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Prinz Andrew stößt das Königshaus in die Krise

Von Jochen Wittmann, London   22.November 2019

"Ausgestoßen" lautete die lapidare Schlagzeile der "Daily Mail" am Donnerstag, die dann die nächsten zehn Seiten einem einzigen Thema widmete: Prinz Andrew, der zweitälteste Sohn der Queen, hat bekannt gegeben, dass er von seinen öffentlichen Aufgaben zurücktreten wolle. Tatsächlich wurde er zum Abgang gezwungen.

Das katastrophale TV-Interview, das der 59-Jährige vergangenen Samstag der BBC gegeben hatte, löste einen nicht abreißenden Mediensturm aus. Die Freundschaft Andrews zu dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein sowie Vorwürfe, der Royal habe Sex mit einer Minderjährigen gehabt, wurden der Nummer acht der britischen Thronfolge zum Verhängnis. Mit dem Skandal um Andrew wird deutlich: Das Königshaus befindet sich in einer Krise. Beobachter fragen sich, ob die 93-jährige Queen noch das Heft in der Hand hält.

Am Mittwoch wurde Andrew in den Buckingham-Palast zur Audienz mit der Queen gerufen und von ihr zum Abgang gezwungen. Immerhin durfte er seine Erklärung selbst schreiben: Ihm sei klar geworden, dass der Wirbel um seine Person "zu einer schwerwiegenden Störung der Arbeit meiner Familie" geworden sei. Deshalb wolle er "von meinen öffentlichen Verpflichtungen für die absehbare Zukunft zurücktreten".

So unausweichlich sich der Abtritt des Prinzen abgezeichnet hatte, so schockiert waren Verfassungsexperten, als er schließlich eintrat. Ein monumentales Ereignis, kommentierte Robert Lacey: "So etwas ist in der langen Herrschaft der Queen noch nie eingetreten." Einen solch dramatischen Abgang eines hochrangigen Royals habe es seit der Abdankung von Edward VIII. im Jahre 1936 nicht gegeben, pflichtete Professorin Judith Rowbotham bei. Tatsächlich schrammte die britische Monarchie um Haaresbreite an einer ausgewachsenen Krise vorbei. Die wachsende Empörung über Andrew hätte die Institution selbst beschädigen können.

"Annus horribilis"

Sein Abgang bedeutet aber nicht, dass es mit den Problemen des Königshauses vorbei wäre. Vor 27 Jahren hatte der Herzog von York mit seiner Scheidung von Sarah Ferguson schon einmal eine Krise ausgelöst. Die Queen nannte daraufhin 1992 ihr "annus horribilis". Seitdem hat es kein so schlechtes Jahr für die Windsors gegeben wie das jetzige. Es fing mit dem Verkehrsunfall ihres Gatten Prinz Philip an, bei dem wie durch ein Wunder niemand ernsthaft verletzt wurde. Ein angeblicher Zickenkrieg zwischen Kate und Meghan mobilisierte den Boulevard ebenso wie der vorgebliche Bruderzwist ihrer Ehemänner, Prinz William und Prinz Harry. Es gab Kritik an den Renovierungskosten der Residenz von Harry und Meghan. Sie gerieten ebenfalls in die Schusslinie, als herauskam, wie oft sie Flugreisen mit Privatjets unternehmen, obwohl sie den Klimaschutz predigen. Kurzum: Es lief ganz und gar nicht gut in der "Firma", wie sich das Königshaus gerne selbst nennt.

<<< Lesen Sie dazu auch in der Kategorie Mensch: Prinz Andrew als royaler Rücktrittskandidat, von Valerie Hader. [OÖNplus] 

Zuchtmeister Prinz Philip fehlt

Das Problem: Die Führung stimmt nicht mehr. Prinz Philip (97) hat sich von seinen öffentlichen Aufgaben zurückgezogen. Er hatte früher die Rolle des Zuchtmeisters übernommen, der für Ordnung sorgt, und er fehlt jetzt. Auch Sir Christopher Geidt, der Privatsekretär der Queen, ist nicht mehr im Dienst. Er sei, befand Royal-Experte A. N. Wilson, "der Beste, den sie jemals hatte", der "den Laden geschmissen habe", aber er wurde in einem Machtkampf 2018 hinausgedrängt. Die Queen hat zwar nun gegenüber Andrew ein Machtwort gesprochen, aber es ist bezeichnend, dass sie es überhaupt so weit hat kommen lassen. Der Prinz hatte das TV-Interview in einem Saal des Buckingham-Palastes gegeben und dafür extra die Erlaubnis der Königin einholen müssen. Elizabeth II. hätte das Interview verhindern können.

Prinz Andrew stößt das Königshaus in die Krise
Nächste Generation: die Prinzen Harry und William mit Gattinnen Meghan und Kate

Das Problem ist auch: Die hochrangigen Royals werden immer älter, und die jüngeren wie William und Harry sind noch nicht reif genug. Gerade in solch unsicheren Zeiten wie jetzt, wo der Brexit vor der Tür steht und die Nation zerrissener denn je ist, bräuchte es eine sichere Hand. Früher war die Monarchie immer die einigende Klammer der vier Nationen des Königreichs gewesen. Zwar ist sie immer noch angesehen, und republikanische Tendenzen haben zu Lebzeiten von Elizabeth II. keine Chance. Aber es kommen Sorgen auf, was passieren wird, wenn sie einmal nicht mehr da ist.

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