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Politischer Nervenkrieg in Moldawien: Ein Land, zwei Regierungen

12.Juni 2019

Es ist ein wüstes Hauen und Stechen. Die moldawische Staatsanwaltschaft hat gestern ein Strafverfahren eröffnet, das sich vor allem gegen Präsident Igor Dodon richtet. Auf Grundlage eines Videos, das der Kanal Publika TV veröffentlichte. Es zeigt ein Gespräch Dodons mit dem Oligarchen Vladimir Plahotniuc, bei dem Dodon erzählt, wie Russland seine Sozialistische Partei finanziert. Dodon sagt, das Video sei eine Montage, auf jeden Fall ist die Situation fragwürdig. Zum einen gehört Publika TV Plahotniuc, dem reichsten Mann Moldawiens und dem Chef der bisher regierenden Demokratischen Partei (kurz PDM). Zum anderen gilt es als offenes Geheimnis, dass der mehrfache Dollarmilliardär auch die Staatsanwaltschaft kontrolliert.

Das Video belegt jedenfalls, dass Dodon und Plahotniuc lange miteinander gemauschelt haben. Aber jetzt herrscht offener Krieg zwischen ihnen: Am Wochenende einigten sich Dodons russlandtreue Sozialisten völlig überraschend mit dem von Ex-Bildungsministerin Maja Sandu angeführten prowestlichen Oppositionsblock Acum auf eine Koalition, Plahotniucs ebenfalls prowestliche, aber korruptionsumwitterte PDM fand sich in der Opposition.

Eine Verfassungskrise

Eine Koalition, die die politische Architektur des 3,5-Millionen-Seelen-Staates in vielerlei Hinsicht auf den Kopf stellt. Seit Jahrzehnten gilt Politik hier vor allem als Ost-West-Konflikt, Präsident Dodon setzt auf Moskau, der Acum-Block oder die PDM predigen EU-Integration. "Aber Plahotniuc und seine PDM haben praktisch den Rechtsstaat zerstört", sagt der Politologe Ion Tabarta vom Thinktank IDIS. "Es ging so weit, dass sie 2018 die Bürgermeisterwahlen in Chisinau annullierten, weil ein Kritiker Plahotniucs gewonnen hatte." Sozialisten und Acum hätten sich trotz aller geopolitischen Gegensätze zusammengetan, um den politischen Prozess wieder in demokratische Spielregeln zu lenken.

Aber Plahotniuc hat seine eigenen Regeln – und höchstrichterliche Gefolgsleute: Das Verfassungsgericht erklärte die vom Parlament ausgerufene Koalition für rechtswidrig. Das im Februar neugewählte Parlament hätte eine seit dem 9. März laufende Dreimonatsfrist nicht eingehalten, die Koalition sei rechtswidrig. Eine schon mathematisch fragwürdige Entscheidung, da die Richter drei Monate mit 90 Tagen gleichsetzten. Und viele Verfassungsjuristen bezweifeln, das Gericht habe im Geiste der Konstitution gehandelt, als es Präsident Dodon suspendierte und Pavel Filip, den bisherigen Regierungschef, befugte, das Parlament aufzulösen.

Jetzt gibt es zwei Regierungen. Sandus neue Koalition hat die Mehrheit der Wähler und vor allem der Jugend hinter sich, Filips altes Kabinett aber Plahotniuc. Und der kontrolliert die Sicherheitsorgane und das Verfassungsgericht. Bezeichnend, dass das Parlament Sandu und ihre Minister im Dunkeln wählen musste, weil die Gegenseite den Strom abgeschaltet hatte. "Aber um sich an der Macht zu halten, bräuchte Plahotniuc schon eine Militärjunta", sagt Tabartas Kollege Kulminski.

Das Verteidigungsministerium hat erklärt, es werde sich nicht einmischen. Auch frühere PDM-Verbündete im Ausland wenden sich ab. Der rumänische Außenminister Melescanu erklärte zwar, er erkenne Sandus Regierung nicht an. Aber später schränkte er ein, das sei nur seine persönliche Meinung. Die Ukraine hält sich zurück. Aber die USA, die EU und Russland erklärten bereits, sie unterstützten Sandus neue Regierung. Nach Einschätzung Tabartas hat Plahotniuc praktisch keinen Rückhalt mehr im Ausland. "Der Konsens zwischen den großen internationalen Spielern, Russland und dem Westen, könnte den Machtkampf zugunsten der Koalition entscheiden." (scholl)

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