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Polen will aus Abkommen gegen häusliche Gewalt aussteigen

Von Florian Bayer, 08. August 2020, 00:04 Uhr
Polen will aus Abkommen gegen häusliche Gewalt aussteigen
D. Wozniakowska Bild: Uni Warschau

WARSCHAU. Experten sehen darin enormen Rückschritt bei Frauenrechten.

Kaum ist die polnische Präsidentschaftswahl geschlagen, macht die Regierung mit einem neuen Vorstoß Schlagzeilen. Justizminister Zbigniew Ziobro will ein 2015 von fast allen EU-Staaten geschlossenes Abkommen gegen Gewalt an Frauen aufkündigen.

Das "Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt", besser bekannt als "Istanbul-Konvention", verpflichtet Staaten zur Gleichstellung von Mann und Frau in der Verfassung. Regierungen müssen Hilfsangebote schaffen und Gewaltdelikte gegen Frauen unter Strafe stellen – auch und besonders im häuslichen Zusammenhang. Österreich hat das Abkommen 2011 unterschrieben und 2014 in die Rechtsprechung überführt.

Alle genannten Punkte sollten in Europa außer Streit stehen. Nicht aber in Polen, wo die regierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) im Wahlkampf 2019 das Thema "Gender" ausspielte. Seitdem hetzt sie gegen Aufklärungsunterricht, ein modernes Geschlechterbild und die Gleichstellung von Homosexuellen.

Trotz Urlaubszeit und Rekordzahlen bei Corona-Infektionen demonstrierten mehr als 2000 Personen in Warschau, Hunderte auch in anderen Städten gegen den geplanten Ausstieg. Auch der Europarat sprach von einem "enormen Rückschritt beim Schutz von Frauen vor Gewalt in Europa".

Eine breite Bürgerbewegung ist aber eher nicht zu erwarten. "Der durchschnittliche Pole weiß nichts von der Konvention", sagt Dagmara Wozniakowska-Fajst. Sie ist Professorin für Kriminalpolitik an der Universität Warschau und kennt die Konvention im Detail. Anders als die Regierung behauptet, sei der Schutz vor häuslicher Gewalt keineswegs ausreichend im polnischen Recht verankert.

Kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens 2015 kam die PiS an die Macht und verweigerte sich den meisten Reformen: Gesetze wurden nicht angepasst, Frauenhäuser erfuhren kaum Unterstützung. Nach wie vor berufen sich Richter fast nie auf die Istanbul-Konvention – obwohl sie das natürlich könnten, ist sie doch geltendes Recht in Polen. Noch.

Fehlendes Bewusstsein

Ein Problem sei auch das fehlende Bewusstsein, sagt Psychologin Maja Kuzmicz, die für die Frauenrechtsorganisation "Niebieska Linia" ("Blaue Linie") arbeitet: "Allen Gesetzen zum Trotz gibt es einen gewissen Konsens, dass häusliche Gewalt nicht so schlimm sei. Und dass sie den Staat nichts angeht."

Warum der Vorstoß ausgerechnet jetzt kommt, mitten im Sommer und nach geschlagener Wahl? "Weil sich die Regierung bei der Kirche bedanken will", sagt Wozniakowska-Fajst. Schließlich haben Bischöfe und Pfarrer von Anfang an für den PiS-Präsidentschaftskandidaten Andrzej Duda getrommelt. Und: Der Regierung ist es recht, von rapide steigenden Corona-Zahlen abzulenken.

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6  Kommentare
6  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Hillsmith (3.544 Kommentare)
am 09.08.2020 19:53

Ein klarer Fall für die "Dokustelle für den politischen Katholizismus".

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Gugelbua (31.906 Kommentare)
am 08.08.2020 14:15

So ist es beim Fortschritt, zwei Schritte nach vorne einer zurück,
schon traurig genug daß wir in Europa überhaupt so einen Gleichstellungsapparat brauchen
die verknöcherten Strukturen der Religion spielt auch eine sehr große Rolle

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jago (57.723 Kommentare)
am 09.08.2020 18:49

> die verknöcherten Strukturen der Religion

Aaaach! Die sehe ich doch gar nicht bei den "Religionen", die sehe ich bei den Regierungen.

Die Religionen sind _definitionsgemäß_ "konservativ", weil sie sich an Bücher klammern, die Gott geschrieben hat oder wenigstens der Heilige Geist.

Die Gläubigen, die von den Kirchen die Demokratie und die Modernität verlangen, die der Staat verspricht aber unterschlägt, die nenne ich schizophren Die Ungläubigen, die von der Kirche das verlangen, was der Staat verpfuscht, halte ich für unehrlich.

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jago (57.723 Kommentare)
am 08.08.2020 13:05

Polen ist beim genauen Hinschauen das ideale Menetekel für alle EU-Regierungen und -Hierarchien.

Die Polen verstecken ihren arroganten Faschismus der Obrigkeit über die Bürger nur weniger.

Offensichtlich trägt die "Partei in der Regierung" und damit verbunden die Inseratenkorruption der Medien in den "demokratischen Staaten" die sedative Wirkung bei, dass sich der Aufstand des betrogenen Volks überall niederhalten lässt.

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LASimon (11.235 Kommentare)
am 08.08.2020 10:04

Ein klares Beispiel dafür, wie schädlich kirchlicher Einfluss auf den Staat ist - für den Staat = die Gesellschaft wie für die Kirche. Aus diesem Gesichtspunkt ist nicht zu verstehen, warum Polen und Russland nicht Hand in Hand gehen. Kaczynski und Putin sind "two peas in a pod".

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jago (57.723 Kommentare)
am 08.08.2020 13:07

> Aus diesem Gesichtspunkt ist nicht zu verstehen

Ein schöner Name für Scheuklappe und Tunnelblich: "Gesichtspunkt"

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