entwickelt und hergestellt wurde, und kündigte einen Vorschlag für ein neues europäisches Gesetz zur Cyber-Widerstandsfähigkeit an. Grundsatzentscheidungen sollen nach Angaben von der Leyens in der ersten Hälfte des kommenden Jahres bei einem mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron organisierten "Gipfel zur Europäischen Verteidigung" getroffen werden. Man müsse entscheiden, wie man die Möglichkeiten des EU-Vertrags im Bereich der Verteidigung nutzen könne, erklärte die Christdemokratin.

Aufbau einer EU-Krisenreaktionstruppe in Diskussion

Mit Blick auf den bereits diskutierten Aufbau einer neuen EU- Krisenreaktionstruppe mahnte von der Leyen, sich daneben auch um eine grundsätzliche Frage zu kümmern. "Man kann die am weitesten entwickelten Streitkräfte der Welt haben - doch wenn man nie bereit ist, sie einzusetzen, wozu sind sie dann gut?", fragte sie. Was die EU bisher zurückgehalten habe, seien nicht nur fehlende Kapazitäten, sondern auch fehlender politische Wille. "Wenn wir diesen politischen Willen entwickeln, können wir auf EU-Ebene viel tun", sagte sie.

In Sachen wirtschaftlicher Eigenständigkeit kündigte von der Leyen unter anderem an, die Herstellung von Hochleistungschips in Europa zu stärken, um die Abhängigkeit von asiatischen Produzenten zu beseitigen. Dies sei nicht nur eine Frage unserer Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch eine Frage der technologischen Souveränität. Vom Smartphone und Elektroroller bis zu Zügen oder ganzen intelligenten Fabriken - "ohne Chips kein digitales Produkt", sagte von der Leyen.

"Lehren aus der Machtübernahme der Taliban ziehen"

Für Afghanistan kündigte die EU-Kommissionspräsidentin zusätzliche 100 Millionen Euro zur Unterstützung von Notleidenden an. "Wir müssen alles tun, um die reale Gefahr einer großen Hungersnot und humanitären Katastrophe abzuwenden", erklärte sie. Die 100 Millionen sollen Teil eines neuen Unterstützungspakets sein, das in den nächsten Wochen vorgelegt werde. Zuletzt hatte von der Leyen Ende August bekannt gegeben, dass der Beitrag aus dem EU-Budget für humanitäre Hilfe für Afghanen von rund 50 Millionen Euro auf mehr als 200 Millionen Euro aufgestockt wird. Das Geld steht zusätzlich zu den Beiträgen aus Mitgliedstaaten bereit. Von der Leyen machte zudem deutlich, dass die EU Lehren aus der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan ziehen muss. Die Gemeinschaft der 27 Staaten war zwar nicht an dem Militäreinsatz zur Unterstützung der vorherigen Regierung in dem Land beteiligt, aber einige Mitgliedstaaten. Die hat außerdem viel Geld in Projekte gesteckt, die eine Rückeroberung der Macht durch die Taliban verhindern sollten.

Das Weiteren kündigte von der Leyen an, die EU werde ihren Beitrag zum globalen Naturschutz verdoppeln. So solle der Niedergang der Biodiversität bekämpft werden. Empfänger der Hilfen seien die schwächsten Länder der Erde, sagte die deutsche Politikerin. Für die Jahre bis 2027 nannte sie eine Summe von zusätzlich vier Milliarden Euro.

EU-weites Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit

Von der Leyen will ferner ein EU-weites Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit durchsetzen. Weltweite Geschäfte zu machen sei gut, ebenso wie ein globaler Handel gut und notwendig sei. Aber dies dürfe nicht auf Kosten der Würde und der Freiheit der Menschen geschehen. Heutzutage gebe es etwa 25 Millionen Menschen, die von Zwangsarbeit bedroht oder dazu verdammt seien. "Menschenrechte sind nicht käuflich - für kein Geld der Welt", sagte die 62-Jährige.

Weitere Corona-Impfdosen für ärmere Länder

Die Europäische Union will 200 Millionen weitere Corona-Impfdosen für ärmere Länder spenden, wie von der Leyen ebenfalls in ihrer zweiten Rede zur Lage der Union in Straßburg ankündigte. Von der Leyen sprach von einer "Investition in die Solidarität und einer Investition in die weltweite Gesundheit". Damit verdoppelt die EU ihre Spendenzusagen nahezu auf nun insgesamt 450 Millionen Impfdosen. Von der Leyen nannte den Kampf gegen die Corona-Pandemie "eine der großen geopolitischen Fragen unserer Zeit". Sie betonte, bisher seien "weniger als ein Prozent der Dosen weltweit in Ländern mit niedrigem Einkommen verabreicht worden". Die Kommissionspräsidentin verwies auch darauf, dass die EU eine Milliarde Euro investiert, um die Produktion von Impfstoffen in Afrika zu fördern.

Die Kommissionschefin würdigte die Bewältigung der Corona-Pandemie in der EU als Erfolg - zugleich rief sie zu weiteren Anstrengungen auf. Mit mehr als 70 Prozent vollständig Geimpften unter der erwachsenen Bevölkerung sei die EU allen Kritikern zum Trotz unter den weltweit führenden, sagte von der Leyen. "Wir haben es richtig gemacht, weil wir es auf die europäische Weise gemacht haben." Die "Corona-Zeiten seien aber "nicht vorbei. Eine Pandemie ist ein Marathon, kein Sprint." Um sicherzustellen, dass ein Virus künftig nicht mehr zur Pandemie werde, schlug von der Leyen vor, in den kommenden sechs Jahren 50 Milliarden Euro in die Gesundheitsvorsorge der gesamten EU zu investieren.

2022 wird Jahr der europäischen Jugend

Die EU-Kommission will außerdem ein neues Austauschprogramm für junge Menschen auflegen, die weder Ausbildung noch Job gefunden haben. "(Das Programm) ALMA wird diesen jungen Leuten die Möglichkeit eröffnen, zeitlich befristet Berufserfahrung in einem anderen Mitgliedstaat zu sammeln", sagte von der Leyen. Diese Jugendlichen verdienten eine Erfahrung, wie Studenten sie im Rahmen des Erasmus-Austauschprogramms machen könnten. Darüber hinaus kündigte von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union an, 2022 ein Jahr der europäischen Jugend auszurufen. Damit sollten die jungen Leute wertgeschätzt werden, die während der Corona-Pandemie vieles zum Schutz anderer geopfert hätten.

Aus dem EU-Parlament kam ein geteiltes Echo auf von der Leyens Rede. Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (Deutschland), lobte die EU-Kommission für ihren Einsatz gegen die Corona-Pandemie. Kein anderer Kontinent habe so hohe Impfquoten wie die EU.

Die spanische Sozialdemokratin Iratxe García Pérez (Spanien) zeigte sich erfreut über die Ankündigung von der Leyens, ein Gesetz gegen Gewalt an Frauen vorzulegen. "Seit Jahren verlangen wir dieses Gesetz", sagte sie. Außenpolitisch müsse die EU endlich mit einer Stimme sprechen, das zeigten die Entwicklungen in Afghanistan. Zu mehr Tempo beim Klimaschutz mahnte der Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts (Belgien) . "Wenn wir scheitern, gibt es keine Wirtschaft mehr, weil der Planet nicht mehr bewohnbar sein wird", sagte er.

Reaktionen der Austro-EU-Abgeordneten

Österreichische EU-Abgeordnete haben auf die Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage der Union vor dem Europäischen Parlament am Mittwoch gemischt reagiert. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), betonte, von der Leyen habe alle entscheidenden Themen der Zukunft angesprochen und auch die nächsten notwendigen Schritte angekündigt. Kritischer äußerten sich andere Parteien.

Für Angelika Winzig, ÖVP-EU-Delegationsleiterin, ist die "Basis für einen erfolgreichen Weg aus der Krise die Wahrung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze". Das dürfe bei Vorhaben wie Green Deal und Co. nicht aus den Augen verloren werden. Zudem forderte sie "weniger Bürokratie und Auflagen und mehr unternehmerische Freiheit".

Andreas Schieder, SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, vermisst die "große Erzählung": "Viele wichtige Themen wie die Pflege, Digitalisierung, Klimaschutz, Ausbau von Gesundheits- und Verteidigungsunion wurden zwar pflichtschuldig abgehakt, wirkliche Emotionen wollten nicht aufkommen", so Schieder in einer Aussendung. Er begrüßte das Versprechen weiterer 200 Millionen Impfdosen zu spenden und "mehr gemeinsames Engagement" in der Außen- und Sicherheitspolitik. Gleichzeitig warnte er, Afghanistan habe gezeigt, dass "Aufrüstung und Militarisierung nicht der Weg sind, die Konfliktherde des 21. Jahrhunderts zu befrieden".

"Wir haben im vergangenen Jahr beides gesehen, solidarische EU-Coronahilfen, aber auch Zögern und schlechte Kompromisse, die die Klimakrise und die Rechtsstaatskrise verschärfen", erklärte die Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EU-Parlament, Monika Vana, im Vorfeld der Rede. Die EU-Kommission müsse "endlich den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren." Zudem sieht sie die EU in der Pflicht, "Aufnahmekontingente für Geflüchtete" bereitzustellen.

"Die Union ist derzeit zu schwach", kommentierte die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon. Krisen wie die Corona-Pandemie, Afghanistan und der Klimawandel würden "Europas Schwachstellen vor Augen" führen. "Insgesamt sind wir für solche Krisen lange nicht gewappnet", so Gamon. Als Ausweg sieht sie nur weitreichende Reformen der Europäischen Union, die man jetzt in der Konferenz zur Zukunft Europas angehen müsse: "Was am Ende dieser Reformen steht, ist für mich heute klarer als je zu vor: handlungsfähige, effiziente und bürgernahe Vereinigte Staaten von Europa."

"Müssen vom Reden ins Tun kommen"

"Müssen jetzt vom Reden ins Tun kommen", forderte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Die Bewältigung der Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen sowie der grüne und digitale Wandel seien "enorme Herausforderungen" für die EU, heißt es in der Aussendung. Zudem brauche es "dringend mehr Tempo" bei der Erarbeitung eines gemeinsamen, europäischen Asylsystems. Gleichzeitig begrüßte Edtstadler, dass die EU künftig "eine stärkere, geopolitische Rolle einnehmen will". In Sachen Rechtstaatlichkeit dürfe es "keine falsche Toleranz" geben, so die Ministerin. Es müsse aber auch der "Dialog auf Augenhöhe" weitergeführt werden.

"Jetzt geht es darum, dass Europa nicht nur redet, sondern auch liefert", äußerte sich Christoph Leitl, Präsident der Europäischen Bewegung Österreichs (EBÖ) - einer Plattform der proeuropäischen Kräfte -, ähnlich. "Nur wenn Europa bei den großen Zukunftsthemen von Klimaschutz bis Wiederaufbau nach der Pandemie gemeinsam handelt, können wir die Zukunftserwartungen der jungen Generation erfüllen und im heranziehenden Wettbewerb der Systeme bestehen.

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19. April 2024