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Neuwahlen in Myanmar erst 2023 - Putschistenchef jetzt Premier

Von nachrichten.at/apa   01.August 2021

Genau ein halbes Jahr nach der Machtübernahme in dem südostasiatischen Land kündigte Juntachef Min Aung Hlaing in einer langen Fernsehansprache am Sonntag an, dass der Ausnahmezustand bis dahin verlängert werde. Die Junta teilte außerdem mit, dass Min Aung Hlaing zum Premierminister einer "Übergangsregierung" ernannt wurde. Bisher stand er einem "Staatsverwaltungsrat" vor.

Generäle stürzten Regierung

Die Generäle hatten am 1. Februar dieses Jahres die Macht ergriffen und die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gestürzt. Dem Militär, das sich nach Jahrzehnten an der Macht per Verfassung von 2008 deutliches Mitspracherecht in Parlament und Regierung erhalten hatte, soll die zur Ikone gewordene Regierungschefin immer gefährlicher geworden sein.

Laufend Proteste der Bevölkerung

Auch am Sonntag gab es in Myanmar wieder landesweit zahlreiche Proteste der Bevölkerung, die die Wiedereinsetzung der zivilen Regierung fordert. Der Widerstand wurde von der Junta in den vergangenen Monaten mit brutaler Härte unterdrückt. Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden bisher 940 Menschen getötet. Fast 7.000 wurden festgenommen.

Die US-Botschaft in Myanmar würdigte den "bemerkenswerten Mut", den die Demonstranten in den vergangenen sechs Monaten angesichts der "weitverbreiteten Gewalt" bewiesen hätten. "Die Vereinigten Staaten stehen weiterhin fest zu ihrer Selbstverpflichtung, die Bevölkerung von Myanmar in ihrem Streben nach einer demokratischen und inklusiven Zukunft ihrer eigenen Wahl zu unterstützen", hieß es am Sonntag auf der Facebook-Seite der Botschaft.

Juntachef warf Suu Kyi Machtmissbrauch vor

Der Ausnahmezustand sollte zunächst ein Jahr dauern, wurde dann auf zwei und nun auf zweieinhalb Jahre verlängert. In seiner 51 Minuten dauernden Rede erneuerte der Juntachef seine Vorwürfe gegen die gestürzte Regierung. Er warf Aung San Suu Kyi Machtmissbrauch vor und behauptete, die Parlamentswahl vom November 2020 sei manipuliert worden. Suu Kyi, die seit dem Putsch erneut im Hausarrest sitzt, hatte die Wahl mit ihrer Partei "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) klar gewonnen.

Weder internationaler Druck noch die Proteste im Inland konnten die Junta bisher zum Einlenken bewegen. Versuche der Organisation südostasiatischer Staaten (Asean), mit der Junta zu verhandeln, blieben erfolglos. Am Montag treffen sich die Asean-Außenminister. Diese wollen dann Diplomaten zufolge einen Sondergesandten für Myanmar bestimmen. Er soll dabei helfen, die Gewalt in dem Land zu beenden und einen Dialog zwischen der Militärregierung und deren Gegnern zu befördern.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf den Machthabern in Myanmar Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Dazu zählten Mord, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, Vergewaltigung und andere Form von sexueller Gewalt, hieß es in einer Stellungnahme vom Samstag. "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zählte zu den vier Anklagepunkten beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess 1945/46, woran Human Rights Watch in ihrer Stellungnahme erinnerte. Die Organisation rief ausländische Regierungen dazu auf, die Gasimporte aus dem südostasiatischen Land zu reduzieren, um die Junta von ihrer wichtigsten Devisenquelle abzuschneiden.

Die Vereinten Nationen schrieben, dass sich die wirtschaftliche und soziale Situation sowie die Sicherheitslage in Myanmar in den vergangenen sechs Monaten deutlich verschlechtert hätten. Sie erinnerten zugleich an den bewaffneten Widerstand gegen die Junta in verschiedenen von ethnischen Minderheiten bewohnten Regionen. Insgesamt seien seit 1. Februar mehr als 220.000 Menschen in Myanmar wegen Konflikten und Unsicherheit heimatlos geworden.

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen sieht einer Aussendung zufolge durch den Putsch das Ende der Medienfreiheit in dem Land besiegelt. Das Militär entzog mindestens acht Medienorganisationen die Lizenz. Dutzende Journalisten sollen festgenommen worden sein. Darunter auch Reporter, die vom Widerstand gegen die Junta berichteten.

Derweil werden Suu Kyi ein halbes Dutzend Vergehen vorgeworfen. Beobachter und Menschenrechtsexperten vermuten, dass die Junta die Politikerin durch die Verfahren langfristig zum Schweigen bringen will. Die 76-Jährige stand schon einmal insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest, damals wegen ihres Widerstandskampfes.

Besonders problematisch ist die Situation für an Covid-19 Erkrankte. Wegen eines seit Monaten andauernden Streiks von Klinik-Mitarbeitern gegen den Putsch sind zahlreiche Krankenhäuser im Land wie leer gefegt. Zahlreiche Mitarbeiter des Gesundheitswesens wurden im Zuge der Proteste festgenommen, darunter führende Beamte wie der Leiter der Impfkampagne. Viele Patienten meiden zudem die vom Militär betriebenen Kliniken aus Wut über die Machthaber und Furcht, mit der Junta in Verbindung gebracht zu werden.

Die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward warnte, der Putsch habe zu einem fast vollständigen Zusammenbruch des Gesundheitssystems geführt. Nach manchen Schätzungen könne innerhalb der nächsten zwei Wochen die Hälfte der Bevölkerung mit dem Virus infiziert sein, sagte sie laut Medienberichten.

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18. April 2024